Neues vom RC Bröckedde - Folge 170
Der Hybrid-Rotarier
Bröckedde liegt im Herzen Deutschlands – dort, wo Rhein und Donau in den schönen Bröckeddesee münden. Hier trifft sich im Bröckedder Hof der RC Bröckedde zum Meeting – jeden Mittwoch um 13 Uhr im Salon Hindenburg
In der Coronakrise tat sich der RC Bröckedde schwer damit, das rotarische Leben zu gestalten. Für das Meeting im Bröckedder Hof waren maximal 15 Teilnehmer erlaubt, also entschloss sich Präsident Pröpke zu einem kühnen Modell: dem Hybrid-Meeting. 15 ausgewählte Freunde fanden sich im Salon Hindenburg ein, die anderen waren online zugeschaltet.
Die „Darsteller“, wie sie bald hießen, speisten und diskutierten in ihrem geliebten Salon, der Rest verfolgte das Meeting vom Bildschirm im Büro, von der Wohnzimmercouch oder per Smartphone vom heimischen Pool aus.
Bald schoss die Einschaltquote hoch, denn Pröpke hatte die Devise ausgegeben, die Meetings möglichst spannend zu gestalten. Dafür aktivierte er zwei Dauerbrenner des Clubs. Zum einen die Frage, ob säumige Freunde nach drei Jahren ohne Präsenz oder erst nach fünf Jahren ausgeschlossen werden sollten. Und zum Zweiten, ob man das Eingangsalter für Rotarier auf 16 Jahre absenken könnte.
Im Salon Hindenburg ging es hitzig zur Sache, die Fetzen flogen. Die Darsteller profilierten sich eifrig, zumal Pröpke für eine professionelle Ausleuchtung des Salons, einen versierten Kameramann und eine Visagistin gesorgt hatte, die die 15 ansprechend präparierte.
Im Online-Publikum ging es weniger um Inhalte, vorrangig wurde die künstlerische Performance der Darsteller bewertet. Freund Dr. Krümelein hieß bei seinen Fans bald „Hamlet“ wegen seiner reflektierenden Art. Kassierer Knödler wurde für seine „wuchtige körperliche Präsenz à la Bud Spencer“ gerühmt, während Freundin Schnapphals-Schneckenberger zur „Scarlett“ aus „Vom Winde verweht“ avancierte. Bald hatten die Darsteller Kultstatus und wurden um Autogramme gebeten.
Als sich der Programmchef von RTL 2 meldete und aus dem Meeting eine wöchentliche Dokusoap unter dem Titel „Wie sich die Elite zofft“ machen wollte, wurde Pröpke doch etwas mulmig. Er war erleichtert, als die Coronaregeln lockerer wurden und er wieder reguläre Meetings für alle ankündigen konnte.
Leider fand das wenig Resonanz, die meisten wollten weiter Hybrid-Rotarier auf ihrem Sofa bleiben. „Wie kommen wir aus dieser Nummer wieder raus?“, fragte Pröpke Freund Knödler.
Der meinte: „Wir müssen die physischen Meetings attraktiver machen, dann erscheinen die Freunde von selbst.“ Gesagt, getan: Plötzlich verweilte die Kamera bei der wöchentlichen Übertragung auf üppigen Buffets, wo es sogar halbe Hummer gab. Und im Hintergrund tauchten Bauchtänzerinnen auf, begleitet von einem Flötenspieler. Die Kosten wurden auf die Hybrid-Rotarier umgelegt.
Eine Woche später war es wieder wie in der guten alten Zeit. Nur Freundin Schnapphals-Schneckenberger war traurig: „Schade, ich kann nicht nur Scarlett, sondern bin auch ziemlich gut als Mutter Beimer aus der Lindenstraße.“
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