Hamburg
"Ich bin bei Rotary, weil..."
In einer neuen Serie stellen wir in loser Folge Rotarierinnen und Rotarier aus dem Distrikt 1890 und ihre Motivation für ein Engagement bei Rotary vor. Heute: Juliane von der Wense vom RC Stade-Elbmarschen. Im Distrikt ist sie die Beauftragte für die rotarischen Nachwuchsorganisationen Rotaract und Interact.
Juliane, wann bist Du wie zu Rotary gekommen?
Das kann ich gar nicht so genau sagen, weil Rotary irgendwie schon immer da war. Mein Vater war Rotarier, meine Mutter bei Inner Wheel, ich war bei Rotaract – damals flog man allerdings mit 29 noch raus. Altersbedingt. Unerhört. Dann kam jedenfalls so lange nichts, dass es irgendwann schon zu Entzugserscheinungen führte. Der Zufall wollte es, dass mich mein Weg nach Stade führte und ich ausgerechnet im südelbischen Niemandsland auf eine alte Rotaract-Freundin stieß, die seinerzeit im RAC Witten aktiv gewesen war und der es ähnlich erging. Wir kaperten noch einen Freund und riefen den RC Stade-Elbmarschen ins Leben, der 2017 gechartert wurde.
Was hat Dich bewogen, Dich für eine Mitgliedschaft zu entscheiden?
Ich finde es wichtig, die Gesellschaft in der wir leben, mitzugestalten – im Kleinen und im Rahmen meiner Möglichkeiten dafür Sorge zu tragen, Mangel und Missstände zu regulieren und zu helfen, Menschen, die durch die Maschen sozialer Sicherungen zu fallen drohen, eine Stimme zu geben. Das gelingt mit der Schubkraft einer Organisation Gleichgesinnter besser als allein. Dass meine Wahl dabei auf Rotary fiel, würde ich mal in der Kategorie "familiäre Prägung und Vorbelastung" verbuchen wollen. Traditionen leben ja bekanntermaßen vom Mitmachen...
Was macht Rotary für Dich zu dem, was es ist?
Wenn sie denn gelebt wird, finde ich die Weltoffenheit Rotarys einfach umwerfend. Dieses Gefühl, überall auf der Welt eine Anknüpfungsmöglichkeit zu haben. Menschen und ihren Kulturen, ihren Ideen und Weltanschauungen zu begegnen und über alle Hürden und Unterschiede hinweg durch die gemeinsame Sache vereint zu sein und für die gemeinsame Vision, für dieselben Werte einzustehen, das finde ich großartig. Das mag ich. Ich mag dieses Gefühl der Zugehörigkeit – meistens jedenfalls.
Manchmal habe ich das Gefühl, dass Rotary sehr institutionell sein kann. An den Stellen, an denen das nicht der Fall ist, finde ich unsere Organisation wirklich lebendig. Besonders fällt mir das im Zusammenspiel mit und innerhalb Rotaract(s) und auch auf Distriktebene auf. Ich finde, zum Beispiel, dass wir ein wirklich tolles Beiratsteam im Sinne menschlicher Zugewandtheit und ausgewogener Ergänzung haben.
In Zeiten der Pandemie beeindruckt es mich, wie nah, greifbar und unmittelbar wir für einander vielerorts geworden sind; so paradox das ob des Verzichts auf physische Nähe klingen mag. Erst durch die Etablierung der Videoschaltungen im Clubleben, kann man auf schnellstem und kürzestem Wege, nämlich vom eigenen Sofa aus, an Meetings anderer Clubs teilnehmen. Ich finde das sowohl zwischenmenschlich als auch hinsichtlich der verschiedenen Vortrags- und Projektimpulse außerordentlich bereichernd – und soooooo unkompliziert. Ich bin im vergangenen Jahr mit Menschen in Kontakt gekommen, die ich unter herkömmlichen Umständen absehbar nicht kennengelernt hätte. Das finde ich toll. Geht also schon mal in Deckung, Freunde, wenn Corona vorbei ist, komme ich "in echt"!
Ein kleiner Elevator-Pitch: Du hast nur zwei Minuten Zeit, einem Fremden zu erzählen, was das Besondere an Rotary ist. Welche fünf Attribute würdest Du wählen?
Mir gefällt die Internationalität; die Vielfalt der Menschen, ihres Handelns und ihrer Weltanschauungen, die doch nie die Ziele Rotarys ideologisch überlagern. Mich begeistert, wie wir uns mit unserer Unterschiedlichkeit ergänzen und uns zum Wohle und Zwecke gemeinsamer Visionen und Projekte vernetzen, um global(e) Verantwortung zu übernehmen. Ich mag – dort wo sie tatsächlich gelebt wird – die Atmosphäre von Toleranz, Gestaltungs- und Veränderungswillen.
