RC Wien-Nordost
Rotarische Kompositionen
Eine Schallplatte aus Österreich vereint große Komponisten – ein Großprojekt von 1980 zum 75. Geburtstag von Rotary
Für Fans der klassischen Musik ist diese Schallplatte ein wahrer Geheimtipp: Auf „Musik für Rotary“ sind Werke berühmter Komponisten wie Leonard Bernstein, Gottfried von Einem und natürlich Franz Lehár zu hören. Dessen Rotary Hymne gab für Rotary Österreich den Anstoß, im Jahr 1980 diese Schallplatte zu veröffentlichen. Sie war zugleich ein offizieller Beitrag von Rotary Österreich zum 75. Geburtstag von Rotary International. Der Erlös floss direkt in karitative rotarische Projekte, da alle Musiker ihre Werke unentgeltlich zur Verfügung stellten. Eingespielt wurden die Stücke vom Orchester Philharmonia Hungarica. Dabei handelte es sich um ein Orchester, welches nach der gescheiterten ungarischen Revolution 1956 aus Flüchtlingen in Österreich gegründet wurde, später in die Bundesrepublik Deutschland übersiedelte und weltweite Erfolge mit Auftritten feierte.
Die Schallplatte mit insgesamt sieben Kompositionen von sechs Komponisten währe ohne das Engagement vieler Rotarier nie erschienen. Federführend verantwortlich war der vor zwei Jahren verstorbene Rotarier Heinrich Kraus, damals Präsident des RC Wien-Nordost. Die Idee zur Schallplatte stammt von ihm. Doch ohne viele weitere Rotarier aus anderen Clubs wäre diese professionelle Produktion nicht zu bewerkstelligen gewesen. So entwarf Günther Schneider-Siemssen (RC Wien-West) die Plattenhülle, für dessen Druck später Hermann Gogel vom RC Kitzbühel verantwortlich war. Schneider-Siemssen kann übrigens ohne Übertreibung als Haus- und Hof-Bühnenbildner von Herbert von Karajan und Otto Schenk bezeichnet werden. Den Karton für die Plattenhüllen besorgten Wolf Dieter Neumann-Spallart sowie Michael Gröller (RC Wien-Süd).
Musikalisch beginnt es auf der Platte mit der Rotarischen Festfanfare von Robert Keldorfer (RC Klagenfurt), ehe der Rindlberger Marsch von Gottfried von Einem erklingt, den er extra für diese Platte komponierte. Den Abschluss der A-Seite bilden die zwei berühmten Meditationen aus Leonard Bernsteins Mass. Auf der B-Seite bildet die Sonnenfahrt von Alfred Hering (RC Gmunden) den Auftakt, ehe die Rotary Fanfare und der Rotary Marsch von Robert Stolz zu hören sind. Zum Abschluss erklingt Franz Lehárs Rotary Hymne.
In veränderter Form wurde die Platte 25 Jahre später als CD erneut aufgelegt. Zum 100. Geburtstag von Rotary gab der Distrikt 1910 ein Buch mit CD heraus. Auf der CD waren neben den bereits auf der Schallplatte zu hörenden Stücken weitere Kompositionen, unter anderem von Ludwig van Beethoven und Friedrich Cerha. Die Ansagen vor den einzelnen Stücken hat der Schauspieler Franz Robert Wagner eingesprochen, weiß Christoph Wellner vom RC Wien Nordost zu berichten. "Ich habe die neuen Sprachaufnahmen gemeinsam mit Heinrich Kraus in den Studios von radio klassik Stephansdom gemacht und auch die neuen Musikstücke gemeinsam mit meinem Techniker zum Mastering vorbereitet", erzählt Wellner. Die CD habe dem Buch beigelegen, es habe aber auch nur die CD in einem Jewel Case gegeben. Wie hoch die Auflage der CD war, weiß Wellner nicht. Neben musikalischen Kompositionen sind auf der CD auch mehrere Sprachbotschaften zu hören, unter anderem von Star-Tenor Plácido Domingo.
Doch wie gelang es Heinrich Kraus und seinen Mitstreitern, die Rechte an diesen Musikstücken für die Schallplatte und die spätere CD zu erwerben? Während bei rotarischen Komponisten die Erklärung nahe liegt, ist die Frage bei Leonard Bernstein nicht so einfach zu beantworten. Kulturmanager Christian Meyer vom RC Wien-Nordost liefert eine mögliche Erklärung: "Heinrich Kraus war als kaufmännischer Direktor des Wiener Burgtheaters ein leitender Manager im Verbund der Österreichischen Bundestheater, zu denen auch die Wiener Staatsoper gehört. Und an dieser war Bernstein tätig. Daher kannte er ihn, nehme ich an." Aber nicht nur die beruflichen Kontakte halfen Kraus. Er pflegte zudem eine persönliche Freundschaft zu Franz Lehár. "Er war in seiner Jugend schon mit Franz Lehár befreundet und hatte ihn für das Projekt, was fast ausschließlich in seiner Hand lag, angefragt", erinnert sich der rotarische Freund Otto Biba zurück.
