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Distrikt

Rotarys dunkle Jahre

Distrikt - Rotarys dunkle Jahre
Studienautor Prof. Oliver Rathkolb (RC Wien-Stephansplatz) mit DG Arno Kronhofer © Hubert Nowak

Im Gedenkjahr 2018 wurde jetzt auch die Haltung Rotarys in den 1930er-Jahren unter die Lupe genomme

Hubert Nowak01.05.2018

Es ist nicht besonders rühmlich, wie sich Rotary in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg gewandelt und verbogen hat. Das ist die Quintessenz einer Studie, die der renommierte Historiker der Universität Wien, Prof. Oliver Rathkolb (RC Wien-Stephansplatz) kürzlich präsentiert hat. Mehr als ein Jahr lang hat er die Geschichte der Österreichischen Rotary-Clubs in der Zwischenkriegszeit analysiert und eine bemerkenswerte Anpassungsfähigkeit an das Nazi-Regime konstatiert.

Dabei spielte Rotary in der Gründungsphase nach dem Ersten Weltkrieg eine sehr positive Rolle. 1925 wurde der erste Club in Wien gegründet, zugleich mit Budapest und Prag. Erst zwei Jahre später folgten die ersten Clubs im Deutschen Reich. Obwohl Österreich und Deutschland damals einen gemeinsamen Distrikt bildeten, waren die Clubs in Österreich politisch neutral und sehr weltoffen.

„Die Rotarier (waren) damals sehr gegen den politischen Mainstream dieser Zeit eingestellt und versuchten, entgegen dem Nationalismus der Zeit nach 1918 mit den Nachbarstaaten eng zusammenzuarbeiten“, schreibt Rathkolb. Die weltoffene und auf internationale Aussöhnung ausgerichtete Stimmung beherrschte noch die Convention 1931 in Wien. Aber bald danach war der transnationale europäische Geist vergessen, zumal auch „Rotary International seit den 1920er Jahren keine Berührungsängste mit faschistischen und autoritären Diktaturen hatte.“

Anbiederung an die Nazis
Bald danach, so Rathkolb, schwenkten Österreichs Rotarier in Richtung Anschluss und haben sich der NSDAP angedient. In Wien wurden „Statuten und Satzung geändert und die nationale Ausrichtung plötzlich betont.“ Juden und Freimaurer wurden aus den Clubs gedrängt. „Wer heute die internen Protokolle liest, hat das Gefühl, dass die österreichischen Funktionäre noch rigider den rassistischen NS-Kurs verfolgten als die deutschen Funktionäre – und dies bereits ein halbes Jahr vor dem ‚Anschluß‘ 1938.“ Dennoch bekämpften die Nazis Rotary. Die Anbiederung brachte nichts. „Parteigenossen dürfen nicht mehr den Rotary-Clubs angehören“, war die Devise. Die deutschen Clubs lösten sich auf, die Österreichischen zwar nicht, aber viele Rotarier wurden von den Nazis verfolgt.

International gab es kaum Solidarität für die in ganz Europa verfolgten jüdischen Mitglieder. Erst im Laufe des Krieges schwenke Rotary auf die Linie der Alliierten um und „signalisierte, dass man nach dem Krieg wieder dort fortsetzen möchte, wo man vor dem Zweiten Weltkrieg aufgehört hatte,“ so die Studie. Prof. Rathkolb konstatiert, dass in Deutschland die Aufarbeitung dieser dunklen Jahre schon weiter ist als in Österreich. Die Anbiederung von Rotary International an die Nazis sei dagegen noch völlig unbearbeitet.

Hubert Nowak
Dr. Hubert Nowak, RC Perchtoldsdorf, ist Buchautor und Medienberater. Er war 40 Jahre lang als Journalist und Manager in verschiedenen Funktionen im ORF tätig, darunter als Moderator und stellvertretender Chefredakteur der „Zeit im Bild“ und als Landesdirektor des ORF Salzburg.

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