Worin ist Rotary richtig gut?
- Völkerverständigung
- Friedensarbeit
- Jugendaustausch
- globale Vernetzung
- zuweilen aber leider auch in saturierter Selbstgefälligkeit und pseudoelitärer Arroganz
Worin hat Rotary noch Nachholbedarf?
- Unkonventionalität
- Freigeistigkeit
- Nachwuchsförderung/-bindung
- Mitgliedergewinnung: Ich glaube, wenn wir uns einzig auf das "Gebetenwerden" als Mittel der Ansprache verlassen, verstellen wir unserer Organisation langfristig den Weg zur Vielfältigkeit und bringen uns besonders auf Clubebene um wertvolle Mitglieder. Menschen, die ihren Weg von sich aus zu uns fänden, hätten wir selbst möglicherweise gar nicht in unserer Sichtachse. Wir haben in unserem Club ein Mitglied, das von sich aus den Kontakt zu unserem Club hergestellt hat: an unserer Weihnachtsmarkt-Bude. Dieses Mitglied war mit Rotary für ein Jahr im Ausland und hatte die Organisation und das rotarische Leben in guter Erinnerung. Diese rotarische Freundin ist nicht nur menschlich eine große Bereicherung, sondern auch durch ihr Engagement und ihre Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, eine tragende Säule unseres Clubs. Wäre diese rotarische Freundin nicht auf uns zugekommen, hätten wir sie für uns nie entdeckt. Das wäre ein Jammer, auch wenn wir natürlich nicht gewusst hätten, was uns fehlt.
Was würdest Du Dir auf globaler, auf Distrikt- und auf Clubebene für die Organisation wünschen? (Es können unterschiedliche Wünsche sein!)
Im bundesdeutschen Kontext fände ich an manchen Stellen eine gewisse schnörkellose Bodenständigkeit äußerst erfrischend. Auf Distrikt- und somit auch auf Clubebene fände ich ein rege(lmäßige)s Miteinander von Rotary und Rotaract erstrebenswert, wobei ich seitens Rotary die Bring-, seitens Rotaract allerdings auch eine Holschuld sehe. Rotary sollte seinerseits gegenüber Rotaract eine Open-Door-Policy praktizieren und den Zugang zur Teilnahme an Clubabenden und -aktionen für Rotaracter (pekuniär) möglichst niedrigschwellig halten und umgekehrt auch Bereitschaft und Interesse zeigen, an Rotaract-Meetings teilnehmen zu wollen.
Wir haben auf Distriktebene eine Möglichkeit geschaffen, Rotaract Zugang zur Vortragsbörse zu gewähren. So können Rotaracter sich einerseits mit ihren Themen für Rotary als Referenten vor- und zur Verfügung stellen, andererseits aber auch auf den Referentenpool Rotarys zugreifen und ihrerseits Rotarier als Referenten anfragen und zu ihren Meetings einladen. Außerdem ist eine Job- und Praktikabörse geplant. Von beiden Maßnahmen erhoffen wir uns eine engere Verzahnung unserer Organisationen.
Grundsätzlich bedauere ich es etwas, dass es auf regionaler Ebene zwischen vielen Clubs nur sehr wenig Austausch gibt. Gelänge es uns, einander hier besser und regelmäßiger miteinander zu vernetzen und Synergien zu nutzen, könnten wir, meines Erachtens, deutlich mehr bewegen.
Ebenso betrüblich finde ich, dass – so jedenfalls scheint es mir – immer mehr Clubs auf Hands-on-Projekte verzichten. Das ist insofern wirklich schade, als dass gerade die Hands-on-Projekte auf so unterschiedlichen Ebenen zu weitreichenden und nachhaltigen Effekten führen: Sei es im eigenen Clubleben oder auch bei der Interaktion von Rotary, Rotaract, Interact sowie Inner Wheel, ganz zu schweigen von den direkt erfahrbaren Auswirkungen auf jene, die wir durch diese Projekte unterstützen.
Wenn Rotary ein Tier wäre, was wäre es dann für Dich?
Eine Galapagos-Schildkröte: Einst erfolgreich eine Nische gefunden, verharrt sie darin allem Wandel trotzend und ist, wenn sie so weitermacht, vom Aussterben bedroht. Hat dabei aber doch etwas betont tiefenentspannt Beharrliches und Bedachtes, das sei zu ihrer Ehrenrettung gesagt.
Das Interview führte Susanne Meise (RC Dänischer Wohld und Öffentlichkeitsbeauftragte des Distriktes 1890).
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