Neues vom RC Bröckedde - Folge 184
Die Potemkinschen Bäume
Bröckedde liegt im Herzen Deutschlands – dort, wo Rhein und Donau in den schönen Bröckeddesee münden. Hier trifft sich im Bröckedder Hof der RC Bröckedde zum Meeting – jeden Mittwoch um 13 Uhr im Salon Hindenburg.
Als sich Weihnachten näherte, machte Freund Rumpelbauer, seines Zeichens Forstdirektor im Staatsforst Bröckedde, einen Vorschlag: „Wir laden den Club in den Wald ein, wo jeder seinen eigenen Weihnachtsbaum schlagen kann.“ Präsident Pröpke war begeistert: „Das fördert unser Gemeinschaftsgefühl. Und wir sind im Einklang mit der Natur.“
Rumpelbauer freute sich, denn auch er war der Natur verbunden und wollte am Baumschlagtag unter freiem Himmel einen Vortrag über das sensible Ökosystem Wald halten. Kassierer Knödler war ebenfalls angetan: „Für jeden selbst geschlagenen Baum ziehen wir zusätzlich eine kleine Spende für das Kinderheim St. Eulalia ein.“
Die Resonanz im Club war überwältigend, alle wollten mit in den Wald. Doch bald stand der Forstdirektor vor einem Problem. Fast alle der 70 Freundinnen und Freunde wollten eine Nordmanntanne schlagen, den beliebtesten Weihnachtsbaum der Deutschen. Sie sollte bitte exakt zwei Meter groß sein, kerzengerade und schön füllig.
Das Baumschlagteam traf sich zur Krisensitzung, wo Rumpelbauer erklärte: „In meinem Staatsforst wachsen nur die einheimischen Sorten Blaufichte und Weißtanne.“
„Und warum keine Nordmanntannen?“, fragte vorwurfsvoll Freund Schwurblinger, seines Zeichens Eventmanager.
„Weil dieser Baum aus dem Kaukasus stammt und bei uns nur in Baumschulen angepflanzt wird. Sehr authentisch ist das nicht“, kam es spitz zurück.
Schwurblinger ließ sich nicht beirren: „Dann kaufen wir einfach ein paar von diesen Nordmännern und lassen die in Ihrem Wald provisorisch eingraben. Wir machen aus dem Baumschlagen dann einen fetzigen Event.“
„Mit was denn?“, fragte Rumpelbauer pikiert.
„Jeder Rotarier kriegt eine rote Weihnachtsmütze, es gibt Glühwein. Dazu installiere ich im Wald Lautsprecher, über die Helene Fischer ‚Merry Christmas‘ in Endlosschleife singt. Dann kommt Stimmung auf.“
„Und was wird aus meinem Freiluft-Vortrag?“
„Den Ökodingsbums-Vortrag halten Sie besser in irgendeinem Meeting.“
Rumpelbauer war empört. „Sie wollen einen Potemkinschen Wald und einen Rummelplatz. Das geht an meine Ehre als Forstmann.“
Doch Rumpelbauer wurde überstimmt. Grimmig fuhr er nach Hause und orderte die Nordmanntannen. Er hatte eine Idee, und prompt hob sich seine Laune.
Zum ersten Advent fiel eine rotarische Karawane mit Äxten und Sägen in den Staatsforst ein. Auf einer Lichtung warteten die Potemkinschen Nordmanntannen. Sie waren allerdings nur 30 Zentimeter groß.
„Was ist denn das?“, fragte Schwurblinger.
Würdevoll entgegnete Rumpelbauer: „Sie wollten Nordmanntannen. Voilà, hier sind sie. In acht Jahren werden die zwei Meter groß.“
Wochen später hielt er seinen Vortrag im Meeting. Aber nicht über Ökodingsbums, sondern über einen Spruch des alten Adenauer: „Rache muss man kalt genießen.“
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