Editorial
Stresstest für die Demokratie
Der Schwerpunkt der Bedrohung hat sich verschoben
Einer der häufigsten Aussprüche dieser Tage ist zweifelsfrei der, dass besondere Zeiten besondere Maßnahmen erfordern. Er ist wahr. Das spüren wir im privaten wie im beruflichen Alltag, der alles andere als alltäglich geworden ist. Nach den erschütternden Attentaten von Halle und Hanau, nach dem alarmierenden Ausgang der Landtagswahl von Thüringen und den damit verbundenen rechtspopulistischen Herausforderungen unseres politischen Systems, war es für uns an der Zeit, ein Heft zum Zustand der Demokratie zu machen. Doch mit der raschen Ausbreitung des Coronavirus verschob sich der Schwerpunkt der Bedrohung zwangsläufig – und mit ihm unser Fokus bei der Produktion dieser Ausgabe.
Im ersten Teil unserer Titelstrecke finden Sie Beiträge, die sich mit der Widerstandsfähigkeit und Handlungsfähigkeit der liberalen Demokratie mit Blick auf die Herausforderungen durch Covid-19 beschäftigen. Die Coronakrise hält unserer Gesellschaft den Spiegel vor. Denn wenn es ernst wird, zeigt sich, auf wen und was man sich wirklich verlassen kann. Die gewählten politischen Repräsentanten genießen plötzlich wieder Vertrauen, ebenso seriöse Medien, denn jetzt zählen wieder Kompetenz und Glaubwürdigkeit. Doch entscheidend ist, was uns die Krise für die Zukunft lehrt – auf persönlicher, gesellschaftlicher und politischer Ebene. Denn anders als autoritäre Systeme, lernt die liberale Demokratie, indem sie ihre Schwächen erkennt und sich beständig modernisiert, meint der Publizist Roger de Weck. Er beschreibt die Pflicht mündiger Bürger, liberale Gesellschaften in der Tradition der Aufklärung ständig weiter zu entwickeln.
Auch wenn es derzeit eher still geworden ist um die rechtspopulistischen Parteien, beschäftigen wir uns im zweiten Teil unserer Titelstrecke mit den Herausforderungen der Demokratie jenseits von Corona. Wir blicken auf die Konflikte in den USA, auf die „Demokratie der Zyniker“ in Polen, schauen auf die geostrategische Lage an der türkisch-syrischen Grenze und nehmen Deutschland unter die Lupe.
Eine besondere Form der Solidarität sind Global Grants, die unter anderem in Afrika realisiert werden. Durch die Global-Grant-Förderung sollen Partnerschaften aufgebaut werden, die Eigeninitiative verlangen und somit den Rahmen für besonders nachhaltige Projekte bilden. Julia Seifert war selbst vor Ort und beschreibt solch partnerschaftliche Projekte am Beispiel von Afrika.
Mehr Initiative verlangt auch Holger Knaack. Der designierte RI-Präsident verfolgt ehrgeizige Ziele. Im Interview spricht er über seine Pläne, Rotarys Image in der Welt zu verbessern, für organisches Wachstum auf allen Ebenen zu sorgen, das rotarische Clubleben zukunftsfähig zu machen sowie über die guten Vorsätze, mehr Krawatte tragen zu wollen und stärker auf die Fähigkeiten junger Menschen zu setzen.
Darüber hinaus liegt dieser Ausgabe der Festspielkalender bei, der Sie mit spannenden Reportagen, Hintergrundberichten und Interviews auf die kommende Festspielsaison einstimmen soll. Wir haben über 160 Veranstaltungen aus Deutschland und Österreich für Sie zusammengetragen und hoffen, dass Sie Gelegenheit haben, möglichst viele davon zu besuchen. Denn sobald die Coronaepidemie überstanden ist, sollten wir unseren Kulturhunger stillen, der ganzen Kulturwirtschaft die nötige Unterstützung geben und uns damit vor der Arbeit ihrer Macher verneigen.
Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre und vor allem, dass Sie gesund bleiben.
Herzlichst, Ihr
Björn Lange
Stellvertretender Chefredakteur
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