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Zum Titelthema vom Juli 2021

Litauen bietet jetzt China die Stirn

Zum Titelthema vom Juli 2021 - Litauen bietet jetzt China die Stirn
Wie bedeutsam Litauens Geschichte auch für die aktuelle Politik des Landes ist, war im Rotary Magazin im Juli nachzulesen. Die Süddeutsche Zeitung berichtet passend dazu über das derzeitig belastete Verhältnis zwischen Litauen und China. © Florian Quanz

Das kleine Litauen stellt sich dem großen China in den Weg. Die Kräfteverhältnisse sind klar verteilt und doch spielt sich der Konflikt auf der großen internationalen Bühne ab. Wieder einmal zeigt sich, wie bedeutsam Litauen ist, und warum es Titelthema des Rotary Magazins im Juli war.

Florian Quanz07.10.2021

Wer Litauens Politik verstehen will, muss an Litauens Geschichte denken. Das ist nicht nur in der Titelthema-Strecke des Rotary Magazins vom Juli 2021 klar geworden. Auch die Süddeutsche Zeitung erklärt in einem aktuellen Artikel vom 6. Oktober über Litauens Außenpolitik die Bedeutung der Staatsgeschichte. Dort wird die Begegnung mit Vytautas Landsbergis geschildert, einem früheren Unabhängikeitskämpfer.

Im Artikel heißt es: "In seinem Büro sitzt der 88-jährige Vytautas Landsbergis, Vater der litauischen Unabhängigkeit, und schlägt den Bogen durch die Jahrhunderte: das mächtige litauische Reich des Mittelalters, später die Besatzung durch das zaristische Russland, dann durch Nazi-Deutschland und schließlich durch die Sowjetunion." Alles Geschichtskapitel, die heute noch Einfluss auf politische Entscheidungen haben, alles Geschichtskapitel, die in der Juli-Ausgabe des Rotary Magazins hintergründig beleuchtet werden. Dann zitiert die Süddeutsche Zeitung Landsbergis: "Eine chinesische Stadt ist so groß wie fünf Litauens. Aber wir Litauer wurden über die Jahrhunderte hinweg geimpft gegen Unterjochung. Wir haben immer Widerstand geleistet." 

Doch was hat die aktuelle Krise zwischen beiden Ländern ausgelöst? Das kleine Litauen fürchtet die immer stärker werdende Einflussnahme Chinas auch in Europa. Deshalb trat Litauen aus dem von China angeführten Handelsblock der ost- und zentraleuropäischen "17-plus-1-Länder" aus. Das kleine Litauen wagt den Handelskrieg mit dem großen China. Das gipfelte kürzlich darin, dass die litauische Regierung seinen Bürgern riet, chinesische Smartphones wegzuwerfen und Marken anderer Länder zu kaufen. Experten der Regierung hatten zuvor festgestellt, dass etwa ein Xiaomi-Modell eine jederzeit aktivierbare Zensurfunktion integriert hatte. Ein anderes Modell wiederum verschichte ohne Wissen der Nutzer Daten an einen Server nach Singapur, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet. Der Aufruf zum Kauf-Boykott kam in Peking natürlich gar nicht gut an. 

Doch Litauen ist in einer komfortablen Situation. Die Handelsbeziehungen mit China spielten schon vor dem Konflikt in der Außenhandelsbilanz kaum eine Rolle. Der innereuropäische Markt ist für Litauer viel wichtiger, so dass es sich gegenüber China eine harte Position erlauben kann, ohne, dass die Wirtschaft leidet. In Deutschland wären solche Boykott-Aufrufe undenkbar. Wenngleich auch hierzulande die Bedenken gegenüber chinesischen IT-Produkten bekannt sind.

Litauen geht sogar noch weiter. Kürzlich kündigte Taiwan an, eine Vertretung in Litauen zu eröffnen. Eine Vertretung, die den Namen Taiwan trägt, und nicht wie sonst üblich Taipeh, um China nicht nch mehr zu verärgern. Litauen wäre damit das erste EU-Land mit solch einer Vertretung. So wie einst das kleine Litauen von der großen Sowjetunion unterdrückt wurde, so blickt man mit diesem historischen Wissen auf Taiwan und China. Es sind diese Paralelen, wie die Süddeutsche Zeitung zurecht bemerkt, die diese Länder zueinander führen.

China hat umgehend reagiert, seinen Botschafter abgezogen und die Vergabe von Einfuhrlizenzen für litauische Waren blockiert. Reaktionen, die Litauen nicht wirklich weh tun, aber zeigen, dass China das kleine Land ernst nimmt. Im Artikel "Das Herz und Hirn Europas" im Rotary Magazin vom Juli 2021 erklärt Geheimdienstexperte Edward Lucas, warum auch Westeuorpa schnell anfangen sollte, das kleine Land ernst zunehmen. So, wie es China derzeit auch tut.

Die Chinesen sorgen sich weniger um den schwindenden Absatzmarkt in Litauen als viel mehr um die Außenwirkung, die dieser vermeintlich kleine Konflikt entfalten kann. Wenn ein kleines Land wie Litauen sich gegen China stellen kann, können dies auch weitere Länder tun. Je mehr europäische Länder dem Riesenreich aus Asien den Rücken kehren, desto größer wird auch innerhalb Europas der Druck auf große Staaten wie Deutschland oder Frankreich, seine Handelsbeziehungen mit China zu überdenken.

Das außenpolitische Handeln Litauens könnte der Funke sein, der einen größeren Flächenbrand entfacht. Wieder einmal zeigt sich, wie dynamisch Litauens Entwicklung ist, und wie selbstbewusst sich diese aufstrebende Nation präsentiert. Die aktuelle Entwicklung zeigt, ein Blick in die Seele dieser Nation lohnt. Ein zweiter Blick in die Juli-Ausgabe des Rotary Magazins somit umso mehr.