Kolumne Peter
von Peter Peter |
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… nicht! Immer neue Gewürze und Mixturen sorgen für übervolle Küchenschränke

Der legendäre Restaurantkritiker Wolfram Siebeck lästerte in seinem Beisl-Führer: „Gewürze heißen auf Wienerisch Kümmel, ganz mutige Köche verwenden auch Salz und Pfeffer.“ Da ist bei aller Überspitzung ein Körnchen Wahrheit dran, wobei das Bonmot abgewandelt auch für deutsche Küche gelten konnte. Für den Arzt Hieronymus Bock ist 1550 heimisches Salz „die beste wurcz“ und der radikale Verzicht auf Gewürze galt in einigen protestantisch geprägten Landstrichen geradezu als moralische Tugend – luxuriöse Exotika könnten ja das Blut in Wallung bringen.

Tempi passati. Seit einigen Jahrzehnten sind unsere Gewürzregale voll, ja übervoll geworden, und das ist erst einmal gut so. Die farbenprächtigen Rezepte des Spezereien-Magiers Yotam Ottolenghi mit ihren orientalisch-israelischen Würztipps boomen. Als Reiseweltmeister bringen wir geheimnisvolle Tütchen von Basaren mit. Wir jonglieren mit frisch aufgeschnappten Must-haves wie syrischem Zatar oder marokkanischem Ras el-Hanout. Oder zumindest gemörsertem Garam Masala – früher hieß das mal brav tamilenglisch Curry. Ganz zu schweigen von verführerisch verpackten Mischungen wie Retour des Indes, Schuhbecks SexGewürz oder ayurvedischem Kurkuma-Goldmilch-Pulver, vor allem wenn unsere Lieblingsbloggerin sie für ihre neueste Rezeptkreation anpreist. Spannend. Trotzdem beschleicht mich der Verdacht, dass wir manchmal einfach den Überblick verlieren. Es soll ja Hausmänner und Hobbyköchinnen geben, die ein orgelartig aufgereihtes und akkurat beschriftetes Gewürzregal präsentieren können, wobei der nicht ganz neidfreie Verdacht glimmt, gerade in solch instagrammable properen Küchen kämen Spices am wenigsten zum realen Einsatz.

Hand aufs Herz: Auch ich habe solche Träume gehabt, aber längst aufgegeben. Bei mir stapelt sich ein Labyrinth aus Plastikbeutelchen, schicken Metalldöschen, mit Klammern zugezwickten Tütchen und zweckentfremdeten Marmeladengläschen, was häufig zu klappernden Suchgeräuschen führt. Blöd nur, dass ich ausgerechnet das eigens aus Südfrankreich mitgeschleppte Piment d’Espelette gerade nicht finde, oder ist das schon wieder alle? Regelmäßig ertappe ich mich dabei, dass vieles immer wieder in die Hand genommen und seit Jahren „jetzt nicht“ verwendet wird. Der Majoran zur fetten Schweinshaxe war ewig nicht mehr im Einsatz, und dann müsste ich ja erst mal checken, was in den unbeschrifteten Umfüllungen eigentlich drin ist – Kreuzkümmel, Stinkasant? Natürlich habe auch ich meine Zitronenpfefferphasen, aber meist greife ich doch zu Lieblingsaromen – ich muss dringend wieder frischen Lorbeer in Italien pflücken, das Riesenglas Sternanis leert sich langsam, die angeschabten Muskatnüsse behalten gottlob ihr Aroma, während ich das Ablaufdatum der ungarischen Paprikaplastikbüchse gar nicht wissen will. Gewürze werden nicht schlecht, aber fad.

Gibt es Aufräumcoaches wie Marie Kondō auch für Gewürze? Ich schaffe das selber! Dieser Artikel ist der Wendepunkt! Als Erstes brauche ich konsequent all die Salzmischungen auf, vor allem das geheimnisvolle alpine Schafgarben-Rotwein-Salz Pesteda aus dem Veltlin. Dann werden Hühnchen und Gemüsestews mit spontan zusammengeschütteten Mischungen aus meiner Schublade überwürzt, bis der Gaumen brennt. Kreatives Gewürzchaos!

Auch wenn es mir zuwider ist, Lebensmittel wegzuwerfen, werde ich die angestaubten Herbes de Provence entsorgen. Ich kann mich dabei auf Siebeck berufen, der als ersten mutigen Schritt für gutes Kochen empfahl, alle Trockenkräuter wegzuwerfen und stattdessen lieber frische Sprossen und Kräuter zu verwenden.

Peter Peter

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