https://rotary.de/panorama/die-charter-urkunde-a-21668.html
Neues vom RC Bröckedde – Folge 200

Die Charter-Urkunde

Neues vom RC Bröckedde – Folge 200 - Die Charter-Urkunde
© Marcus Schäfer/pengfingerstudio.tumblr.com

Bröckedde liegt im Herzen Deutschlands – dort, wo Rhein und Donau in den schönen Bröckeddesee münden. Hier trifft sich im Bröckedder Hof der RC Bröckedde zum Meeting – jeden Mittwoch um 13 Uhr im Salon Hindenburg.

Alexander Hoffmann01.04.2023

Eines Tages ging Präsident Pröpke daran, Familienpapiere zu sortieren. Dabei stieß er auf einen Brief seines Vaters von 1963. „Eine schöne Charterfeier hatten wir im Salon Hindenburg“, schrieb der Vater.

Pröpke erstarrte. Vor 60 Jahren also wurde der RC Bröckedde gegründet, das hatte er ganz vergessen. Aber wann genau? Das stand nicht in dem Brief. Pröpke berief eine Krisensitzung des Vorstands ein und fragte: „Warum hat der Clubarchivar nicht an das Jubiläum zum 60-jährigen Bestehen erinnert?“

„Weil wir seit zehn Jahren keinen Archivar mehr haben“, sagte Freund Dr. Krümelein. „Wir haben quasi unser Gedächtnis verloren.“

Pröpke fiel es wieder ein. Freund Döderlein hatte das Archiv akribisch geführt, aber niemand hatte sich für ihn interessiert. Beleidigt hatte er dann den Club verlassen.

„Dann muss ich wohl nach Canossa gehen“, seufzte Pröpke und begab sich zu Döderlein. Dort machte er drei Kratzfüße. Döderlein war besänftigt und führte ihn in seinen Heizungskeller. „Die Gründungsmitglieder können wir nicht mehr fragen, aber vielleicht finden wir hier etwas“, meinte er und durchstöberte einen staubigen Karton.

Schließlich förderte er ein zerknittertes Dokument zutage. „Na also, da haben wir die Charter-Urkunde von 1963“, sagte er zufrieden. Zufrieden war auch Pröpke – bis er den riesigen roten Fleck auf der Urkunde sah. Er verdeckte passgenau das Datum der Gründung.

„Das stammt vom Rotwein, war wohl eine ziemliche Sause damals“, konstatierte Döderlein.

In seiner Not wandte sich Pröpke an Freund Greifer, dem Leitenden Polizeidirektor in Bröckedde. Greifer meinte lässig: „Ich gebe die Urkunde mal in unsere Labors.“

Zwei Tage später rief er zurück. „Wir hatten Erfolg.“

„So?“ „Bei dem Rotwein handelt es sich um einen Château Lafite Rothschild von 1959. Die Freunde damals wussten, was gut ist.“

„Ja, und das Datum?“

„Hat die Säure des Weins weggefressen, sorry.“

Pröpke war der Panik nahe, die von ihm so schön erträumte Jubiläumsfeier rückte in weite Ferne.

Erlöst wurde er von Freund Kwujau, Inhaber eines Grafikstudios, der eine „kreative Lösung“ vorschlug. Bald präsentierte Kwujau eine prächtige, fleckenfreie Neuversion der Charter-Urkunde. Nach einem Bad in der Mikrowelle hatte sie auch die richtige Patina. Pröpke war begeistert, fragte aber: „Und der exakte Tag der Clubgründung?“

„Kenne ich nicht, ich habe einfach meinen Geburtstag eingesetzt, den 29. Februar.“

Pröpke machte sich an die Formulierung seiner Festrede.

Die Einladungen gingen raus, schön verpackt in eine Kopie der Charter-Urkunde.

Zwei Tage vor dem Fest rief Dr. Krümelein an. „Ich will ja nicht meckern, aber einen 29. Februar gibt es nur in Schaltjahren. 1963 war definitiv kein solches.“

Doch in Pröpke glühte nach all den Misslichkeiten die Vorfreude auf das Fest. Er beschied Dr. Krümelein: „Es bleibt beim 29. Februar 1963. Wir vom RC Bröckedde haben unsere eigene Zeitrechnung, das macht uns ja so einzigartig.“

Alexander Hoffmann
Alexander Hoffmann (RC Frankfurt/Main-Römer) ist korrespondierendes Mitglied des RC Bröckedde. Nach langen Jahren als politischer Redakteur bei namhaften Tageszeitungen (zuletzt "Süddeutsche Zeitung") ist Hoffmann heute als Unternehmensberater tätig. Daneben zahlreiche Sachbuchveröffentlichungen zu den Themen Zeitgeschichte und Medizin sowie satirische Beiträge für den Rundfunk. Dem satirischen Düsseldorf-Roman "Der Wolkenschieber" folgten 2019 der Krimi "Hopfen, Malz & Blut" und 2020 der Krimi "Phantom im Wiehengebirge". 2021 erschienen der Krimi "Bommfördes Erbe" und der Roman "Brillanter Abgang". 2022 folgte der Wirtschaftskrimi "Mainopoly". 2023 erschienen der Krimi "Tödliche Eisernte" und die Katzennovelle "Der Chef bin ich".
Copyright: privat www.hoffmannschreibt.de