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Weinbau-Kulturerbe in Gefahr

Titelthema - Weinbau-Kulturerbe in Gefahr
Die schöne Aussicht kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Weinlese in Steillagen eine gefährliche Knochenarbeit ist © Herbert Müller

Was wird aus alten Weinbau-Steillagen, wenn die Bewirtschaftung sich nicht mehr lohnt? Zwei unterschiedliche Ansätze aus der rotarischen Projektwerkstatt

Matthias Schütt01.10.2024

Steillagen sind eine Augenweide für Weinliebhaber und Touristen an Rhein, Main und Mosel – und eine Plage für alle, die darin arbeiten müssen. Der Arbeitsaufwand ist enorm, weil ab einer Steigung von 30 Grad der Maschineneinsatz immer schwieriger wird. In Extremlagen muss per Hand gelesen werden, was sich in den Preisen niederschlägt. Da zudem die Klimakrise Steillagen austrocknen lässt, ist der Weinbau an vielen Hängen nicht mehr rentabel.

Für Herbert Müller (RC Ludwigsburg), der sich mit sechs Freunden aus seinem Club sowie zwei weiteren Rotariern zusammengeschlossen hat, liegt die Lösung in neuen Rebsorten. Sie haben das Consortium Montis Casei (Käsberg-Gesellschaft) für ihre Lagen bei Mundelsheim und Hessigheim am Neckar gegründet, um den Erhalt der terrassierten Steillagenweinberge zu ermöglichen. Seit 2014 wurden alte Flächen erworben, der Boden rekultiviert und die Natursteinmauern instand gesetzt. Entscheidend aber ist neuer Wein: „Mit dem traditionellen Trollinger können die Steillagen nicht erhalten werden“, betont Müller. „Die Winzer verdienen damit zu wenig. Außerdem kommen mediterrane Sorten wie Sangiovese, Tempranillo und auch Cabernet Sauvignon auf den Muschelkalkterrassen besser mit Hitze und Trockenheit zurecht. Auf zwei Hektar erzielen wir mit diesen Weinen bereits gute Ergebnisse.“

Müllers Consortium versteht sich als „Thinktank, Impulsgeber und Inkubator für erfolgreichen Weinbau in Steillagen“. Damit ist der Anspruch verbunden, nicht nur die brancheninterne, sondern auch die allgemeine gesellschaftliche Debatte mitzugestalten, wie die landschaftstypische Weinkultur erhalten werden kann. So fördert das Consortium wissenschaftliche Untersuchungen zu verschiedenen Rebsorten, um Winzern verlässliche Pflanzempfehlungen geben zu können. Seit 2018 ist der Wein von Montis Casei im Handel, mit guter Nachfrage in der Region.

Rekultivierung von Flächen in Baden

Während auch in Franken die Steillagen als landschaftstypisch erhalten bleiben sollen, wird das in Baden-Württemberg für viele Kleinbetriebe immer schwieriger. Wie aufgelassene Flächen zukünftig ökologisch sinnvoll gestaltet werden können, steht im Mittelpunkt eines Konzepts, das der RC Achern-Bühl mit dem Nabu-Kreisverband Mittelbaden entwickelt hat.

Aufgelassene Flächen dürfen nicht einfach sich selbst überlassen bleiben, sondern müssen weiter zum Schutz der Nachbarlagen gepflegt werden. Dann doch am besten gleich als Biotop, dachten sich die Clubfreunde um Christian Gospos, die in Zusammenarbeit mit dem Nabu-Kreisverband Mittelbaden eine steile Rebbrache von 3700 Quadratmetern bei Oberachern in drei Maßnahmen zum Modellprojekt umwandelten: Erosionsschutz durch Wildhecken, Anlage von Magerwiesen für Insekten sowie Steinschüttungen und Totholzstrukturen als Rückzugsorte für Reptilien oder auch Wildbienen. Einsaaten und Pflanzungen erfolgen nach Forschungserkenntnissen der Hochschule Geisenheim. So ist sichergestellt, dass der Bodenbeschaffenheit, der biologischen Vielfalt und den besonderen Bedingungen der steilen Lage Rechnung getragen wird.

„Dieses Modell dient der Schulung und der Skalierung“, sagt Gospos. Er ist bereits im Gespräch mit der Stadt Bühl, die Interesse an einer Übernahme des Konzepts hat. „In der näheren Umgebung gibt es Tausende Hektar, die dafür infrage kommen“, sieht der Umweltbeauftragte des Distrikts 1930 ein gewaltiges Potenzial für eine ökologische Wende in den Steillagen. Inzwischen hat der Club mit drei Nachbarclubs ein zweites Rebflächenprojekt in Bühl entwickelt, in dem auf 1400 Quadratmetern Blühflächen für Insekten angelegt werden (siehe Rotary Magazin 08/2024).


Die rotarische Weinfellowship 

Name: D-RWAF, Rotarische Weinfellowship, Kapitel Deutschland
Zahl der Mitglieder: 321 (nur im Kapitel Deutschland, weltweit gibt es keine genauen Zahlen)
Was wir tun und wie oft wir uns treffen: zwei bis drei Reisen pro Jahr (zum Beispiel nach Zypern, Südafrika, Frankreich, Deutschland), diverse lokale Treffen direkt organisiert von Mitgliedern
So werde ich Mitglied, und das kostet es: Antrag per Mail an info@weinfellow.org anfordern. Die Mitgliedschaft im Kapitel Deutschland ist kostenfrei und mit keinerlei Verpflichtungen verbunden. Einmal im Monat gibt es eine Weinquizfrage, mehrfach im Jahr einen Newsletter zu unterschiedlichen Themen. Die internationale lebenslange Mitgliedschaft kostet einmalig 110 Euro.
In Vino Amicitia: Wein und Genuss sind verbindende Glieder zwischen Rotariern und fördern so die Freundschaft untereinander. Man muss kein Weinexperte sein, um hier Mitglied zu werden, sondern sich für Wein und Genuss interessieren.

weinfellow.org


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Das Siegeretikett für den rotarischen Rotwein © RC Perchtoldsdorf

Wein-Kooperation in Österreich

Auch in Österreich durchlebt der Weinbau eine Krise. Weil die Zahl der Winzer immer stärker abnimmt, drohen große Flächen an Weingärten unbearbeitet zu bleiben beziehungsweise schaffen es die Weinhauer immer seltener, den Wein gut zu vermarkten. Um diesem Trend entgegenzuwirken, hat der RC Perchtoldsdorf eine Zusammenarbeit mit zwei Winzern vereinbart, die seit einem Jahr auf Flächen produzieren, die sonst brach liegen würden. Sie verkaufen diesen Wein unter der Marke Rotary und nutzen damit das große Netzwerk und das Image unserer internationalen Organisation. Pro Flasche wird ein fixer Betrag für die Sozialprojekte des Clubs abgeführt. Der Club verkauft den Wein auch selbst über einen eigenen Webshop und organisiert einen Wettbewerb mit Schulen zur Gestaltung der Etiketten. 

Matthias Schütt

Matthias Schütt ist selbständiger Journalist und Lektor. Von 1994 bis 2008 war er Mitglied der Redaktion des Rotary Magazins, die letzten sieben Jahre als verantwortlicher Redakteur. Seither ist er rotarischer Korrespondent des Rotary Magazins und seit 2006 außerdem Distriktberichterstatter für den Distrikt 1940.