RDG
Spenden – so einfach wie möglich
Von Düsseldorf aus wickeln die Mitarbeiter des Rotary Deutschland Gemeindienst e.V. die Spenden der Rotarier in Deutschland ab. Außerdem stehen sie beratend zur Seite. Ein Blick hinter die Kulissen
Im Gespräch mit den Mitarbeitern fällt immer wieder dieser sehr bürokratisch klingende Begriff: Zuwendungsbestätigung. Für die gemeinnützige Arbeit der Rotarier aber ist eben dieser Begriff von zentraler Bedeutung. Denn wer in Deutschland für gemeinnützige Zwecke spendet, wird steuerbegünstigt. In der Praxis bedeutet das, es müssen sogenannte Zuwendungsbestätigungen, geläufiger unter dem Namen „Spendenquittungen“, der Steuererklärung beigefügt werden. Der Rotary Deutschland Gemeindienst e.V. (RDG) ist offiziell zugelassen, genau diese Bescheinigungen auszustellen, und dient somit zum Beispiel als wichtiges Bindeglied zu club- und distriktübergreifenden Projekten, die mit den Spendengeldern der deutschen Rotarier auf die Beine gestellt werden. Doch wer hinter den Mauern von RDG in Düsseldorf ein Büro erwartet, in dem ausschließlich im Akkord Spendenformalitäten abgearbeitet werden, der irrt. Hinter der einst aus überwiegend steuerlichen Zwecken eingerichteten Institution verbirgt sich ein aktiver Mitarbeiterstab von acht Damen, die unter der Führung des Vorstandsvorsitzenden Sybe Visser (RC Dortmund-Hörde) und seiner Vorstandskollegen Ulrich Harnacke (RC Düsseldorf-Karlstadt) und Martin Renker (RC Wuppertal-Süd) RDG mit Leben füllen. Denn wo für die Einhaltung formaler Kriterien bei der Projektdurchführung gesorgt wird, sind Emotionen nicht automatisch fern. Die Bilder und Schicksalsgeschichten, die Tag ein, Tag aus im Gespräch mit den Rotariern und in Projektberichten aus aller Herren Länder auf den Schreibtischen der Mitarbeiter landen, sind oft ergreifend. „Man lernt viel und sieht, dass etwas passiert. Hier zu arbeiten ist lebensbereichernd“, sagt Barbara Schmidt. Sie kümmert sich wie zum Beispiel auch Karin Rath, Anne-Susann Liebeck und Judith Orf unter anderem um Matching-Grant-Projekte. Wenn das Telefon bei ihnen klingelt, dreht sich vieles um die Fragen: Was ist förderungswürdig? Wie werden die Zuschüsse berechnet? Und wie sind die Anforderungen an die Anträge?
Projektvielfalt
Jede Katastrophe und jedes Projekt sind zwar anders, die Formalitäten aber haben einen festen Ablauf und die Vollständigkeit des Antrags muss gegeben sein. Darauf achten Barbara Schmidt und ihre Kolleginnen bei der Beratung der Rotarier und sorgen generell in allen Bereichen für absolute Transparenz für die Finanzbehörde. Bei der Abwicklung von Hunderten Projekten der unterschiedlichsten Art ist es enorm wichtig zu belegen, wohin genau die Gelder fließen, denn RDG ist ein gemeinnütziger Verein. Die Spenden werden aufgrund deutscher Steuervorschriften in Deutschland angelegt und anders als in den USA unmittelbar und zeitnah innerhalb eines Jahres auf Basis von RDG-Vorstandsentscheidungen zu 100 Prozent ausgegeben. RDG finanziert den TRF-Zuschuss für Matching-Grant-Projekte mit deutscher Beteiligung sowie in- und ausländische Stipendiaten des TRF-Stipendiatenprogramms.
Über die Investmentstrategie entscheidet ebenfalls selbstständig der RDG-Vorstand. Die Mittel werden ausschließlich in Deutschland angelegt und ausgegeben, sobald in dem Projekt das Geld benötigt wird. Das gilt auch für über RDG ausgerufene Spenden für Katastrophenhilfen, wobei RDG zusammen mit verantwortlichen Rotariern um einen zügigen Aufbau nachhaltiger Projekte bemüht ist. Etwaige Überschüsse, die aufgrund fehlender Projekte in Deutschland entstehen, werden dann direkt von RDG für Projekte im Ausland eingesetzt, die sonst die TRF finanziert hätte. Der Geldstrom läuft auch dann direkt von Düsseldorf in das Zielland.
So kann RDG völlig getrennt von den Finanzen und Anlagen der TRF bleiben, obwohl sie die gleichen Ziele und Zielgebiete verfolgt“, betont Sybe Visser. Als Verein finanziert RDG sich aus Erträgen und Mitgliedsbeiträgen. Jeder Rotarier in Deutschland ist automatisch Mitglied und zahlt 12 Euro Beitrag pro Jahr für die Bürokosten. Kontrolle über RDG wird ausgeübt von der jährlichen Vertreterversammlung, der alle Governors sowie insgesamt 60 Vertreter der Distrikte angehören, die einmal im Jahr auf den Distriktkonferenzen gewählt werden. Vorsitzender des Beirats ist der jeweilige Vorsitzende des Deutschen Governorrats, momentan Past-Gov. Horst Lettner.
