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Neue Musik beim RC Reutlingen-Tübingen
Der Vortrag von Torsten Wille beim RC Reutlingen-Tübingen war dem Thema "Neue Musik, was bleibt von der Revolution?" gewidmet.
Torsten Wille setzte sich mit der sogenannten "Neuen Musik" aus der Zeit nach 1950 in ihrem musikhistorischen, stilistischen und gesellschaftlichen Kontext auseinander. Er fragte aufgrund der schwachen Akzeptanz neuer Musik beim Publikum, wo die Meisterwerke dieser Epoche sind und anschließend daran: "Können wir nicht mehr komponieren?"
Der deutschsprachige Raum hat sich mit seiner klassischen Musik in früheren Epochen und den daraus entstandenen Musikhochschulen in aller Welt größte Anerkennung erworben. Dagegen scheint die neue Musik nach dem Zweiten Weltkrieg auf ein Abstellgleis geraten zu sein. Getrieben von dem linearen Geschichtsbild, über die Spätromantik hinaus stilistische Alleinstellungsmerkmale entwickeln zu müssen, fixierten sich die Vertreter der "Neuen Musik" auf die Harmonik als zentrales Element musikalischen Fortschritts und koppelten sich mit ihrem atonalen Musikstil zunehmend von der Akzeptanz des klassischen Publikums ab. Daher entstammen die bekannten Werke der jüngeren Musikgeschichte nicht der zeitgenössischen klassischen Musik, sondern fast ausschließlich der Popularmusik.
Der Vortrag zitierte den Schweizer Dirigenten Ernest Ansermet (1883-1969), der feststellte, dass Musik ohne Tonalität über längere Zeiträume nicht funktionieren könne. Daher sollte sich die klassische Musik nicht "linear" in Richtung einer fortschreitenden Abstraktion weiterentwickeln, sondern eher "spiralförmig" die Stilmittel früherer Epochen aufgreifen und durch Neues ergänzen. Musik kann sich durchaus publikumskompatibel weiterentwickeln und dabei eigene, unverkennbare Stilmittel herausarbeiten. Dieses zeigen die verschiedenen Richtungen der sogenannten U-Musik. Für die strikte Trennung von E- und U-Musik gibt es dem Vortrag zufolge keine überzeugende Rechtfertigung.
Der Vortrag richtete in der weiteren Abfolge den Blick auf die Mechanismen, die die moderne Klassik-Branche in den letzten Jahrzehnten dennoch am Leben erhalten haben. Obwohl die Musikwissenschaft nach Meinung des Vortragenden mehr Geschichts- als wirkliche Musik-Wissenschaft ist, haben sich die Vertreter der Hochschulen, Komponisten, Politiker und ehrgeizige Musiker ein symbiotisches System der Selbsterhaltung aufgebaut, das sich objektiven Qualitätskriterien effektiv entzieht. Dabei werden untaugliche Hilfskriterien zur Beurteilung der Qualität neuer Musik herangezogen, die den stilistischen Neuheitsgrad eines Musikstücks überbetont, interpretatorische Freiheiten dagegen zugunsten einer "historischen Werktreue" unterdrückt.
Der Vortragende plädierte angesichts des festgefahrenen Alleinvertretungsanspruchs dieses "institutionalisierten Klüngels" für einen "Third Way", der im Sinne einer musikalischen Entwicklungs-Spirale Bewährtes aufgreift, Neues ergänzt und die Grenzen zwischen E- und U-Musik durchbricht. Daraus könne hörbare Musik entstehen mit mehr Anspruch und Intellekt, als in der Popmusik zu finden sind. Als Beispiel spielte der Vortragende einen Ausschnitt aus seiner jüngsten Eigenkomposition vor. Die vor kurzem uraufgeführte Weihnachtskantate "O Welt, höre das Wort" lässt Komponenten aus klassischer Musik, Jazz und Rock'n Roll verschmelzen.
RC Reutlingen-Tübingen
Mitglied im RC Ellwangen seit 1994, Club-Präsident 2009/2010, Paul-Harris-Fellow. Verheiratet, ein Sohn. 2017 bis 2020 war er Distriktberichterstatter in D1830.
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