Neues vom RC Bröckedde - Folge 166
Der Restetisch
Bröckedde liegt im Herzen Deutschlands – dort, wo Rhein und Donau in den schönen Bröckeddesee münden. Hier trifft sich im Bröckedder Hof der RC Bröckedde zum Meeting – jeden Mittwoch um 13 Uhr im Salon Hindenburg.
Als das 70. Clubjubiläum des RC Bröckedde anstand, war angesichts der vielen Gäste die Mutter aller Fragen zu klären – wer sitzt wo und mit wem? Das delikate Projekt Tischordnung wurde Gräfin Wolkenklau-Oderbruch anvertraut, der Grande Dame der Bröckedder Gesellschaft.
Die Gräfin klärte Präsident Pröpke auf: „Wir haben den Ehrentisch sowie die A-, B- und C-Tische. Sie kommen natürlich an den Ehrentisch und dürfen neben mir sitzen.“
Vorsichtig fragte Pröpke: „Und wer kommt an den A-Tisch?“
„Hohe politische Amtsträger, dazu der Adel, sofern vor 1789 nobilitiert, außerdem Unternehmer mit einem Jahresumsatz von über 100 Millionen Euro.“
„Und die B-Gäste?“
„Unternehmer mit unter 100 Millionen Umsatz. Dazu Vorstandsvorsitzende, sind zwar nur Angestellte, aber immerhin. Außerdem Professoren und ähnliche Respektabilitäten.“
Pröpke seufzte: „Wer muss an die C-Tische?“
„Der passt für Prokuristen, Unternehmensberater, Versicherungsvertreter, Anwälte und dergleichen.“ Die Gräfin hielt kurz inne und meinte dann erschrocken: „Den Restetisch habe ich ganz vergessen.“
„Oh je, wer kommt dorthin?“
„Künstler, Austauschschüler, so was in der Art. Der Rest eben.“
Die Gräfin machte sich mit Pröpke an die Arbeit, hatte aber nicht mit der Selbsteinschätzung innerhalb des RC Bröckedde gerechnet. Drei Viertel der Freunde sahen ihren Platz am Ehrentisch und nur im Notfall an den A-Tischen. Hinzu kamen diverse persönliche Befindlichkeiten.
So lehnte es Bürgermeisterin Totholz-Gümbel kategorisch ab, neben dem Oppositionsführer im Stadtrat an einem A-Tisch zu sitzen. Freund Unterzwerg, dessen Onlineshop gerade die 100-Millionen-Hürde genommen hatte, sah sich schon am A-Tisch, als Freund Mottenzapf intervenierte: „Meine Drogeriekette kommt nur auf 95 Millionen, aber meine Umsatzrendite ist doppelt so hoch.“
Als die Gräfin das Ehepaar Düsterwolle und Freund Fleckenzahn an einem C-Tisch platzierte, griff Pröpke ein: „Das geht nicht. Frau Düsterwolle hieß vor einem Jahr noch Fleckenzahn.“ Und auch das Projekt, Ehrenpräsident Papke mit dem gleichaltrigen Freund Polterblume an einem A-Tisch zu vereinen, scheiterte.
„Das geht gar nicht“, meinte Pröpke. „Weil sich beide überworfen haben. Polterblume hat Papke mal die Vorfahrt genommen. Exakt am 23.9.1969.“
Die Gräfin verzweifelte, eine allseits befriedigende Tischordnung wollte ihr einfach nicht gelingen. Doch Pröpke wusste Rat: „Jetzt muss Otto ran.“ Otto war ein Hochleistungscomputer, unterstützt von den neuesten Errungenschaften der künstlichen Intelligenz. Er war kürzlich angeschafft worden und fühlte sich bislang zu wenig beachtet.
Die Gräfin fütterte Otto mit den Daten aller Gäste und ließ ihn dann arbeiten. In Otto summte, knackte und flackerte es lange, er schien regelrecht zu schwitzen.
Dann verkündete Otto mit krächzender Stimme: „Otto kommt an den Ehrentisch, alle anderen an den Restetisch.“
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