Mit dem Status einer Nichtregierungsorganisation ist RDG auch akkreditierter Partner des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) und der Europäischen Union und kann so zusätzlich zu Matching Grants Fördermittel beim BMZ und auch bei der EU und der Europäischen Kommission beantragen. Die Bearbeitung ist aufwendig, der Ertrag aber so attraktiv, dass sich die Mühe lohnt. „Auch deshalb, weil Rotary überall vor Ort durch seine Clubs präsent ist, gehört RDG inzwischen zu den 20 größten Partnern des BMZ“, so Sybe Visser. Hier stehen den Rotariern mit Judith Orf und Karin Rath zwei Spezialistinnen für alle Fragen zur Verfügung. Um Club- und Distriktprojekte im In- und Ausland kümmert sich Andrea Tischmann. Sie schaut wie ihre Kollegen auch, ob die Projekte mit den Satzungszwecken von RDG zusammenpassen und als gemeinnützig anerkannt sind. Denn Denkmalpflege und das Thema Sport zum Beispiel sind nicht in den 21 festgehaltenen Zwecken genannt. Die Bandbreite an Möglichkeiten ist dennoch groß: So finanziert ein Club etwa eine Schaukel im Zoo, verteilt Obstkörbe im Kindergarten, zahlt Schulgeld für Kinder in Afrika oder fördert das Leseverständnis von Grundschulkindern etwa durch die Aktion „Lesen Lernen – Leben Lernen“, ein Projekt initiiert von Past-Gov. Helmut Falter, das inzwischen von Rotary Clubs in zehn Distrikten unterstützt wird. Ebenso wichtig sei außerdem die Förderung von jungen Menschen – etwa die Taschengeldzahlung für Austauschschüler oder die Vergabe von Stipendien, betonte Sybe Visser.
Einmal in der Woche nimmt Andrea Tischmann Zahlungen für all die verschiedenen Projekte vor. Auf den Auslöser dafür drückt Christa Stauder. Sie aktiviert online die Auszahlungen in der Buchhaltung und arbeitet so praktisch mit allen internen Kollegen eng zusammen. Nach außen sind die Schatzmeister ihre Hauptansprechpartner. Die Bearbeitung der eingehenden Spenden muss sehr sorgfältig verlaufen, damit sie den richtigen Aktionen gutgeschrieben werden. Manchmal, sagt Christa Stauder, arte es auch schon mal in „Detektivarbeit“ aus, wenn sie herausfinden müsse, warum zum Beispiel ein Verwendungszweck falsch in der Überweisung steht.
Während sich im Moment noch die Schatzmeister telefonisch nach dem Kontostand des Clubs erkundigen müssen, sollen diese Informationen künftig über das neue Buchhaltungssystem per Online-Zugriff für Clubs und Distrikte abrufbar sein.
Zweimal im Jahr, zum 30. Juni und 31. Dezember, werden die Schatzmeister unter anderem von Gisela Fuchs, die sich sonst außerdem hauptsächlich um die Paul-Harris-Fellow-Anträge und um die Datenpflege kümmert, mit Zuwendungsbestätigungen und Einzelspender-Listen versorgt. Allein im ersten Halbjahr 2011/12 kamen 13.964 Bestätigungen zusammen, die sich sorgfältig nach Distrikt geordnet in hohen weißen Papiertürmen auf dem Regal stapeln, um eingetütet zu werden. „Wer sich hier langweilt, der macht etwas falsch“, sagt Gisela Fuchs augenzwinkernd. Dessen ist sich auch der Rest des Teams sicher. Im Laufe der Jahre hat sich das Büro vergrößern müssen, denn die Aufgaben wurden immer komplexer. Als Anne-Susann Liebeck etwa 1992 bei RDG anfing, erinnert sie sich, habe es ein einziges Matching-Grant-Projekt gegeben. Heute, 20 Jahre später, sind es bis zu 200 im Jahr. Hinzu kommen immer mehr Clubgründungen. Mehr Clubs bedeuten mehr Spenden, die für unterschiedlichste Projekte zur Verfügung stehen, deren Spektrum stets erweitert wurde.
