Porträt

Komponist seiner eigenen Welt

von Florian Quanz |
| Lesezeit: 5 Minuten

Vier Identitäten, zwei Leidenschaften, ein Name: Joji Hattori. Er ist Erster Gastdirigent des Wiener Kammerorchesters, Betreiber eines Sterne-Restaurants in Wien, Japaner und zugleich überzeugter Europäer, der seit vielen Jahren in der österreichischen Hauptstadt lebt.

Eine außergewöhnliche Gesamtkomposition ergeben Joji Hattoris vier Identitäten, die auf harmonische Art und Weise ineinander übergehen. Er selbst bezeichnet sich als „Hybridmensch“ und nur als solcher sei es ihm möglich gewesen, glücklich zu werden. Und glücklich ist er. Das verrät der Blick in sein Gesicht, in dem sich immer wieder im Laufe des Gespräches ein feines Lächeln zeigt.

Kosmopolitische Erziehung

Um zu verstehen, wie aus dem 53-jährigen Joji Hattori ein „Hybridmensch“ wurde, muss man zunächst in die Familiengeschichte eintauchen. Seine Mutter Toyoko Hattori hatte einst in Wien Musik studiert und war eine bekannte Violinistin und Professorin an der Musikhochschule in Tokio. Als sein Vater Seizaburo aus gesundheitlichen Gründen in Frühpension gehen musste, entschloss sich die Familie 1977, nach Wien zu ziehen. Joji und sein älterer Bruder sollten in der österreichischen Hauptstadt eine kosmopolitische Erziehung genießen. Joji lernte schnell die neue Sprache und spricht heute perfekt Wienerisch. Im Alter von zehn Jahren kam er auf das Privatgymnasium Theresianum im 4. Wiener Gemeindebezirk.

War allein die Aussicht auf eine andere Erziehung der Kinder Antrieb, nach Wien auszuwandern? „Meiner Mutter waren die japanischen Gesellschaftsregeln zu streng und sie wollte in eine andere Welt entfliehen“, erinnert sich Joji Hattori. Diese neue Welt war Wien, und so wie es seine Mutter zurück an die Donau zog, so erging es Jahre später Joji Hattori selbst. 17 Jahre lebte er in London und leitete dort unter anderem das Philharmonia Orchestra. Doch das Leben dort war ihm zu unruhig. „Wien ist eine Weltstadt mit Kleinstadtmentalität“, erklärt er schmunzelnd. Das Leben sei nicht so anonym, die Lebensqualität hoch – das schätze er an Wien. Jemand wie Hattori, der als Violinist und Dirigent von Weltrang schon in etwa 40 Ländern auf der Bühne stand, weiß das zu beurteilen. Im Laufe der Jahre arbeitete er mit vielen Koryphäen zusammen, darunter Yehudi Menuhin und Lorin Maazel.

Als Gastdirigent leitete Joji Hattori zahlreiche bedeutende Orchester, neben dem bereits erwähnten Philharmonia Orchestra London die Wiener Symphoniker, die Slowakische Philharmonie, das Düsseldorfer Symphonieorchester oder viele führende Symphonieorchester in Japan. Im Juni 2009 debütierte Hattori an der Wiener Staatsoper mit drei Aufführungen der Zauberflöte. Er gilt heute als einer von wenigen Musikern asiatischer Herkunft, die als Interpreten der Wiener Klassik anerkannt sind.

So oft, wie Joji Hattori Konzerte auf fünf Kontinenten der Welt gegeben hat, so oft hat er auch schon Freunde bekocht. Seine zweite Leidenschaft. Das erklärt auch die Idee des begeisterten Hobbykochs, selbst ein Restaurant zu eröffnen.

Strebt mit Ehrgeiz nach Höherem

Hattori will Menschen mit seiner Musik und seinem Essen glücklich machen. „Das ist meiner persönlichen Ansicht nach der Hauptzweck jeder Kunst“, bemerkt er. Indem er dabei all sein Können aufbietet und mit Ehrgeiz stets nach Höherem strebt, erfährt er selbst dann die höchste Form der Zufriedenheit, wenn Menschen danach glücklicher sind als zuvor. Das ist seine Erfolgssformel, die einigen Künstlern in der klassischen Musikwelt fremd ist. „Viele Künstler wollen mehr der Kunst per se dienen anstatt den Menschen, die ihnen zuhören. Dadurch kommen nur mehr Connaisseure in ihre Konzerte“, erzählt er.

Der ORF bezeichnete ihn jüngst als „Wanderer zwischen den Welten“. Es sind jedoch nicht mehrere Welten, in denen er abwechselnd lebt, er hat sie stattdessen meisterhaft zu seiner ganz individuellen verschmolzen. Als Dirigent trifft er die Musikauswahl so, als würde er Speisekarten schreiben – immer die „Bekömmlichkeit“ im Blick. Im Restaurant greift er an Eventabenden sogar manchmal selbst zur Violine. Es geht ihm immer darum, das Beste aus den verschiedenen Leidenschaften zu verbinden.

Er bietet zwar gehobene japanische Küche, hat aber ein österreichisches Team am Herd stehen. „Ich dirigiere Mozart, die kochen japanisch“, erzählt er lachend. Das Restaurant trägt dazu passend den Namen Shiki, das ist der japanische Wortstamm für dirigieren. Seine bayerische Frau Sabine, mit der er einen vierjährigen Sohn hat, lernte er einst im Shiki kennen. Alles fügt sich zusammen.

Sein 2015 eröffnetes Restaurant wurde drei Jahre später mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. „Meine Köche haben sich den verdient“, sagt er. So wie er sich als Dirigent nicht gerne selbst in Szene setzt, so steht er auch im Restaurant nicht gern im Mittelpunkt. Er gibt sich bescheiden. Aber stolz ist er auf die Auszeichnung und weiß, wie wichtig sie ist. „Viele Gäste des gegenüberliegenden Hotels Sacher kommen nur, weil wir diesen Stern vorweisen“, ist er sich sicher. So gilt es, diesen zu verteidigen. Für Joji Hattori und sein Team sollte das kein Problem darstellen.

Information über die musikalischen Aktivitäten von Joji Hattori: jojihattori.com – und über das Restaurant Shiki, Krugerstraße 3, 1010 Wien: shiki.at


Zur Person

Joji Hattori (RC Wien-Albertina) wurde in Japan geboren, verbrachte aber seine Kindheit in Wien, wo unzählige Hausmusikabende mit führenden Wiener Musikern seine musikalische Entwicklung prägten. Heute ist er nicht nur Dirigent von Weltrang, sondern zugleich Spitzengastronom.

Florian Quanz

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