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Alsfeld

Den Keimen keine Chance

Alsfeld - Den Keimen keine Chance
Erkenntnis: Gegen Keime und Viren — in Coronazeiten lassen sich einfache Regeln und Maßnahmen erarbeiten. © Mesocosm GmbH (alle Fotos)

Auf der Halbjahreskonferenz in D1820 wurde die Ausbildung von jugendlichen Infektionsschutzassistenten als bestes Leuchtturmprojekt ausgezeichnet.

Christian Kaiser04.02.2021

Seit Beginn der Pandemie fahren die Schulen je nach Lage einen Schlingerkurs: Präsenzunterricht versus Online-Schule, Netz oder kein Netz, Rechner oder kein Rechner, Mundschutz oder keiner. Kultusminister erlassen Vorschriften, Schulämter und Schulen setzen mehr oder weniger um, manche Eltern können helfen, manche nicht. Schüler und Schülerinnen mit weniger Unterstützung fallen zurück, schon ist von einer "verlorenen Generation" die Rede.

Doch wie soll, wie kann man helfen?

Prof. Dr. Klaus Peter Ebke, wissenschaftlicher Leiter des Forschungszentrums Neu-Ulrichstein in Homberg (Ohm), selbst betroffen als Vater von zwei schulpflichtigen Kindern, hatte dazu eine Idee. Nach intensiven Diskussionen — unter anderem mit seinen rotarischen Freunden im RC Alsfeld — reifte diese Idee zu einem inzwischen praxistauglichen Konzept.

Das Konzept überzeugte auch die Teilnehmer der Halbjahreskonferenz des Distriktes 1820, die diesem "Leuchtturmprojekt" der Region 3 die meisten Stimmen gaben. Forschungsminister a.D. Heinz Riesenhuber (RC Frankfurt am Main) hob in seiner Laudatio hervor, wie wichtig ein früher praxisbetonter Zugang zur Wissenschaft ist, insbesondere unter den aktuellen Bedingungen der Pandemie.

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Die Corona-Regeln werfen häufig Fragen auf. Wissen über die Krankheit und ihre Erreger ist nötig.

Die Ausgangslage

Die Coronakrise hat gezeigt, dass das Wissen über Krankheitserreger und deren Infektionswege und über die praktische Umsetzung des persönlichen Schutzes in unserer Gesellschaft nur wenig verbreitet ist. Dies liegt daran, dass wir durch einen hohen hygienischen Standard und eine gute medizinische Versorgung daran gewöhnt sind, Krankheitserreger nicht mehr als Bedrohung zu empfinden.

Deshalb haben sich Unvorsichtigkeiten im Umgang mit Erregern "eingeschlichen". Nur geschultes Personal kann vorsichtig sein. Der Virus Covid-19 hat gezeigt, dass es nicht reicht, wenn nur bestimmte Personen wissen, wie man mit einem Krankheitserreger umgehen sollte. Überall da, wo viele Menschen aufeinandertreffen, können Krankheitserreger übertragen werden.

Der Weg zur Idee

Unter diesen Umständen ist nicht nur ein theoretisches Grundwissen über die Erreger und deren Verbreitungsmöglichkeiten wichtig. Auch das Erlernen der daraus folgenden richtigen alltäglichen Verhaltensweisen, insbesondere angesichts einer Epidemie, gehört dazu. 

In der Pädagogik weiß man, dass Handlungen, die praktisch erlernt werden, theoretisch begründet sind und regelmäßig wiederholt werden, besonders fest im Gedächtnis verankert werden. Mit Beginn der Pandemie wurden derartige schulische Aktivitäten, wie auch fast alle naturwissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaften, ausgesetzt. Allein die Kernfächer standen im Fokus.

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Das Projekt

Als Antwort tüftelte man am Forschungszentrum Neu-Ulrichstein (FNU) ein neues Unterrichtskonzept aus: "Unterricht im Labor – alles um den Infektionsschutz praktisch erfahren". In einem Programm über drei Module erlernen die Schüler die Grundprinzipien aus der Mikrobiologie — wie zum Beispiel zu Keimen, Übertragungswegen, Infektion und Impfung.

Im Vordergrund stehen jedoch praktische Übungen. Wie misst man Keime? Das Plattengussverfahren ermöglicht es den Schülern, durch eigene Messungen herauszufinden, wie der Mund-Nasenschutz wirkt, wie "sauber" (hygienisch) ein Putzlappen bei richtigem und bei falschem Einsatz ist. Auch: wie belastet ein Türgriff sein kann. Die Schüler messen selbstständig zum Teil auch das eigene Handy oder die von zuhause mitgebrachte Spielekonsole.

