Chicago
Council on Legislation

Edith Karos vertrat im April den Distrikt 1820 im Gesetzgebenden Rat von Rotary als Delegierte. Wir sprachen mit ihr vor und nunmehr auch nach ihrer ersten Reise nach Chicago im April 2025

Liebe Edith, wie war es in Chicago als Delegierte im Council on Legislation (CoL)?
Es hat schon etwas Beeindruckendes, wenn sich 700 Menschen aus allen Teilen der Welt im "Grand Ballroom", dem größten Veranstaltungssaal des größten Chicagoer Hotels, versammeln: Rund 500 stimmberechtigte Delegierte, dazu das gesamte Führungsteam von RI, die aktuelle Präsidentin Stephanie Urchick, zukünftige und Past-RI-Präsidenten, die Mitglieder des Board of Directors, der Generalsekretär sowie weitere hauptamtliche Mitarbeiter des RI-Headquarters in Evanston, plus akkreditierte Gäste. Man fühlt sich als Teil dieses weltweiten Netzwerks und wird sich zugleich seiner Verantwortung bewusst.
Sage uns noch einmal: Was ist die Aufgabe des CoL?
Der Council entscheidet über Änderungen oder Ergänzungen an den zentralen Dokumenten von Rotary International: die Verfassung von RI, die Satzung von RI sowie die einheitliche Verfassung für Rotary Clubs. Und wie es bei demokratisch gewählten Parlamenten üblich ist, hat der Council on Legislation auch ein Budgetrecht, das bedeutet im Fall von Rotary, dass eine Erhöhung der Beiträge, die jeder Club an RI zu errichten hat, vorher vom CoL beschlossen werden muss.
Mit Blick auf die 86 Anträge, die dem CoL vorlagen, hattest Du vor Deiner Reise drei Themenschwerpunkte als besonders bedeutsam hervorgehoben: Anträge zu den Mitgliedsbeiträgen der Clubs an Rotary International, Transparenz und eine Altersbegrenzung für die Mitgliedschaft in Rotaract Clubs. Gehen wir die Themen Punkt für Punkt durch. Welche Mitgliedsbeiträge haben die Clubs an RI künftig zu entrichten?
Die Beiträge der Clubs an RI werden sich gemäß dem vom Board of Directors eingebrachten Vorschlag entwickeln: Sie orientieren sich – wie in der Vergangenheit auch – an der erwarteten Inflationsrate und Kostenentwicklung und steigen von aktuell 41 US-Dollar pro Mitglied und Halbjahr in jährlichen Schritten sukzessive auf halbjährlich 46,50 US-Dollar im Jahr 2028/29. Diese Beiträge sind die Finanzierungsgrundlage für die Tätigkeit von Rotary International. Der Antrag wurde sehr intensiv und kontrovers diskutiert, schließlich aber mit einer deutlichen Mehrheit angenommen. Die Gegner des Antrags hatten zum Teil weniger die konkret geplanten Beitragssätze im Fokus als vielmehr die nach ihrer Meinung verbesserungswürdige Transparenz betreffend die Kosten- beziehungsweise Aufwandsseite im Finanzbericht von RI.
Wie transparent soll und wird Rotary künftig sein?
Moderne Organisationen müssen heutzutage offen kommunizieren und sich um Transparenz bemühen. Dieser Meinung sind nicht nur viele Rotarier, die jeder von uns in seinem persönlichen Erfahrungsspektrum trifft. Auch die Mehrheit der Delegierten unterstützt dies augenscheinlich, denn es wurden alle Anträge, die sich mit Transparenz befassen, angenommen. So muss zukünftig der Fünf-Jahres-Forecast von Rotary International Informationen über Maßnahmen zu Prozessverbesserungen und Kostenreduktion enthalten. Auch dem Board of Directors wird die Verbesserung der Transparenz in den satzungsmäßigen Aufgabenkatalog hineingeschrieben. Schließlich wird die Nachverfolgung des Umsetzungsstands der im Council on Resolutions gefassten Beschlüsse konkretisiert. Aus meiner Sicht stellen diese Beschlüsse einen wichtigen und angemessenen Fortschritt dar für eine moderne NGO (Non-Governmental Organisation) wie Rotary.
Gibt es eine Altersbegrenzung für die Mitgliedschaft in Rotaract Clubs?
Klares Ergebnis: Nein, jegliche Altersbegrenzung für die Mitgliedschaft bei Rotaract wurde abgelehnt.
Rotary ist in der Tat eine multikulturelle Organisation. Wie haben die Delegierten ihre Meinungsbildung in all ihrer Heterogenität organisiert?

