Social Media Lounge
Wie umgehen mit der Digitalisierung?
Der Distrikt 1940 diskutierte kürzlich Anforderungen und Folgen der Digitalisierung - mit einem rotarischen Experten, der außergewöhnliche Einblicke sowie den einen oder anderen Tipp gab.
Prof. Dr. Key Pousttchi (RC Potsdam), Wissenschaftler auf dem Gebiet der Digitalisierung und der Digitalen Transformation sowie zuletzt Inhaber eines Lehrstuhls für Digitalisierung an der Universität Potsdam, versuchte Zusammenhänge deutlich zu machen: Es gehe um das Dreieck Technik – Wirtschaft – Mensch/Gesellschaft führte er eingangs aus. Zum Zoom-Vortrag hatten sich mehr als 60 mehr oder weniger digital-affine Rotarier zusammengefunden, um zu verstehen, welche Themen, Probleme, Entwicklungen auf jeden Einzelnen zukommen — und wie sie zu meistern sind. Es gelte, ein Bild davon zu entwickeln, wie die digitale Welt aussehen soll, in der jeder künftig leben wolle, so der Wissenschaftler.
Grundsätzlich müsse jedem klar sein: Computer - so hilfreich sie auch sein mögen — können nicht interpretieren, nicht denken, haben keine Gefühle. Man könne jedoch viele Dinge einstellen. Künstliche Intelligenz basiere aber darauf, Daten auszuwerten — und zwar nicht nur die nötigen, sondern alle, die man haben könne. Mit diesen würden dann Modelle von Möglichkeiten erzeugt und zwar in alle Richtungen. Big Data also.
In die Zukunft schauen
Der Experte warnte, dass Konzerne immer versuchen würden, alle möglichen, nicht nur die nötigen Informationen über einen Kunden oder Nutzer zu sammeln. Durch Kopplungen einzelner Daten plus Statistik schließe man dann — sehr genau und erfolgreich — auf das Verhalten der Nutzer. So lasse sich mit einem Modell sogar vorhersagen, welche Ehe in etwa fünf Jahren geschieden werde, merkte er schmunzelnd, aber durchaus ernst gemeint an.
In den Schulen müsse daher konkretes Wissen vermittelt werden: Was kann ein Computer lernen und was nicht? Und: Was sollte ein Internetnutzer beachten? Pousttchi warnte vor allem vor zu viel Bequemlichkeit: Nach der eigenen Webseite in Google zu suchen oder die URL normal einzutippen mache keinen zeitlichen Unterschied. Nur: Bei der ersten Variante gebe man Google Einblick in das eigene Leben.
Firmen nutzten inzwischen auch häufig das Prinzip "nudging", also jemanden in die gewünschte Richtung zu stupsen. So würde bei vielen Webseiten die Zustimmung zum Sammeln von so genannten Cookies abgefragt — und gleichzeitig voreingestellt. Die Verneinung oder Bearbeitung dieser Voreinstellung erfordere meist mehrfaches Weiterklicken — also mehr Aufwand — und werde vom Internetnutzer häufig aus Bequemlichkeit (weil für jede Webseite nötig) nicht vorgenommen. Damit hätten die Firmen ihr Ziel erreicht und könnten mit den Daten des Nutzers arbeiten. Tipp von Prof. Dr. Pousttchi für alle, die das nicht wollten: am eigenen Computer einstellen, dass Cookies grundsätzlich gelöscht werden, wenn der Browser geschlossen wird.
Kein Smartphone-Freund
Für erstaunte Gesichter sorgte der Referent als er erklärte, kein Smartphone zu nutzen. Auf den Geräten flössen alle privaten Daten zusammen — und die wiederum macht der Schnittstellen-Eigner zu Geld. Die Käufer dieser Informationen nutzten die Daten hingegen zur direkten Ansprache: Sie wüssten oft schon vor dem Kunden, was dieser kaufen wolle.
Key Pousttchi nutzt deshalb zum Telefonieren ein älteres Modell eines Blackberry, auf dem er viele Funktionen hat, aber nicht mehr mit dem Internet verbunden ist. Das stoppe die Weitergabe von Daten zum eigenen Standort, zur Nutzung verschiedener Dienste etc. — eben die Auskunft über das eigene Leben. Man könne jedoch auch einfach den Flugmodus auf seinem Handy wählen.
Um das Sammeln von Daten durch Firmen und die massive Vermarktung zu stoppen müssten Staat und EU eingreifen, machte der Experte deutlich. Es brauche eine andere Art der Regulierung. Sein Vorschlag: alle Daten der realen Welt an einer Stelle sammeln, jeder Bürger definiert für sich, inwieweit Daten genutzt werden dürfen und Datenpflege dürfe nicht mehr irgendwie und automatisch erfolgen.
Facebook und Co.
Ebenfalls ein Thema in der Social Media Lounge: die Nutzung sozialer Medien. Der Rat des Experten ist hier, sich klar zu machen, wen man erreichen wolle, wenn man in den social media unterwegs sei. Facebook unterscheide sich ja von Twitter, dieses wiederum von LinkedIn oder Xing usw. Das sollten auch Clubs bedenken, die in den sozialen Medien unterwegs seien.
Sorge bereitet Pousttchi indes, dass so viele Kinder bereits in sozialen Medien unterwegs sind: "Wir müssen in der Schule soweit kommen, dass wir nicht Smartphone-Konsumenten erziehen, sondern junge Leute, die verstehen, was passiert. Diese sollten so ausgebildet werden, dass sie weniger Digitales konsumieren, sondern die digitale Welt gestalten." Doch derzeit sei Informatik noch nicht mal in jedem Bundesland ein Pflichtfach, kritisierte er.
Computerspielereien einschränken?
Ältere Kinder und Jugendliche erlernten Computernutzung und Digitales übrigens ganz schnell, deshalb sei zu empfehlen: bei Kleinkindern nicht das Smartphone als Babysitter nutzen, sondern kreative Fähigkeiten fördern. Auch das Motorische müsse von klein auf gelernt werden, das könne man — anders als das Digitale — nicht nachholen. Für Eltern und Gesellschaft stelle sich die Frage: Was macht fit für die digitale Welt? Seine Antwort: kritisches Denken fördern, Hinterfragen anregen und Disziplin — also nicht Daddeln am iPad bis zum Abwinken, sondern begrenzte Nutzungszeiten etablieren.
Beim Thema DSGVO zeigte sich der Experte wenig begeistert. Die Großen Datensammler wie Apple, Google, Facebook und Amazon seien von den Regeln darin nicht betroffen, während kleinere und mittelständische Unternehmen vielen Reglementierungen unterliegen. In Sachen Digitalisierung gelte es daher, viele Dinge noch einmal neu zu denken, um China und den USA nicht irgendwann schwer atmend hinterherzuhechten...
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