Porträt
„Obdach ist ein Menschenrecht“
Vor 20 Jahren als Projekt rotarischen Ursprungs in England ins Leben gerufen, ist ShelterBox heute eine internationale humanitäre Hilfsorganisation in der Katastrophenhilfe. Clemens Witt holte das Projekt im Jahr 2005 nach Deutschland.
Der Taifun „Kammuri“, ein Sturm der Kategorie 3, erreicht mehrere Provinzen der Philippinen. Hunderttausende Häuser werden beschädigt. Schwere Monsunregenfälle führen in den tiefer gelegenen Gebieten von Bangladesch zu Überschwemmungen. Ein Drittel des Landes steht unter Wasser. 7,4 Millionen Menschen sind direkt betroffen, über 300.000 Menschen verlieren ihre Heimat. Truppen der syrischen Regierung setzen ihre Angriffe in der Provinz Idlib fort. Schätzungen zufolge sind mindestens 200.000 weitere Menschen vor der Gewalt geflohen.
Schutz und Obdach
Es sind Nachrichten wie diese, die Clemens Witt aufhorchen lassen und immer wieder animieren, weiterzumachen. „Es gibt dauerhaft Katastrophen auf der Welt. Wir könnten jeden Tag noch mehr machen“, sagt der ehrenamtliche Vorstandsvorsitzende des ShelterBox Germany e. V.
Die ursprüngliche Idee für ShelterBox stammt von einem Rotarier aus dem britischen Cornwall. Dem ehemaligen Marine-Rettungstaucher war aufgefallen, dass die meiste Unterstützung im Katastrophenfall durch Nahrung und Medizin geleistet wurde, nicht aber durch Obdach. Im Jahr 2000 gründete er als Millenniumsprojekt seines Clubs ShelterBox. Der Fokus bis heute: Schutz und Obdach gewähren. „Jeder Mensch braucht ein Dach über dem Kopf“, sagt Clemens Witt. „Es ist mein Wunsch, dass jeder Mensch diese Basis hat, dieses Fundament.“ Die Mitarbeiter von ShelterBox verteilen deshalb nicht einfach nur Wasserfilter, Zelte, Solarlampen, Kochgeschirr, Matratzen, Decken, Kinderkleidung und Shelter Kits zum Aufbau einfacher Behausungen. Sie geben damit auch Sicherheit, Hoffnung und Kraft. „Psychische Kraft zu geben ist wichtig, damit die physische Kraft wiederkommt“, sagt Clemens Witt.
Um die Lage vor Ort genau zu überblicken, gibt es die ShelterBox Response Teams (SRT). Etwa 170 dieser ausgebildeten Katastrophenhelfer gibt es, die sich verpflichtet haben, zweimal im Jahr für jeweils drei Wochen in den Einsatz zu gehen. Sie analysieren, klären den Bedarf, bestellen Hilfsgüter, geben Schulungen, koordinieren und dokumentieren. Sie organisieren maßgeschneiderte Hilfe für die Menschen vor Ort – immer in enger Zusammenarbeit mit anderen Hilfsorganisationen. „Das ist das A und O“, sagt Clemens Witt. Nur so entsteht eine optimale Versorgung der Betroffenen.
Meilenstein
In der ShelterBox-Zentrale im britischen Truro arbeiten inzwischen etwa 120 hauptamtliche Mitarbeiter. Hinzu kommen circa 1300 Freiwillige in 15 Länderbüros weltweit, zum Beispiel in den USA, Kanada und Australien. Seit 2013 leitet Clemens Witt das Länderbüro in Berlin.
Sein Engagement für ShelterBox geht bereits auf das Jahr 2005 zurück, als er damals noch als Rotaracter auf seiner ersten RI Convention in Chicago ShelterBox kennenlernte. Zurück in Deutschland, sammelte er zu seinem 25. Geburtstag seine ersten Spendengelder für die Organisation und machte das Projekt zur Rotaract Bundessozialaktion. Sein unermüdliches Engagement bezieht sich bis heute im Wesentlichen auf das Akquirieren von Spendengeldern. Sein Team und er wuchsen mit der Größe der Katastrophen, bei denen ShelterBox sich engagiert hat. Ein Meilenstein war das Erdbeben auf Haiti im Jahr 2010. Das Ausmaß der Not ließ ShelterBox über sich hinauswachsen. Gemeinsam mit einem kleinen Kernteam sowie mit Unterstützung einiger ShelterBox-Botschafter sammelte er 2,1 Millionen Euro für die Organisation. „Das ist knallharter Vertrieb für eine richtig wichtige Sache“, sagt er. An dem Erfolg ist bis heute maßgeblich die rotarische Familie beteiligt. Seit 2012 wurde das auch vertraglich geregelt. Seitdem ist ShelterBox offizieller Partner von RI in der Katastrophenhilfe. Alle Länderbüros wurden durch Rotarier und Rotaracter gegründet. Clubs und einzelne Mitglieder in aller Welt unterstützen nach wie vor ShelterBox etwa durch Spendensammlungen, Öffentlichkeitsarbeit, als ShelterBox-Botschafter oder durch wertvolle Kontakte vor Ort. „ShelterBox wäre nie so schnell gewachsen ohne das große rotarische Netzwerk. Rotary ist immer noch das Blut in unseren Venen.“
Da passt es einfach optimal zusammen, dass auch Clemens Witt leidenschaftlicher Rotarier ist. Und ein ShelterBox-Urgestein noch dazu. Für das Jubiläumsjahr 2020 wünscht er sich, die eine Million Euro an Spendengeldern zu knacken. Dafür wird er weiter akquirieren und auch auf das Engagement in der rotarischen Welt setzen. „Wenn ich Vorträge halte und Geschichten von Menschen erzähle, bekomme ich heute noch Gänsehaut. Wir dürfen Menschen in so großer Not nicht alleine lassen. Obdach ist ein Menschenrecht.“
Zur Person
Clemens Witt ist aktuell Präsident im RC Berlin-Potsdamer Platz. Der 40-Jährige besuchte bereits 14 RI Conventions. Auf seiner ersten lernte der damalige Rotaracter ShelterBox kennen und holte das Projekt 2005 zunächst als Bundessozialaktion von Rotaract nach Deutschland. Seit 2013 ist der Dipl.-Ingenieur ehrenamtlicher Vorstandsvorsitzender von ShelterBox Germany in der Ländervertretung in Berlin.
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