Das Arbeitsprogramm umfasst aber auch eine kritische Diskussion über Informationen in den Medien. Wie informiere ich mich sinnvoll und zuverlässig? Nach einer theoretischen und einer praktischen Prüfung erhalten die Schüler Ihr Zertifikat zum "Infektionsschutz-Assistenten (Schule)".

Die Zielgruppe

Die Initiative zielt auf Schüler aller Schultypen ab Klasse 5 bis zum Abschluss. "Gerade, wenn die Umsetzung neuer Richtlinien noch im Fluss ist, ist es sehr wichtig eigene Kompetenzen zu haben. Kompetente Schüler können im Rahmen der Schülerselbstverwaltung mitreden und mitgestalten, sie können andere Schüler zum Teil besser erreichen und überzeugen als Erwachsene",  so Peter Ebke.

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Die jungen Infektionsassistenten lernen, was man zur Vorbeugung und Vermeidung tun kann.

Blaupause

Und weiter: "Ich bin besonders beeindruckt von der Studienleistung der beiden Lehramtsstudierenden Stefanie Jähn und Jana Steenbock der Universität Marburg. Im Rahmen ihrer Staatsexamensarbeit, die bei mir am FNU durchgeführt wird, haben sie das gesamte Konzept maßgeblich mitentwickelt und die Unterrichtsmaterialien altersstufengerecht angepasst." Und: "Einige Absolventen am FNU sind nun in den letzten Zügen ihrer Abschlussarbeiten. Es wäre möglich, diese Absolventen, die die Kurse bei uns vor Ort mit durchgeführt haben, als Starthelfer an Schulen oder neue Standorte zu entsenden. "

Aktueller Stand, Vision

Das Hessische Kultusministerium hat den Projektstart in drei Schulen im Vogelsbergkreis mit einer Anschubfinanzierung ausgestattet. Nun laufen die ersten Kurse und inzwischen haben erste Interessierte angefragt, ob und wie die Ausbildung in weitere Schulen übertragen werden kann – darunter die Freunde vom RC Lauterbach-Schlitz, die bereits eine Spendenaktion zur Anschubfinanzierung für die Durchführung des Projektes in ihren örtlichen Schulen gestartet haben. Nun hoffen die Initiatoren, dass das Ministerium das Konzept nach Evaluierung der ersten Kurse als wichtiges Pandemieprojekt für Hessische Schulen aufgreift.

Unser Club möchte mitmachen, wie geht das?

Hierauf Peter Ebke: "Als Club könnten Sie in Ihrem Wirkungskreis Schulen für das Projekt interessieren und gegebenenfalls eine Anschubfinanzierung für die Schule in Aussicht stellen.

Es gibt an jeder Schule natürlich unterschiedliche Voraussetzungen:

Fall A: Die Schule hat eigene Möglichkeiten zum mikrobiologischen Arbeiten und Lehrer, die sich das zutrauen — so kann die Schule mit unseren Arbeitsmaterialien die Kurse selbst aufbauen und durchführen.

Fall B: Die Schule hat eigene Möglichkeiten zum mikrobiologischen Arbeiten, aber keine Kapazitäten, mit eigenen Lehrern die Kurse selbst aufzubauen und durchzuführen. In diesem Fall können wir gegebenenfalls Wissenschaftler entsenden, die die Kurse an der Schule durchführen.

Fall C: Die Schule hat keine eigenen Möglichkeiten zum mikrobiologischen Arbeiten und keine Kapazitäten, mit eigenen Lehrern die Kurse selbst aufzubauen und durchzuführen. In diesem Fall muss in der Nähe eine geeignete Einrichtung, zum Beispiel Universität, gefunden werden, die entsprechende Räumlichkeiten zur Verfügung stellt. Wir können gegebenenfalls Wissenschaftler entsenden, die die Kurse an diesen Standorten durchführen."

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Die Schüler erwerben mit dem Kurs ein Zertifikat als Infektionsschutz-Assistenten.

Die Kosten eines Kurses für 15 Kinder beziffert Peter Ebke auf ca. 1.500 Euro inklusive Raummiete, Fachpersonal und Material.

Sie interessieren sich für das Projekt?

Projektbeauftragter im RC Alsfeld:
Prof. Dr. Klaus Peter Ebke
Kontaktmail: peter.ebke@mesocosm.de