Der Council ist eine top vorbereitete und sehr professionell durchgeführte Veranstaltung, die tatsächlich in vielem an ein Parlament erinnert. Es gibt feste Regeln und eine genau festgelegte maximale Rededauer (zumeist zwei Minuten) für die unterschiedlichen Arten von Wortmeldungen. Ein Chairman und eine Chairwoman leiten jeweils im Wechsel die Plenarsitzungen vom Präsidium aus, unterstützt von je einem Team von Experten zu prozeduralen Fragen, zu Satzungsthemen und noch einigem mehr. Schließlich wird jeweils nach der Debatte zu jedem einzelnen Antrag abgestimmt.
Zur Meinungsbildung ist aber auch die Vorbereitung in den Monaten zuvor wichtig, sowohl für die einzelnen Delegierten als auch möglichst gemeinsam mit ihren Kollegen aus dem gleichen Land, der gleichen Region beziehungsweise Zone – letzteres im rotarischen Sinne gemeint. Und dazu gehört dann auch, wie in anderen Parlamenten, dass sich diese Gruppierungen im Vorfeld möglichst mit anderen Gruppierungen vernetzen, um sich gegenseitig ihre Anträge zu erläutern und sich Unterstützung durch Debattenbeiträge sowie bei der Abstimmung zu sichern.
Schließlich gibt es noch die Sitzungspausen, in denen man letzte Koalitionen auf den Fluren schmieden kann. Obwohl ich zum ersten Mal dabei war, habe ich doch aus den Berichten der erfahreneren deutschsprachigen Kollegen mitgenommen, dass wir in dieser Vorab-Vernetzung deutlich besser geworden sind. Entsprechend wurden auch fast alle unsere Anträge angenommen.
Der Council tagte in einer Zeit des Umbruchs. Die Machtblöcke in der Welt ordnen sich neu, und das gastgebende Land des CoL, die USA, tragen erheblich zu dem bei, was der Politikwissenschaftler Herfried Münkler als "Die Welt in Aufruhr" beschrieben hat. War der "Aufruhr" auch im Plenum oder zumindest im Foyer zu spüren?
Trotz teilweise kontroverser Meinungen und Diskussionen findet das Ganze in einer sehr respektvollen und freundschaftlichen Atmosphäre statt. Auch die – wie ich es empfinde– sehr wertschätzende Haltung der Amerikaner unterstützt natürlich dieses Klima. Es fängt an bei der zuvorkommenden Freundlichkeit, die man auch sonst von USA-Aufenthalten kennt, über die Vielzahl der für die Veranstaltung aufgebotenen Helfer bis hin zu den Infoständen, an denen alle Council-Teilnehmer praktischen Rat zu diversen Themen oder Fragestellungen finden konnten. Und im Plenum wurde von den unterschiedlichsten Rednern zu den verschiedensten Themen immer wieder das gemeinsame Ziel aller Rotarier und Rotarierinnen weltweit beschworen, gerade angesichts der Krisenzeiten. Zusammenhalt beim Engagement für Gesundheit, Bildung und Frieden – das ist ein starkes Motiv, das alle vereinte.
Kehrst Du mit einer veränderten Wahrnehmung der Weltpolitik vom CoL zurück?
Nun, das vielleicht nicht gerade. Aber ich finde, man kann das Ganze auch als Lektion in Demut nutzen. Zum Beispiel ein Antrag, eingebracht von einem Rotary Club aus Kairo, der die politische Neutralität und das Verbot politischer Stellungnahmen von Amtsträgern von Rotary International in der Satzung festschreiben will. Bisher steht dies nur in der allgemeinen Verfassung für Rotary Clubs, betrifft also alle Clubs, aber nicht explizit die Zentrale, also RI und seine Amtsträger. Der Antrag war gut formuliert und begründet. Die Diskussion im Council darüber war kontrovers, aber friedlich und von gegenseitiger Wertschätzung geprägt. Schließlich wurde der Antrag mit deutlicher Mehrheit angenommen. Viele Rotary-Mitglieder in Mitteleuropa haben, gerade angesichts der jüngsten Krisen weltweit, eine andere Sicht auf die Neutralität von Rotary, die Lebenswirklichkeit und daraus abgeleitete Verhaltensweisen in vielen Ländern der Erde ist jedoch offenbar eine andere. Das muss man respektieren.

Aber jede Medaille hat zwei Seiten und daher zitiere ich gerne RI-Präsidentin Stephanie Urchick in ihrer Abschlussrede vor dem Council: "Engagement for health, education and peace is not political."
Was können, was sollten wir im Distrikt und in unseren Clubs tun, um Frieden und Verständigung lokal und global zu stärken?
Wenn ich das wüsste! Ein wichtiges Element sind immer wieder die persönlichen Begegnungen – auch in Chicago konnte man ja erleben, wie das gegenseitige Verständnis durch persönliches Kennenlernen, Gespräche und Diskussionen wächst. Insofern sind internationaler Jugendaustausch, Clubpartnerschaften und alle Gelegenheiten, bei denen sich Menschen persönlich treffen, eine wichtige Unterstützung. Nichts ist so gut geeignet für den Abbau von Feindbildern wie das Kennenlernen von Menschen der jeweils "anderen Seite" und die daraus resultierende Erkenntnis, dass diese Menschen im Grunde auch nicht anders sind und vor allem eins wollen: in Frieden leben.
Die Fragen stellte Claus Peter Müller von der Grün.

Claus Peter Müller von der Grün ist Journalist. 1960 in Kassel geboren kehrte er — nach dem Studium in Dortmund und verschiedenen beruflichen Stationen in Dortmund, Düsseldorf und Frankfurt — nach der Wiedervereinigung nach Kassel zurück. Dem RC Kassel-Wilhelmshöhe gehört er seit dem Jahr 2000 an. Im Jahr 2013/14 war er Präsident seines Clubs. Sowohl im Club, als auch auf der Distriktebene war er schon mehrfach in Sachen der Kommunikation aktiv, derzeit ist er Distriktberichterstatter von D1820.
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