Porträt
Mister Fairness
Er war einer der erfolgreichsten Sportler Österreichs und ist seit 53 Jahren Rotarier. Hubert Raudaschl, zweifacher Segelweltmeister und vielfacher Olympionike, feiert Ende August seinen 80. Geburtstag.
Der Mann sitzt auf der Terrasse vor seinem Haus und schaut hinunter ins Tal, auf den See. Auf „seinen“ See, den Wolfgangsee, dem er so vieles verdankt und den er heute noch so gerne mag. Er braucht den Blick aufs Wasser. Das war das Kriterium, nach dem er vor Jahrzehnten diesen Platz als Baugrund für sein Haus ausgesucht hat. Seit er in Pension ist, malt er, mit Acryl auf Hartfaserplatten, und fast immer sind es Landschaften mit Wasser, Küsten, Seen, Häfen. Kräftige Farben, fast wie Holzschnitte, streng nach Fotos, aber immer mit Wasser. Es lässt ihn nicht los. Warum auch? Wenn der Wind passt, geht er mit seiner Frau Gabi segeln. Begeistert, wie schon als Jugendlicher. Dann ist er wirklich in seinem Element, mitten in der Erfolgsgeschichte seines Lebens.
Steile Sportlerkarriere
Hubert Raudaschl war einer der erfolgreichsten Sportler, die Österreich je hatte. Ein Seriensieger auf seinen Booten. Noch immer sind ihm viele Details seiner Regatten im Gedächtnis, selbst die Namen und die Lebensgeschichten seiner Mitbewerber. Als Konkurrenten sah er sie nie, eher als Mitbewerber, Kollegen, Sportsfreunde. Auch bei kleinen Berührungen mit einem Konkurrenzboot hat er nicht gegen Proteste angekämpft. „Ich wollte eine schöne Zeit haben bei den Regatten und nicht abends im Wettkampfbüro einen Protest verhandeln“, lacht er. Diese Großzügigkeit hat ihm bei den Italienern den Spitznamen „Aristokrat“ eingebracht. Der er natürlich nicht war, der Sohn eines Bootsbauers.
Schon als Kind zeigte er sein Talent. Mit acht Jahren gab er einem Schweizer Ehepaar im Boot Anweisungen für eine Regatta. Mit 16 Jahren war er Vizestaatsmeister, mit 18, genau zu seinem Geburtstag, war er bei den Olympischen Spielen in Rom. Als Ersatzmann, noch ohne Einsatz, um dann vier Jahre später, in Tokio, als frischgebackener Weltmeister, seine erste Silbermedaille zu holen. Da war er schon mittendrin in einer beeindruckenden Sportlerkarriere.
Wenn Hubert Raudaschl heute von seinem Leben erzählt, leuchten die Augen, als wäre er gerade von irgendwo mit einer neuen Medaille heimgekommen. Aber diese Trophäen waren ihm nicht so wichtig. Heute lagern all die Pokale im Keller. Mehr bedeutet ihm das, was er vom Sport gelernt hat. „Die Fairness ist das Wichtigste, auch im täglichen Leben und im Beruf“, sagt er.
Segelmacherei als Familienbetrieb
Sein „Beruf“, das sind gleich mehrere, die er gelernt hat. Zunächst Bootsbauer im väterlichen Betrieb, dann Segelmacher in Steinhude bei Hannover. Von Deutschland aus wollte er zur See fahren, wurde Schiffszimmermann bei der Schlüssel-Reederei in Bremen und bald schon Unteroffizier. Aber die Fahrten nach Amerika und Kanada waren ihm zu langweilig, er wechselte zur Hapag-Lloyd. Die Südamerika-Reise durch den Panamakanal bis Südchile auf einem Stückgutschiff war ihm mit den langen Liegezeiten in den Häfen wie ein Urlaub. Da galt es, das Wissen aus dem Schiffsbau in das eigene Unternehmen einzubringen. Großes Vorbild war der Däne Paul Elvstrøm, der erfolgreichste Segler aller Zeiten, der ebenfalls Segelerzeuger und Bootsbauer war. Nach und nach wurde das väterliche Unternehmen ausgebaut und vergrößert. Heute ist die Firma, die inzwischen Sohn Florian führt, eine weltweit erfolgreiche Segelmacherei, als Familienbetrieb seit 1998 Teil der Doyle-Gruppe aus Neuseeland, der zweitgrößten SegelmacherGruppe der Welt, über die Marketing und Know-how ausgetauscht werden.
„Geben ist wichtiger als Nehmen“
Hubert Raudaschl hat seine ersten Segel auf der Nähmaschine seiner Mutter im Schlafzimmer genäht. Geschnitten hat er sie auf dem großen Holzboden im Musikpavillon von St. Wolfgang. Im Morgengrauen, damit die Touristen davon nichts mitbekamen. Mit so einem Segel wurde er dann Weltmeister, auf einem Finn-Boot, das er sich ebenfalls selbst auf sein Körpergewicht speziell zurechtgebaut hatte. Bei Lions sollte er dann über seine Weltmeister-Regatta einen Vortrag halten. Da erkundigte er sich bei einem Freund, wie es in so einem Club zugeht. Der war zufällig Rotarier – und holte ihn zu Rotary. So ist Hubert Raudaschl heute seit 53 Jahren Rotarier. Und immer noch aktiv. Viele Funktionen hatte er inne, nur nicht Präsident, weil er immer unterwegs war. „Ich wollte kein lausiger Präsident sein“, sagt er heute. Aber er lässt kaum ein Meeting aus. Was ihm Rotary bedeutet? „Geben ist wichtiger als Nehmen“, sagt er und ist direkt gerührt dabei. Mehr gerührt sogar als bei all den Episoden, die er von seinen unzähligen Reisen und Regatten zu berichten weiß.
Zur Person
Hubert Raudaschl (RC Bad Ischl), geboren am 26. August 1942, Bootsbauer und Segelmacher, Geschäftsführer von Raudaschl Nautic i. R. Zehnfacher Olympiateilnehmer, zwei Silbermedaillen (1968, 1980), 2 x Weltmeister (1964, 1978), 5 x Europameister, 22 x Österreichischer Staatsmeister.
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