Past-Gov. Robert Zinser
»?RFPD ist zentraler Ansprechpartner?«
Schon mit seinem ersten Projekt zur Müttergesundheit in Nigeria ließ Past-Gov. Robert Zinser (RC Ludwigshafen-Rheinschanze) in den 1990er Jahren die Fachwelt aufhorchen: In einem Pilotdistrikt konnte die Rate der Frauen, die Familienplanung praktizieren, von 3,5 auf 27 Prozent gesteigert werden. Seither hat er in mehreren Folgeprojekten den Ansatz der Rotarian Action Group for Population & Development (RFPD) weiterentwickelt.
Schätzungsweise 36.000 Frauen sterben jedes Jahr in diesem Land aufgrund mangelnder ärztlicher Betreuung. Besonders gefährdet sind Schwangere, die zum größten Teil noch zu Hause entbinden. Ihr Schicksal hängt davon ab, dass die medizinische Versorgung die drei typischen „delays“ (Verzögerungen) überwindet. Sie entstehen, wenn Komplikationen im Vorfeld der Geburt nicht erkannt werden, der Transport in eine Klinik nicht zügig erfolgt oder in der Klinik nicht schnell gehandelt wird. Wir haben mit dem jüngsten RFPD-Projekt bei diesem dritten Punkt angesetzt und die klinische Versorgung durch ein von Prof. Wolfgang Künzel (RC Gießen) entwickeltes System zur Qualitätssicherung verbessert.
Was heißt das?
Es geht um vier Punkte: eine ausreichende Apparateausstattung in der Geburtshilfe, umfassendes Training von Ärzten und Pflegepersonal, die prä- und postnatale Versorgung der Mutter sowie ihre Beratung. Dieser letzte Punkt ist im Grunde der entscheidende: Wir müssen schon vor der Schwangerschaft die Frauen informieren. Über Empfängnisverhütung, aber auch über das, was bei der Geburt passiert.
Welche Ergebnisse konnten Sie mit dem jüngsten Projekt erreichen?
Zwischen 2008 bis 2010 haben wir in zehn Kliniken im Norden Nigerias das Vier-Punkte-Konzept erprobt. Als wir Bilanz zogen, ergab sich ein Rückgang der Müttersterblichkeit um 50 Prozent, bei den Neugeborenen um zehn Prozent. Wir haben danach die Betreuung in das öffentliche Gesundheitswesen zurückgegeben und kümmern uns nur noch um die Datenerhebung zur Qualitätskontrolle. Dabei haben wir festgestellt, dass ohne unser Einwirken die Sterblichkeitsrate weiter gesenkt werden konnte, um jetzt 60 Prozent.
Was folgt daraus für die Gesundheitspolitik in Nigeria?
Wir finden volle Akzeptanz in der Politik wie bei Ärzten und auch den religiösen Führern, was sehr wichtig für den Erfolg in den ländlichen Regionen ist. Die Bundesregierung in Abuja und mehrere Landesregierungen haben immer wieder bestätigt, dass sie unseren Weg weitergehen wollen. Allerdings muss dazu mehr Geld in den Gesundheitshaushalt fließen. Immerhin ist inzwischen die Behandlung von Schwangeren in den Kliniken kostenfrei.
Damit dürfte RFPD für die Rotary Foundation als Modell für die sechs Schwerpunktbereiche dienen.
RFPD ist für die Rotary Foundation als sogenannte „Resource“ zentraler Ansprechpartner zum Thema Müttergesundheit. Wir zeigen ja auch, wie man Geld von Dritten einwirbt, ebenfalls ein Kernelement des Future Vision Plans. So hat der jüngste Projekterfolg dazu geführt, dass wir vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) 350.000 Euro erhalten haben, um das Modell auf zehn weitere Kliniken auszudehnen. Anfang Juli kamen noch fünf Kliniken im Bundesstaat Enugu hinzu, dieses Projekt wird kofinanziert von der Else Kröner-Fresenius-Stiftung. Modelllösungen anstoßen für globale Probleme – das ist der Weg, auf dem Rotary vorangehen muss. Eine Projektarbeit, die punktuell eingreift, wird unserer internationalen Bedeutung nicht mehr gerecht.
Die Fragen stellte Matthias Schütt
Matthias Schütt ist selbständiger Journalist und Lektor. Von 1994 bis 2008 war er Mitglied der Redaktion des Rotary Magazins, die letzten sieben Jahre als verantwortlicher Redakteur. Seither ist er rotarischer Korrespondent des Rotary Magazins und seit 2006 außerdem Distriktberichterstatter für den Distrikt 1940.
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