Neues vom RC Bröckedde – Folge 201
Das präsidiale Piercing
Bröckedde liegt im Herzen Deutschlands – dort, wo Rhein und Donau in den schönen Bröckeddesee münden. Hier trifft sich im Bröckedder Hof der RC Bröckedde zum Meeting – jeden Mittwoch um 13 Uhr im Salon Hindenburg.
Lange vor dem Amtswechsel bat Präsident Pröpke seinen designierten Nachfolger Bolkbrecher für ein privates Gespräch zu sich nachhause. Dabei weihte er ihn in die Finessen der Clubführung ein, in die vielen ungeschriebenen Gesetze, nach denen der RC Bröckedde funktionierte.
Sie saßen im Arbeitszimmer Pröpkes, neben dem Schreibtisch stand eine mannshohe Schneiderpuppe, angetan mit einem Jackett. „Das ist Theodor“, meinte Pröpke auf einen fragenden Blick Bolkbrechers hin. „Aber kommen wir zum wichtigsten Punkt, er wird entscheiden, ob Sie als großer Präsident in die Clubgeschichte eingehen. Wie ist Ihre Feinmotorik?“
„Meine was?“
„Ich meine Ihre Technik beim präsidialen Piercing, beim Anstecken der rotarischen Nadel für neue Freundinnen und Freunde. Spielen Sie Klavier, reparieren Sie Ihre Uhr selbst?“
„Leider nein. Ich bin eher der zupackende Typ. Als Student habe ich auf dem Bau Backsteine geschleppt, heute entspanne ich mich beim Holzhacken in meinem Garten“, erwiderte Bolkbrecher.
„Nun denn“ meinte Pröpke und ging mit ihm zu Theodor. Er reichte ihm eine Nadel: „So, jetzt piercen Sie bitte mal zur Probe. Denken Sie daran, das ist ein hoheitlicher Akt, der Ihnen alles abverlangt. Die Nadel muss in fließender Bewegung mit Würde und Eleganz angesteckt werden, ohne peinliche Fummelei. Und Sie müssen hochpräzise und zielgenau sein, denn der neue rotarische Freund soll die Zeremonie ja überleben.“
Bolkbrecher packte die Nadel und fixierte die Puppe. Er senkte entschlossen den Kopf wie ein Stier, nahm Anlauf und rammte die Nadel mit seiner schaufelgroßen Hand tief ins Revers des Jacketts und in das Styropor der Puppe. Theodor fiel um. „So geht es leider nicht“, kommentierte Pröpke.
Beim zweiten Versuch blieb die Nadel quer im Jackett stecken, beim dritten Mal zerbrach sie in zwei Stücke.
Und das war das Ende der Ära Bolkbrecher, noch ehe sie begonnen hatte. Zum allgemeinen Kummer der Freundinnen und Freunde verzichtete er auf die Präsidentschaft, und Pröpke wurde gebeten, noch ein Jahr dranzuhängen.
Pröpke erfuhr davon in seinem Arbeitszimmer. Er zwinkerte Theodor zu: „Gut gemacht!“
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