Wie die rotarische Schallplatte und 25 Jahre später die CD verwirklicht werden konnte, schildert Heinrich Kraus, den seine rotarischen Freunde nur Heinz nannten, selbst im Detail in seiner Autobiographie "Es hat viel Platz in 90 Jahren". Dort heißt es:
"Im Jahr 1979/80 wurde ich zum Präsidenten meines Rotary Clubs Wien-Nordost gewählt. 1980 war zugleich das Jahr des 75. Geburtstages von Rotary International. In diesem Zusammenhang machte ich dem damaligen Governor von Rotary Österreich, Walter Greußing, den Vorschlag zu einem besonderen Geburtstagsgeschenk für Rotary International in Form einer Schallplatte unter dem Titel 'Musik für Rotary'. Sie sollte ausschließlich Musik von Komponisten enthalten, die von Rotariern stammten oder für Rotary gewidmet worden waren. Die Idee war mir gekommen, als ich zufällig das Faksimile einer Rotary-Hymne von Franz Lehár in die Hände bekommen hatte."
Auch, wie er das Einverständnis von Leonard Bernstein erhielt, beschreibt Kraus im Buch:
"Als ich zufällig Leonard Bernstein im Beisein von Marcel Prawy im Hof des Alten Rathauses in Wien traf, fasste ich den Mut, auch Bernstein um einen Beitrag zu bitten. Zu meiner großen Freude sagte er spontan zu, dass wir die Meditationen aus seiner Mass verwenden dürften. Auf meine Frage, wie ich zu den Noten käme, versprach er, das ganze Orchestermaterial aus New York zu schicken. So kam es dann auch."
Ohne Heinrich Kraus und seine beruflichen wie privaten Kontakte zu den Komponisten-Größen hätte es diese Schallplatte niemals gegeben, so viel steht zweifelsfrei fest. Wer sich heute die Schallplatte zulegen will, muss mitunter tief in die Tasche greifen. Bis zu 75 Euro werden auf Online-Verkaufsplattformen für die seltene Platte im guten Zustand verlangt.
Informationen zu den auf der Schallplatte vertretenen Komponisten:
Robert Keldorfer (1901-1980): Als Sohn des Chormeisters Victor Keldorfer wurde ihm die Musik sozusagen in die Wiege gelegt. Der gebürtige Wiener Robert Keldorfer wirkte als Pianist, Dirigent und Pädagoge und war von 1930 bis 1939 Direktor des Bruckner-Konservatoriums in Linz. Später leitete er mehr als zwei Jahrzehnte als Direktor das Kärntner Landeskonservatorium in Klagenfurt. Auf dem Plattencover heißt es zu seiner Person, dass er unter anderem "die Originalfassungen von Anton Bruckners II. und VI. Symphonie zur österreichischen Erstaufführung und Johann Nepomuk Davids Sinfonia breve zur Uraufführung" brachte. Seine eigene Oper Verena wurde 1961 in Klagenfurt uraufgeführt. Die auf der Schallplatte zu hörende Rotary-Festfanfare komponierte er auf Wunsch seines Rotary Clubs Klagenfurt, dem er seit 1951 angehörte. Die Fanfare ertönte dann auf dem traditionellen Klagenfurter Neujahrs-Turmblasen.
Gottfried von Einem (1918-1996): Als die Schallplatte "Musik für Rotary" 1980 erschien, galt Gottfried von Einem als der erfolgreichste lebende Komponist Österreichs. Er bereicherte mit seinen Opern Der Prozess, Kabale und Liebe sowie Der Besuch der alten Dame das Repertoire des zeitgenössischen Musiktheaters nicht, sondern setzte Maßstäbe. Seinen internationalen Durchbruch feierte er mit der Oper Dantons Tod nach Georg Büchner, die am 6. August 1947 bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt wurde. Von 1948 bis 1951 und 1954 bis 1964 war er Mitglied des Direktoriums der Festspiele. Seine Kompositionen waren stets geprägt von einem persönlichen Stil, der keine Zugeständnisse an aktuelle Trends zuließ. Im 1. Wiener Bezirk ist ein Platz nach ihm benannt. Sein Ehrengrab befindet sich auf dem Hietzinger Friedhof in Wien. Der kürzlich verstorbene österreichische Politiker Caspar von Einem war sein Sohn aus erster Ehe mit der Pianistin Lianne von Bismarck. Der Jazzmusiker Max von Einem ist Urgroßneffe von Gottfried von Einem.
