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von Martin Hoffmeister |
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Begegnungen von Kunstschaffenden aus ganz Europa und zwei Jahrhunderten

Anni und Josef Albers. Die Idee des Künstlerpaares: Wohl kein zweites Mal in der jüngeren Geschichte wurde sie vergleichbar intensiv, vielperspektivisch und über mehr als fünf Jahrzehnte Realität. Die vorliegende Publikation nimmt – chronologisch aufbereitet – Kunst und Leben ihrer Protagonisten in den Blick, reflektiert parallele mentale und künstlerische Entwicklungen, fokussiert auf Korrespondenzen und wechselseitige Inspirationen. Sie, genialische Weberin mit Kunstanspruch, er Multitalent, Maler, Fotograf, Kunsttheoretiker und Pädagoge. Beide eint die Affinität zu Farbe, Geometrie und Abstraktion und die Passion für Stoffe und Materialien unterschiedlicher Art. Zu bewundern entlang des hochwertig gestalteten Bandes sind neben Hauptwerken des Paares wie Homage to the Square oder Six Prayers Glasobjekte, Wandteppiche, Raumteiler, Möbel, LP-Covers, Aquarelle, Gouachen, Radierungen, Schmuck und vieles mehr. Alles „Werke, die den Blick öffnen“ (Josef Albers).

Richard Wagners opulentes wie solitäres Opernschaffen steht für grundsätzliche Neuerungen der Gattung. Nicht zuletzt vermochte der Komponist, den Orchesterpart zu emanzipieren und als eigene (symphonische) Größe zu führen. Was wiederum auch die vokalen Anteile in ungeahnte Ausdrucksdimensionen katapultierte. Besonders eindrücklich vernimmt sich die orchestrale Seite in Wagners Musikdrama Tristan und Isolde. Emotionale Intensität und breitspektrierte Ausdruckswelten finden dort ihre idealtypische Entsprechung in Dynamik und Farben. Insofern verwundert es nicht, wenn selbst Wagner-Puristen kaum Vorbehalte zeigen gegenüber „symphonischen“ Auskopplungs-Tableaus wie sie in jüngerer Zeit auf Tonträgern die Runde machen. Als durchaus exemplarischer Versuch einer „symphonischen Kompilation“ erweist sich Henk de Vliegers Tristan-Bearbeitung, in der markante Passagen und populäre Ausschnitte aus der Oper zu einem neuen Ganzen verwoben werden. Die Staatskapelle Weimar unter Dirigent Hansjörg Albrecht zelebriert Wagners rauschhafte, von Ekstasen, kontemplativem Flow und koloristischem Raffinement durchsetze Partitur in schlank-luzider Manier. Wortlos-suggestiv nimmt das Paar-Drama seinen Lauf.

Bereits makellose Dramaturgie und Figurenführung der Erzählung sprechen von der Meisterschaft des österreichisch-britischen Schriftstellers Stefan Zweig: Der Protagonist/Erzähler verbringt einige Tage in einer Pension an der Riviera. Für Unruhe sorgt das plötzliche Verschwinden einer Industriellengattin aus der Herberge, die an der Seite eines jüngeren Mannes das Weite sucht. Zwischen Ich-Erzähler und anderen Pensionsgästen kommt es zum Streit über moralische Fragen, den eine ältere Dame, „Mrs. C.“, zu schlichten weiß. Dem Protagonisten vertraut diese schließlich ein eigenes Geheimnis an – 24 Stunden, die ihr Leben auf den Kopf stellen. Entlang bemerkenswerter Stilistik, Sprachmächtigkeit und psychologischer Expertise vermag Zweig das Geschehen vorbildlich zu verdichten und aufzulösen. Eine Hommage an das „Menschlich-Allzumenschliche“, dem Sprecherin Bettina Rossbacher mit Empathie und gestalterischer Beweglichkeit souverän gerecht wird.

Die Wiener Heidi Horten Collection nimmt ein durch einen eindrücklichen Bestand von mehreren Hundert Gemälden, Skulpturen und Grafiken, die in profunder und repräsentativer Weise Entwicklungen und Metamorphosen der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts spiegeln. Im Zentrum der aktuellen Ausstellung stehen Arbeiten von Künstlern mit Frankreich-Bezug, Werke insbesondere, die in Paris und im Süden des Landes entstanden und die europäische Kunstszene nachhaltig beeinflussten. So liegt ein Fokus der Schau auf Werken von Picasso, Chagall und Yves Klein, ein zweiter widmet sich Hortens persönlicher Sammlung aus der Villa Dubeau an der Côte d’Azur mit bedeutenden Arbeiten unter anderem von Bonnard, Braque, Dubuffet, Renoir, Léger oder Niki de Saint Phalle. Ein Rendez-vous, das mehr als nur ein Versprechen einlöst.


  1. Anni und Josef Albers: Kunst und Leben, Prestel, 280 S., 49 Euro, Buch
  2. Richard Wagner: Tristan & Isolde – an orchestral passion. Symphonic compilation arranged by Henk de Vlieger, Staatskapelle Weimar, Oehms Classics, CD
  3. Stefan Zweig: Vierundzwanzig Stunden aus dem Leben einer Frau, Sprecherin Bettina Rossbacher, Hörbuchedition Words & Music, 11,99 Euro, Hörbuch
  4. Heidi Horten Collection Wien: Rendez-vous – Picasso, Chagall, Klein und ihre Zeit, bis 29.10.23, hortencollection.com, Ausstellung
Martin Hoffmeister

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