Wechsel in der Führungsspitze
„Wir sind auch gewachsen durch die Erfindungsgabe der Rotarier. Uns würde es nicht geben, wenn die Rotarier nicht all die Projekte auf die Beine stellen würden“, bringt es Ilse Rietzke auf den Punkt. 17 Jahre lang war sie Büroleiterin und verabschiedet sich in diesem Monat in den wohlverdienten Ruhestand. Sowohl innerhalb des Teams als auch nach außen hin gilt sie als „Erfahrungsträgerin schlechthin“, wie es Barbara Schmidt treffend formuliert. Ilse Rietzke hat beinahe zwei Jahrzehnte jede Entwicklung des Vereins miterlebt, fast jede Aufgabe der Kollegen im Laufe der Zeit schon einmal selbst erledigt. Sie weiß, wovon sie spricht, wenn sie inzwischen hauptsächlich noch beratend und begleitend die Kollegen unterstützt, denen sie allen „ein 100-prozentiges Zeugnis“ ausstellen würde und denen sie dankbar ist für ihre Unterstützung. „Wir sind eine Servicestelle mit Verantwortung“, sagt Ilse Rietzke, und es ist zu spüren, dass sie die letzten 17 Jahre genau nach dieser Devise gehandelt hat. Über all die Jahre war sie mit Herzblut dabei und hat versucht, mit „allergrößter Hochachtung vor dem Engagement der Rotarier“ für alle Probleme immer eine Lösung zu finden. Dazu zählten auch die Umsetzung der Rotary-Foundation-Richtlinien im Rahmen der erforderlichen Selbstständigkeit von RDG und die Erfassung der Veränderungen im Steuerrecht. Mit den Mitarbeitern der Foundation stand sie ebenso wie mit dem Vorstand in einem „ständigen Gedankenaustausch“ und bereitete komplexe Entscheidungen mit vor.
Future Vision Plan
Seit Oktober 2011 ist ein neues ehrenamtliches Vorstandsgespann mit Sybe Visser an der Spitze im Einsatz. Die Amtszeit beträgt drei Jahre. „Es ist wichtig, dass das Wissen von Frau Rietzke erhalten bleibt“, sagt Sybe Visser. So fand besonders in den letzten Monaten eine enge Zusammenarbeit und Übergabe statt, die auch Ilse Rietzkes Nachfolgerin Constanze Hirschhäuser einen guten Start in ihrem neuen Amt sicherstellen soll, sodass auch sie künftig als Leiterin der Geschäftsstelle dafür sorgen kann, „dass alles läuft.“
Eine große Herausforderung, die bald nach der Pilotphase im Jahr 2013 für alle Distrikte in Deutschland von Bedeutung ist, ist die Umsetzung des Future Vision Plans (FVP) von RI. Wichtig ist auch hier wieder, dass die Veränderungen im Einklang mit dem deutschen Steuerrecht stattfinden. Ilse Rietzke sieht der Umstrukturierung gelassen entgegen, denn diese ist sorgfältig gemeinsam mit den Verantwortlichen der Pilotdistrikte vorbereitet worden: „Zwischen den Pilotdistrikten, der Rotary Foundation und RDG haben wir schon ein Gerüst gebaut, sodass im nächsten Jahr niemand bei null anfangen muss, sondern verlässliche Partner hat.“ Mit Judith Orf und Anne-Susann Liebeck stehen zwei äußerst erfahrene Mitarbeiterinnen für alle Fragen rund um den Future Vision Plan bereit. Ziel des Plans ist es, dass die Projekte ihren Schwerpunkt in sechs Fokusgebieten haben – die von der RDG-Satzung schon abgedeckt sind – und grundsätzlich größer und nachhaltiger werden. „Für RDG bedeutet das einen Spagat, da die Clubs kleinere Projekte attraktiver finden“, so Sybe Visser. Großer Wert gelegt wird auch auf das Thema Nachhaltigkeit. Die Erfolge eines Projektes sollen länger verfolgt und sichergestellt werden. Der Vorstandsvorsitzende möchte in diesem Zusammenhang eine Art Senior-Expert-Gruppe aufbauen, von der Projekte vor Ort begleitet werden sollen und die clubübergreifend unterstützen könnte. Zusätzlich zu den gut 15 Millionen Euro, die Clubs jährlich in eigenen Fördervereinen sammeln und meistens vor Ort ausgeben, fließen circa 11 Millionen Euro Spendengelder jährlich über die Konten von RDG. Darunter sind auch die Beträge für PolioPlus und die Gelder, die aufgrund der jährlichen Spenden von 100 Dollar oder mehr (Every Rotarian Every Year) für den Annual Fund der Rotary Foundation gedacht sind. Rund 30.000 Zuwendungsbestätigungen stellen die Mitarbeiter von Sybe Visser im Jahr aus. Da ist es wichtig, dass der Pensionär, der seine internationale Erfahrung 31 Jahre bei Shell gesammelt hat und zuletzt Chef der kommerziellen Gasbeschaffung bei RWE war, „gern organisiert und gewöhnt ist, sorgfältig mit Geld umzugehen“. Insgesamt einen Tag in der Woche arbeitet er heute im RDG-Büro in Düsseldorf. Sybe Visser ist entschlossen, gemeinsam mit seinem Team RDG als Kompetenzcenter für Projekte weiter auszubauen, und setzt alles daran, „den Leuten das Spenden so einfach wie möglich zu machen“.
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