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Porträt

„Man muss Dreck gefressen haben“

Porträt - „Man muss Dreck gefressen haben“
Auch ein Ausdruck seiner Bescheidenheit: Im Wohnbereich des Hauses deutet nichts auf seine Bundeswehrkarriere hin. Das gemalte Porträt aus seiner Zeit im Kosovo hängt am Treppenabgang zum Keller. Halbauer selbst ist heute noch körperlich in bester Form und geht regelmäßig joggen. © Tanja Evers

Volker Halbauer war Generalleutnant der Bundeswehr und berät das ukrainische Militär – sein Fachwissen und seine Menschenführung sind von unschätzbarem Wert.

Florian Quanz01.05.2023

Es sind zwei Sätze eines langen Gespräches, die man als ein Resümee seines bisherigen Lebens betrachten kann. „Es wird nie so laufen, wie man es sich vorgestellt hat. Dann muss man flexibel sein und seine Denk- und Handlungsweise anpassen.“ Volker Halbauer weiß, wovon er redet. Flexibel zu sein, das hat das Leben von ihm häufig gefordert. Nicht immer hatte er sich das ausgesucht, aber er hat jede Lebenssituation gemeistert. Halbauer gehört zu jenen Menschen, die in Herausforderungen Chancen sehen und positiv denken. Nach eigener Aussage kam bei ihm noch Glück hinzu. Wer ihn kennenlernt, wird schnell merken, dass in dieser Aussage viel Bescheidenheit steckt.

Zur Bundeswehr wollte er eigentlich gar nicht. Doch dann erwartete er mit seiner Frau das erste Kind und einen verlässlicheren Arbeitgeber konnte er sich damals nicht vorstellen. Es sollte der Beginn einer beeindruckenden Karriere werden, an deren Ende Volker Halbauer Generalleutnant des Heeres war. Bis dahin hatte er einen langen Weg mit vielen verschiedenen Einsatzorten und Verwendungen, wie es bei der Bundeswehr heißt, hinter sich. Alles begann 1975 an der Universität der Bundeswehr in Hamburg, wo er ein Studium der Wirtschafts- und Organisationswissenschaften als Diplom-Kaufmann abschloss. Etwa im Zweijahresrhythmus zog er nach seiner Beförderung zum Major 1989 mit seiner Familie, Halbauer hat zwei Töchter, weiter.

Manche Verwendung wollte er „partout nicht antreten“, wie er zugibt. Sigmaringen war so eine Station, mit der sich vor allem seine Frau im Vorfeld nicht anfreunden konnte. Doch zu ihrem Glück, wie er sagt, trat das Unerwartete ein: „Es war eine tolle Zeit. Nicht nur dienstlich, sondern auch menschlich.“ Viele Freunde fanden sie in Sigmaringen und Halbauer auch zu Rotary. Mitglied ist er inzwischen aber im Rotary Club Bad Wildungen-Fritzlar. In der nordhessischen Kleinstadt Fritzlar hatte er 2006 das Kommando über die Luftbewegliche Brigade 1 erhalten. Am Bundeswehrstandort blieb er zwei Jahre und wechselte dann ins Verteidigungsministerium. Im dortigen Club ist der 67-Jährige jedoch bis heute geblieben, aus Verbundenheit zu den rotarischen Freunden.

187 Tage in Somalia

„Die ständigen Ortswechsel gehören dazu, wenn man bestimmte Führungsfunktionen ausüben will“, erklärt Halbauer. „Ministerialverwendung, Ämterverwendung und internationale Erfahrung – das muss zusammenkommen.“ 1993 nahm er am ersten bewaffneten Einsatz der Bundeswehrgeschichte in Somalia teil. Das Camp haben sie damals mitsamt der Latrinen und der Küche selbst aufgebaut. Und einen Schützengraben in der Hitze Ostafrikas ausgehoben. „Ich habe zwölf Liter Wasser am Tag getrunken“, erinnert er sich an die ersten zwei Wochen. Essen habe es nur aus der Dose gegeben. 187 Tage blieb er. Der Einsatz sei „sehr fordernd“ gewesen. „ Man muss den Dreck gefressen haben, damit man am Ende auch weiß, was man von seinen Männern verlangt.“

Es ist nur einer von vielen Sätzen, die Volker Halbauer mit seiner sonoren Stimme in ruhiger Art von sich gibt und die in jedes Führungshandbuch der Bundeswehr gedruckt werden sollten. Seine Sprache ist so verbindlich wie einnehmend. Was er unter Führung versteht? Den Dialog mit Untergebenen auf Augenhöhe führen zu können. Er hat sich vor Jahren 5000 Aufkleber seiner Lieblingsfußballmannschaft, der TSG Hoffenheim, drucken lassen. Bei Übungsbesprechungen etwa hat er sie verteilt. Das Thema Fußball als Türöffner zu einer guten Atmosphäre – es hat immer funktioniert. Auch König Willem-Alexander und dem früheren Bundespräsidenten Joachim Gauck hat er einen solchen Aufkleber in die Hand gedrückt. Das Resultat: „Keiner meiner früheren Kollegen wechselt die Straßenseite, wenn wir uns begegnen.“

Berater der Ukraine

Dieses Führungsverständnis vermittelt er heute dem ukrainischen Militär. Nach der Annexion der Krim bat die damalige Regierung in Kiew westliche Partner um Hilfe. Die Bundesregierung entsandte Volker Halbauer als militärischen Berater. Ein Beleg, wie viel Ansehen er sich in all den Jahren erarbeitet hat. Seit 2016 war er 38 Mal in dem Land. Als Teil des Defense Reform Advisory Board hat er wesentlich dazu beigetragen, dass das ukrainische Militär altes sowjetisches Denken hinter sich ließ und heute viel besser organisiert ist. Beeindruckt ist er von der Mentalität der ukrainischen Soldaten. „Die werden nicht aufgeben“, ist er sich sicher. Als er vor wenigen Jahren einen Kommandeur einer Unteroffiziersschule bat, drei Wünsche zu äußern, nannte dieser dreimal eine Siegesparade auf dem Roten Platz in Moskau. „Da habe ich gelernt, wie die ticken.“ Flexibel auf neue Herausforderungen zu reagieren war nicht nur mit Blick auf die Ukraine gefragt. Volker Halbauer pflegte zugleich seine todkranke Frau Helga monatelang zu Hause in Rheinbach bei Bonn. Sie verstarb im vergangenen Jahr.


Zur Person

Volker Halbauer (RC Bad Wildungen-Fritzlar) ist Generalleutnant a. D. der Bundeswehr. Der 67-Jährige war bis zum 7. April 2016 Kommandierender General des 1. Deutsch-Niederländischen Korps in Münster. Er berät als Teil des Defense Reform Advisory Board das ukrainische Verteidigungsministerium. Als Fußballfan drückt er der TSG 1899 Hoffenheim die Daumen.

Florian Quanz
Florian Quanz arbeitet seit März 2021 als Redakteur beim Rotary Magazin. Zuvor war er Leiter des Manteldesks sowie Politik- und Wirtschaftsredakteur bei der Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen (HNA), einer großen Regionalzeitung mit Sitz in Kassel.
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