Kolumne Peter
von Peter Peter |
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Die Schnittmenge beliebter Gerichte wurde im geteilten Deutschland immer kleiner. Rouladen mit Klößen bildeten eine Ausnahme

 

 

 

Deutschland einig Vaterland? Für die Küchen von Ost und West galt das 1989 nur noch bedingt. Klar, ein frisch gezapftes Bier wusste man in Stralsund genauso zu schätzen wie in Straubing. Ansonsten hatte sich die kapitalistische Überflussgesellschaft des Westens begeistert internationalen Moden zugewandt. In Frankfurt, Hamburg oder München aß man Pasta, trank Retsina beim Griechen, genoss Südfrüchte in Hülle und Fülle. Die kommunistische Mangelwirtschaft des Ostens versuchte mit Sanddorn und den Rezepten des Warschauer Pakts gegenzuhalten, propagierte ukrainische Soljanka oder Matschanka – Hammelrippen in saurer Sahne auf belorussische Art. Sogar beim Cocktail wurde politisch an Cola de Mono genippt: Der chilenische Wodka-Kaffee-Mix Affenschwanz drückte Sympathie mit dem Martyrium Salvador Allendes aus.

 

 

 

 

 

 

 

Eigentlich hielt man im Reich Honeckers an hergebrachten deutschen Speisementalitäten, an Jägerschnitzel, Rouladen, Salzkartoffeln und Rotkraut fest. Und wenn der Staat, der demonstrativ Goethe und Schiller auf seine Geldscheine gedruckt hatte, notgedrungen doch westliche Trends nachahmte, so germanisierte er wenigstens ihre Namen: Seit 1984 gab es in den Krusta-Stuben volkseigene Pizza-Imitate.

 

 

 

Endlich wächst zusammen, was zusammengehört“: Die bissige Karikatur von Klaus Staeck, die in der geschälten Banane eine Bockwurst zeigt, trifft des Pudels Kern. Die ersten Jahre nach der Wiedervereinigung erlebten eine kulinarische Übernahme durch Westmoden. Die Ostküche klammerte sich zuweilen an aus Gourmetsicht zweifelhafte Ostalgie-Produkte. Wirklich spannende „cucina povera“ wie Kaninchen in Buttermilch oder Falsche Zunge aus Pökelfleisch entsorgte sie zugunsten von Carpaccio und Fitness-Salat.

 

 

 

Wenige Gerichte schafften erfolgreich den Sprung in die Gegenwart: Soljanka mit gepickeltem Salzgemüse, die in frühen DDR-Kochbüchern auch mit Edlerem als Jagdwurst geköchelt wird. Geräucherter Broiler, eine Ost-Delikatesse, deren anglophoner Name für Brathuhn aus dem im Sowjetrussischen üblichen Fremdwort entlehnt wurde. Paradoxerweise Würzfleisch, im Westen wegrationalisiert, aber in feinen Schweizer Konfiserien als Königinpastetchen wohlvertraut. Und natürlich Rotkäppchensekt. Der einstige VEB-Vorzeigebetrieb, 1856 im anhaltinischen Freyburg an der Unstrut gegründet, hat es sogar in die Speisewagen der Deutschen Bahn geschafft.

 

 

 

Interessanter als die offizielle Ost-Küche sind Delikatessen, die in den Nischen der Planwirtschaft überlebt haben. Etwa weiße Teltower Rübchen, ein echtes Luxusgemüse, das Schrebergärtner in der DDR gerettet haben, oder der rare Trüffel unter den deutschen Käsen: Würchwitzer Milbenkäse macht wie französische Mimolette eine Milbenreifung durch und kostet gut 20 Euro, 100 Gramm wohlgemerkt.

 

 

 

Womit wir beim Trend zu kulinarischem Föderalismus, zu profilierten Regionalprodukten angelangt wären, durch den sich Ost- und Westküche heute auf Augenhöhe begegnen, ja aufeinander neugierig werden. Wobei, eine Prise nachbarschaftlicher Rivalität kann der Qualität deutschen Essens nicht schaden. Kommen die schmackhafteren luftgetrockneten Würste aus dem niedersächsischen, hessischen oder thüringischen Eichsfeld? Werden Kartoffelklöße besser in Franken oder doch jenseits des einstigen Eisernen Vorhangs fabriziert?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Peter Peter

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