Editorial
Nie wieder Müll?
Ansätze zum Umdenken
Es ist nicht mehr fünf vor zwölf. Seit zwei Jahren steht die „Doomsday Clock“, die sogenannte Weltuntergangsuhr, auf 90 Sekunden vor Mitternacht. Damit macht die Organisation „Bulletin of the Atomic Scientists“ auf die Gefahren für die Menschheit aufmerksam. So weit wie in den Jahren 2023 und 2024 waren die Zeiger in der Geschichte der symbolischen Uhr noch nie vorgerückt. Begründet wurde die Entscheidung unter anderem mit der Bedrohung durch eine mögliche atomare Eskalation im Krieg in der Ukraine sowie mit der Klimakrise. Seit Jahren weisen Politik, Medien und Umweltverbände mit steigender Vehemenz auf die Erderwärmung hin, auf die Erde, die im Müll ertrinkt, auf eine folgenschwere Jagd nach Rohstoffen, die unser Ökosystem zum Kippen bringt. Doch angesichts all dieser Drohszenarien tut sich erstaunlich wenig. Sind wir wegen der vielen geopolitischen Krisen, Kriege und Konflikte nur abgelenkt oder gar nicht länger empfänglich für Warnungen, die unser Klima betreffen? Oder ist das alles nur Alarmismus?
Einen vielversprechenden Ansatz zum Umdenken liefert jedenfalls die Cradle to Cradle NGO aus Berlin. Cradle to Cradle (C2C, von der Wiege zur Wiege) beschreibt ein Kreislaufwirtschaftsmodell, bei dem kein Müll mehr anfällt. Während unsere traditionelle Vorstellung von einer Kreislaufwirtschaft von „reduce, reuse und recycle“ ausgeht, muss sich eine echte Kreislaufwirtschaft für den C2C-Vordenker Michael Braungart über „rethink, reinvent und redesign“ definieren. Es ist weltweit das einzige Modell, das den Menschen nicht als Schädling, sondern als Nützling begreift. Jeder könne einen positiven Fußabdruck hinterlassen, schreibt Umweltforscher Braungart zum Auftakt unserer Titelgeschichte. Darüber hinaus habe ich ein längeres Interview mit Tim Janßen geführt, dem Gründer und geschäftsführenden Vorstand der C2C NGO. Das ungekürzte Interview finden Sie auf rotary.de.
Doch es gibt auch Widerspruch: Die Theoretiker der Kreislaufwirtschaft würden zwar das Richtige wollen, aber wichtige Fakten ausblenden. Es gebe zwar Fortschritte, aber vieles sei immer noch heiße Luft, antworten die Umweltmanager Hervé Corvellec und Alison Stowell in ihrem Gastbeitrag „Abrakadabra“. Dazu passt, dass ein internationales Expertengremium im März dieses Jahres das Anthropozän als neues Erdzeitalter abgelehnt hat. Auch der Geologe Philip Gibbard stimmte gegen die Ablösung des Holozäns. Gemeinsam mit seinem Kollegen Jürgen Ehlers benennt er die Gründe und beantwortet die Frage „Also weiter wie bisher?“. Neben dem Automobilsektor gehören die Bauwirtschaft, die Textilwirtschaft und die Plastikindustrie zu den größten Klimatreibern. Unsere Autoren Jan Grossarth, Jacqueline Goebel und Dana Thomas diskutieren, ob und wie die Kreislaufwirtschaft hier seriöse Lösungsansätze bereitstellen kann.
Es ist schon viel Wasser die Drina hinuntergeflossen, seit Rotary International den österreichischen Distrikt 1910 mit der rotarischen Entwicklung des Westbalkans beauftragt hat. Bosnien und Herzegowina ist sogar Teil des Distrikts selbst. Nun, da in diesem Juni erstmals die Distriktkonferenz in Sarajevo – und damit außerhalb von Österreich – stattfinden wird, hat sich unser Redakteur Florian Quanz auf eine Reportagereise begeben, die er nie vergessen wird. Zehn Tage lang hat er an der Seite von Arno Kronhofer ganz Bosnien und Herzegowina bereist, hat zwölf Städte besucht, 53 rotarische Freundinnen und Freunde aus 17 bosnischen Rotary und Rotaract Clubs getroffen und 1685 Bilder sowie einen Dokumentarfilm mitgebracht. Seine eindrucksvolle Geschichte über ein junges Land, das immer mehr rotarische Persönlichkeiten hervorbringt, die mit Optimismus und Tatendrang nach vorne streben und die Geister der Vergangenheit abschütteln wollen, lesen Sie im „Fokus“.
Viel Vergnügen bei der Lektüre wünscht
Björn Lange
Chefredakteur
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