Distrikt 1800

Sorgenvoller Blick nach Afghanistan

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Mit großer Sorge blickt man beim Rotary Club Einbeck-Northeim nach Afghanistan: Eine seit Jahren geförderte Mädchenschule ist von der aktuellen politischen Entwicklung betroffen. Derzeit ist sie nur noch für Schülerinnen bis zur 6. Klasse geöffnet.

Seit Jahren engagiert sich der Rotary Club Einbeck-Northeim für eine Mädchenschule in Afghanistan. Vor fast genau einem Jahr ließ man sich über die Situation im Rahmen eines Präsenz- und Online-Meetings durch den Vorstand des gemeinnützigen Vereins unterrichten und vergab im Anschluss daran weitere 20 Jahresstipendien für Absolventinnen der Schule. Angesichts der aktuellen Entwicklungen blickt man nun mit großer Sorge auf die Situation.

Die Atefa-Schule — heute Atefa-Gymnasium — in Estalef, 50 Kilometer nördlich von Kabul in über 2000 Metern Höhe gelegen, war eine der ersten Schulen für Mädchen. Durch berufliche Kontakte von Clubmitglied Alois Kühn (Einbeck) und die mehrfachen Reisen dorthin entstand sehr früh die Verbindung und das Vertrauen in den Aufbau dieser Schule.

Bildung für 600 Schülerinnen

Im Schuljahr 2019/20 wurden dort über 600 Mädchen unterrichtet. Die ersten Schülerinnen haben bereits ein Studium absolviert. Sie sind inzwischen Lehrerinnen (72), Hebammen (46), Medizinerinnen (7). Manche studieren auch Betriebswirtschaft, Informatik, Sprachen oder Zahnmedizin. Insgesamt haben über 200 Mädchen mit Hilfe von Stipendien eine Ausbildung absolviert, 42 davon durch den RC Einbeck-Northeim. Diese jungen Frauen sind nun in Berufen tätig, die in Afghanistan unbedingt gebraucht werden und nährten die Hoffnung auf Frieden im Lande.

Mit dem schnellen Abzug der internationalen Truppen, allen voran der Amerikaner, zum Ende August ist eine dramatische Entwicklung in Gang gekommen. Die Situation in Estalef unterscheidet sich dabei von der in vielen anderen Städten: Es gibt eine Vielzahl von Ethnien in der Stadt, keine von ihnen ist in der Überzahl, sodass die Einwohner schon immer miteinander auskommen mussten. Die Ablehnung der Taliban ist groß, da sie vor gut 20 Jahren den Ort systematisch zerstört haben. All das bedeutet aber nicht, dass sich auch hier die Situation nicht schnell ändern kann. Gegen die brutale Gewalt sind die einfachen Menschen machtlos.

Schulbetrieb vorübergehend gestoppt

Derzeit gibt es so gut wie keine Informationen aus der Schule. Der Schulbetrieb ruhte vorübergehend, die Gelder für den Schulbetrieb und für die Stipendien liegen in Absprache mit dem zuständigen Finanzamt im Deutschland auf einem Spendenkonto, bis sich die Situation geklärt hat. Eine Auszahlung von Geldern in Afghanistan ist zurzeit unmöglich, ferner können die Lehrerinnen auch nicht von Kabul aus zur Schule fahren — das Risiko ist zu groß.

Der RC Einbeck-Northeim blickt mit Entsetzen auf die Entwicklung. Besonders für Frauen und Mädchen ist das Schlimmste zu befürchten. "Der Club ist jedoch sicher, dass sich trotz der düsteren Prognose das jahrelange Engagement des Clubs mit mehr als 90.000 Euro an Spenden gelohnt hat", heißt es in einer Mitteilung des Clubs. "20 Jahre lang konnten viele hundert Mädchen eine schulische Ausbildung erhalten, was es vorher noch nie in Estalef gab. Auch wenn ihre beruflichen Möglichkeiten eingeschränkt werden oder sie nicht mehr arbeiten können, haben sie Kenntnisse und Fähigkeiten erlangt, die sie in ihren Familien und in ihrem Umfeld nutzen können. Viele von ihnen haben ein neues Selbstbewusstsein erlangt. Wir hoffen, mit den Menschen in Estalef und in ganz Afghanistan, dass irgendwann wieder eine bessere Zeit kommen wird, als es sich im Moment abzeichnet."

Schulbesuch nur noch bis zur 6. Klasse erlaubt

Inzwischen ist die Atefa-Schule wieder geöffnet, allerdings nur noch für die Mädchen bis zur 6. Klasse, also bis zum 12. Lebensjahr. Schulunterricht für Mädchen älter als zwölf Jahre gibt es nicht mehr. Damit entfällt auch jegliche Möglichkeit eines anschließenden Studiums oder einer sonstigen weiterführenden Ausbildung. Sehr wahrscheinlich ist davon auszugehen, dass den Eltern dann nichts weiter übrig bleibt, als ihre Töchter wie in früheren Zeiten wieder mit 13 oder 14 Jahren zu verheiraten. Eine sehr deprimierende Perspektive.

Hans Walter Rusteberg

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