Porträt
„Ruhe macht mich nervös“
Ihre Stimmlage ist ein lyrischer Sopran, im Alltag als Rektorin ist sie tough und zielorientiert. Ulrike Sych leitet seit dem Jahr 2015 die Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien – und nimmt sich auch Zeit für Rotary.
Es gibt oft Menschen mit mehreren Berufen. Viele, weil sie müssen. Manche, weil sie wollen. Ulrike Sych hat mehrere, weil sie nicht anders kann. Sie ist Sängerin, Pädagogin, Rektorin. Wo ihr Herz mehr wohnt? Sie kann es nicht sagen. Bei ihr greift eines ins andere. Ursprünglich wollte sie Klavier und auch Jus studieren. Das tat sie dann nicht und hat heute doch auch oft Rechtsfragen zu lösen. „Ich wurde durch mein Leben geführt“, sagt sie. Von einem Großvater, der für die Enkelkinder Geschichten erfunden hat („Das war a Gaudi!“), von Eltern, die ihr die Musik ans Herz gelegt haben, von einer Professorin am Mozarteum, die ihr Talent zum Singen erkannt und sie zur Gesangsausbildung ermutigt hat.
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Fleißig und empathisch
Alles, was sie gelernt hat, kann sie heute brauchen. Als Musik- und Instrumentalpädagogin hatte Ulrike Sych Chöre und Ensembles zu leiten, hat zudem Geige, Flöte, Gitarre und Orgel gelernt. Als ausgebildete Sopranistin ging sie zur Vervollkommnung der Stimme nach Amerika und Italien. Der erste Lehrauftrag für Gesang an der Uni war am damaligen Institut für Dirigieren, Komposition und Tonmeisterausbildung. Heute muss sie auch Dirigenten, Komponistinnen, Tonmeister, Filmschaffende, große Sängerinnen und Regisseure orchestrieren.
Die 25 Institute der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (mdw) reichen von der Popularmusik bis zum Max-Reinhardt-Seminar. Wie man diese Breite unter einen Hut bringt? „Mit Fleiß und einem wunderbaren Team“, sagt sie und lacht. Der Job als Rektorin fordert sie 13 bis 14 Stunden täglich, im Lockdown waren es noch mehr. Daneben eine Gesangskarriere durchzuhalten war nicht möglich, aber wenn es sich ergibt, tritt sie immer noch auf. Gern sogar. Emotional könnte sie sofort wieder in die Bühnenkarriere wechseln, aber „ich bin sechzig“, sagt sie offen, „und ich trainiere ja nicht mehr ständig.“
Aber sie ist regelmäßig bei Rotary. Es kommt ihr entgegen, dass die Meetings ihres Clubs mittags sind. Abends hat sie fast täglich berufliche Termine. Rotary ist für sie eine große Familie. Was sie macht, macht sie ganz. Schon nach zwei Wochen war sie Jugenddienstbeauftragte, jetzt ist sie Zweite Vortragsmeisterin. Sie schafft das alles mit enormer Disziplin. „Ich bin sehr straight, aber ich kann umfallen, wenn mein Hund eine Spritze kriegt.“
Mit ebensolcher Empathie kämpft sie an ihrer Uni gegen Diskriminierung und sexuelle Belästigung. „Frauen müssen das nötige Selbstbewusstsein bekommen“, sagt sie und hat auch schon einen übergriffig gewordenen Solocellisten der Wiener Philharmoniker hinausgeworfen. „Das war ein Kraftakt“, gibt sie zu. Aber es war ein Zeichen. Genderbewusstsein geht für Sych in beide Richtungen. Sie hält nichts von Männerfeindlichkeit, erträgt „Krampffeminismus“ nicht und hofft doch, dass alle Frauen Emanzen sind. Nämlich, dass sie emanzipiert sein sollen. Auf Augenhöhe. Sych verlangt Respekt. In immer noch männerdominierten Bereichen, wie beim Dirigieren, bei Filmregie, Kameraleuten und beim Komponieren, ist sie für Frauenquoten. „Wenn auch dort die Frauen in die Sichtbarkeit kommen, dann verselbstständigt sich das und entspannt sich“, ist sie überzeugt. Aber nur Frau zu sein reiche nicht, das würde der Frauenpolitik nicht helfen, meint Sych.
Disziplin erforderlich
Bei allem geht es ihr um Qualität. Sie will die Besten als Lehrende, dann werden auch aus den Studierenden wieder die Besten. Große Persönlichkeiten an ihrer Uni unterrichten zu lassen ist ihr daher ein Anliegen, wie Burgtheater-Direktor Martin Kušej, Startenor Michael Schade oder Regisseurin Jessica Hausner. Sych verlangt auch von Stars Disziplin. Wer für eigene Projekte mehr als zwei Wochen weg ist, wird suppliert. Nur so kann die Uni wie ein Uhrwerk laufen. „Die wirklich großen Künstler und Künstlerinnen sind sehr pragmatisch, gut organisiert und sehr diszipliniert“, erklärt sie und schwärmt von der Zusammenarbeit mit Burgschauspielerin Maria Happel, der Leiterin des Reinhardt-Seminars.
Wahrscheinlich ist es dieser Mischung aus breitem Können, Engagement und quirliger Umtriebigkeit zu verdanken, dass sie vor zwei Jahren als mögliche Präsidentin der Salzburger Festspiele gehandelt wurde. Festspielpräsident(in) ist in Österreich nach dem Bundespräsidenten der zweitwichtigste Job. Jedenfalls der zweitschönste. Das Gerücht habe sie geehrt, sagt sie. Dennoch hat sich die leidenschaftliche Salzburgerin nicht beworben. „Es war fünf Jahre zu früh.“ Sie wollte ihre Vorhaben als Rektorin weiter umsetzen und wurde heuer als Rektorin bis 2027 wiederbestellt. Sollte die Frage dann wieder auftauchen, „könnte ich mir vorstellen, mich zu bewerben“.
Zur Person
Mag. Ulrike Sych (RC Wien), geboren am 13. März 1962 in Salzburg, studierte Musikpädagogik und Gesang am Mozarteum Salzburg. Die Sopranistin unterrichtet seit 1990 an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (mdw). 2011 wurde sie Vizerektorin, seit 2015 ist sie Rektorin.
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