Leonard Bernstein (1918-1990): Der US-Komponist, Dirigent und Pianist Leonard, genannt Lenny, Bernstein entstammte aus einer jüdischen Einwandererfamilie. Zu seinen erfolgreichsten Bühnenwerken gehören die Musicals On the town, Candide und vor allem West Side Story. Die Meditationen auf der Schallplatte stammen aus seinem Werk Mass. Auf dem Plattencover wird es als das wohl ungewöhnlichste Werk von Amerikas bedeutendstem Komponisten angepriesen, da es in keine der herkömmlichen Kategorien einzuteilen sei. In diesem Theaterstück für Sänger, Schauspieler und Tänzer vereinen sich „Elemente der Oper, des Balletts, des Musicals und sogar des Schauspiels“ zu einer noch nie dagewesenen Komposition. Mass war ein Auftragswerk des Kennedy Centers in der US-Hauptstadt Washington und wurde bei der Eröffnung dieses Kulturzentrums 1971 uraufgeführt. Thematisch geht es um die Gültigkeit der Liturgie und die Grundfesten des Glaubens. Ein Kirchenchor und eine Gruppe Jugendlicher stehen sich dabei gegenüber. Die Instrumentation beruht auf Schlagwerk, Streichern, Klavier und Orgel. Bei der zweiten Meditation handelt es sich jedoch um ein Klaviersolo, die wiederum eine Variation eines Themas aus Beethovens Neunter Symphonie darstellt.
Alfred Hering: Der gebürtige Sachse, aufgewachsen in Wien, gehörte seit 1959 dem Rotary Club in Gmunden an. Die Partitur seiner ersten erfolgreich komponierten Symphonie, die 1939 in Chemnitz uraufgeführt wurde, ging im Krieg verloren. Hering konnte sie später nur teilweise rekonstruieren. Die auf der rotarischen Schallplatte zu hörende Sonnenfahrt entstammt aus seinem musikalischen Einakter Phaeton, dem wiederum ein Gedicht von Ovid zugrunde liegt, wie im Innenteil des Plattencovers zu lesen ist.
Robert Stolz (1880-1975): Der österreichische Komponist und Dirigent studierte Musik in Graz, Wien und Berlin. 1897 wurde er Opernkorrepetitor am Städtischen Theater Graz, danach Kapellmeister in Marburg an der Drau, dem heutigen Maribor in Slowenien, und am Salzburger Stadttheater. Er war von 1907 bis 1917 musikalischer Leiter am Theater an der Wien. Er dirigierte dort unter anderem die Uraufführung des Werkes Der Graf von Luxemburg von Franz Lehár. Der Versuch, ein eigenes Theater aufzubauen, scheiterte, weshalb Stolz 1924 nach Berlin ging und dort im Kabarett der Komiker seine Operette Märchen im Schnee inszenierte. Doch bereits zwei Jahre später lebte er wieder in Wien. Im Zweiten Weltkrieg emigrierte er über Zürich, Paris und Genua in die Vereinigten Staaten, kehrte 1946 mit seiner fünften Ehefrau Yvonne Louise Ulrich, genannt Einzi, erneut zurück nach Wien. Einzi, so wird sie auch auf dem Plattencover genannt, war es, die ihre Zustimmung gab, dass Kompositionen ihres Mannes auf die Schallplatte gepresst werden dürfen.
Franz Lehár (1870-1948): Lehár, einst Mitglied des RC Wien, galt als Meister der "silbernen Operette". Seine musikalische Laufbahn begann er im damaligen Deutschen Reich als Orchestermusiker, bis er jüngster k. u. k. Kapellmeister wurde und später zum Dirigenten im Theater an der Wien berufen wurde. Lehár ist es zu verdanken, dass die Wiener Operette nach dem Tod von Johann Strauß nicht verschwand, sondern von neuem Geist erfüllt wurde. Seine Operetten Der Rastelbinder und Lustige Witwe wurden Welterfolge. Die auf der Schallplatte zu hörende Rotary Hymne komponierte Lehár 1931. Privat war er eng mit dem italienischen Komponisten Giacomo Puccini befreundet, beide inspirierten sich gegenseitig. Bereits mit elf Jahren hatte Lehár sein erstes Lied komponiert. Zudem konnte er als Kind genauso wie einst Wolfgang Amadeus Mozart am Klavier ein Thema bei verdeckten Tasten variieren. Somit zeichnete sich schon früh der Weg zu einem Meister-Komponisten ab.
Copyright: Andreas Fischer
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