Editorial
von Björn Lange |
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20. Juli 1944

Der 20. Juli 1944 ist in der öffentlichen Erinnerungskultur mit keinem anderen Namen so eng verbunden wie mit Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der die Umsturzpläne ab Herbst 1943 entschieden vorangetrieben hatte. Sein posthumer Weg vom „Verräter“ und „Eidbrecher“ zur Ikone des Widerstands schlechthin war lang. Und tatsächlich wird das Wirken Stauffenbergs und seines mehr als 200 Mitverschwörer umfassenden Netzwerks bis heute kontrovers diskutiert. Der Bestsellerautor Tim Pröse hat für sein neues Buch Wir Kinder des 20. Juli mit den Nachfahren der Widerständler gesprochen und ihnen Raum für Erinnerungen gegeben. Zum Einstieg in unsere Titelgeschichte bezieht Pröse klar Position: Die Architekten des 20. Juli 1944 seien immer wieder verunglimpft und vom Sockel gestoßen worden. Damit müsse endlich Schluss sein.

Eine neue Debatte über die Rezeption Stauffenbergs hat das aktuelle Buch Das deutsche Alibi der Journalistin Ruth Hoffmann ausgelöst. Seit Jahrzehnten werde der 20. Juli von politischen Parteien und Einzelkämpfern instrumentalisiert. Es sei an der Zeit, mit ein paar Mythen aufzuräumen, schreibt sie in ihrem Gastbeitrag. Eine scharfe Antwort auf Hoffmanns Sicht gibt Stauffenberg-Biograf Ulrich Schlie. Bis heute sei der 20. Juli nicht wirklich tief ins öffentliche Bewusstsein gedrungen, was das Datum anfällig mache für krude Umdeutungen. In seinem Statement warnt er vor „gefährlichen Zerrbildern“.

Nur wenig bekannt ist die Geschichte Cäsar von Hofackers. „Der Flieger im Widerstand“ bereitete den Staatsstreich und die geplante Neuordnung von Paris aus mit vor. Hofacker, ein Vetter Stauffenbergs, hatte in den dramatischen Abendstunden des 20. Juli 1944 noch einmal versucht, den Oberbefehlshaber West zur Kapitulation umzustimmen. Doch Günther von Kluge sagte mit Blick auf Hitlers Überleben: „Ja, wenn das Schwein tot wäre.“ Valerie Riedesel, Enkelin Hofackers, schildert eindrucksvoll die Motivation ihres Großvaters. Zum Abschluss unserer Titelstrecke fragen wir nach der Rolle der Kirchen im Kampf gegen das NS-Regime. Bernadette Spitzer beleuchtet zunächst den katholischen Widerstand in Österreich, ehe Axel Smend, Sohn des Widerständlers Günther Smend, die bemerkenswerten Geschichten von Dietrich Bonhoeffer, Alfred Delp, Eugen Gerstenmaier und Helmut James von Moltke erzählt.

Vom Ostseestrand am Priwall bis zum Dreiländereck bei Hof im Vogtland erstreckt sich das Grüne Band auf 1393 Kilometern. Dort, wo in Deutschland der Eiserne Vorhang die Welt in Ost und West teilte, engagieren sich Rotary Clubs mit doppelter Zielstellung: für den Umweltschutz und für die Erinnerungskultur. Die fünf Distrikte entlang des ehemaligen Todesstreifens sind von Nord nach Süd D1940, D1800, D1820, D1950 und D1880. Einige von ihnen haben bereits Kooperationen mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND) geschlossen, um dem 50 bis 200 Meter breiten Geländestreifen zu neuem Leben zu verhelfen, weitere werden folgen.

Viel Vergnügen bei der Lektüre wünscht

Björn Lange
Chefredakteur

Björn Lange

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