https://rotary.de/kultur/in-hoechsten-toenen-a-20197.html
Porträt

In höchsten Tönen

Porträt - In höchsten Tönen
Alois Mühlbacher: „Countertenor erlebt derzeit einen Boom. Meine Stimme wäre vor zehn Jahren noch ein Phänomen gewesen, heute gibt es schon viele junge Countertenöre“ © Alexander Eder

Er war mit 22 der jüngste Rotarier Österreichs. Doch Sonderrollen waren ihm da bereits längst vertraut. Schon als Kind war er herausragender Solist, heute ist Alois Mühlbacher als Countertenor international gefragt.

Hubert Nowak01.06.2022

Eine Stimme wie schmelzende weiße Schokolade mit Lavendel. Ein jugendlich-spitzbübisches Gesicht mit flottem Haarschnitt. Leicht kann man sich vorstellen, dass dieser Blondschopf als freches Kind, als einer der drei Knaben in der Zauberflötezu bezaubern vermochte, wenn er in hellem Knabensopran Tamino vor dem Tempel der Weisheit zu Standhaftigkeit und Verschwiegenheit ermahnte.

Von Hinterstoder in die weite Welt

Im Kaffeehaus stecken jetzt die wachen blauen Augen hinter großen Brillengläsern, freilich nur wenn er nicht auf der Bühne steht. Heute erzählt er in sonorem Klang, dass er eben in Los Angeles die Matthäus-Passion gesungen hat. Dass es im Sommer diverse Konzertauftritte gibt, in Wien, Salzburg, Passau, einen Ausflug in ein Musical in Linz und dann eine Tournee nach Mexiko. So ist das Leben eines Solisten. Das Reisen macht ihm Spaß. „Ich freue mich auf jeden Flug“, sagt Alois Mühlbacher, „ich brauche das. Ein paar Tage zu Hause sind schön, aber dann wieder Koffer packen ist auch schön.“

Zu Hause, das ist Hinterstoder in Oberösterreich, keine 1000 Einwohner groß. Um von dort zur großen Musikwelt zu kommen, musste er als Kind ins Internat, zu den St. Florianer Sängerknaben. Bald wurde die ungewöhnlich reife Knabenstimme erkannt und geformt. Schon damals wurde er als Solist gefeiert, ein Kind noch und schon namentlich genannt auf Tourneen in aller Welt und auf den Schallplatten. Heimweh hatte er, aber der Wunsch, die Musik als Ausdrucksmittel des Lebens zu behalten, stand bald fest. Davor hatte er Pfarrer werden wollen, fasziniert davon, dass dem immer alle zuhören. Jetzt hören alle ihm zu, auch wenn er kein Pfarrer ist. Und staunen über diesen Tonumfang und diesen Schmelz. Der Stimmbruch kam erst mit 16. Ungewöhnlich spät. Da hatte er Angst, alles zu verlieren, sein schon hohes Können, sich künstlerisch auszudrücken. Aber die Stimme rutschte nur ein wenig, veränderte sich klanglich und blieb doch als Kopfstimme in der Höhe erhalten. „Dass ich mir diesen Ausdruck festigen konnte, war eine unglaubliche Erleichterung“, erzählt er. Er wüsste sich heute gar nichts anderes als das Singen.

Idol der St. Florianer Sängerknaben

Schon mit 15 stand er regelmäßig in der Wiener Staatsoper auf der Bühne, sang neben Diana Damrau, nahm sich Größen wie Edita Gruberová zum Vorbild. Heute ist er ein Idol für die St. Florianer Sängerknaben, die ihn immer noch als Solisten für große Auftritte und Tourneen buchen. Bei den Reisen mit dem Chor hatte er erstmals Kontakt mit Rotary. Der künstlerische Leiter des Chores, Prof. Franz Farnberger, ist Rotarier (RC Enns), und bei Reisen waren die Buben oft bei Rotariern untergebracht. Als er nach einem Vortrag beim RC Kirchdorf über sein Singen als Aspirant eingeladen wurde, zögerte er, hielt sich für zu jung – und sagte doch zu. Heute schätzt er Rotary für die Breite an Erfahrungen und Wissen. „Aber“, so meint er, „das im besten Sinne konservative Bild des Erfolges bei Rotary muss sich öffnen zu neuen Berufsbildern, zu Start-ups etwa, die auch Erfolge aufweisen und neue Farben einbringen.“

Vielfältige Einsatzmöglichkeiten

Erfolg zu haben ist für Alois Mühlbacher sowieso tägliche Herausforderung. Immer noch studiert er, formt seine Stimme bei Uta Schwabe in Wien und bei Kai Wessel, einem Countertenor in Köln. „Falsett ist Trainingssache“, sagt er, aber im Unterricht übe er auch rund 20 Prozent der Zeit in seiner normalen tiefen Stimme. „Eigentlich bin ich ein Bass, wie das die meisten Soprane werden.“ So hat er einen Stimmumfang vom Sarastro bis zur Königin der Nacht. Bei seinen Liederabenden setzt er das auch immer wieder ein, zum großen Staunen des Publikums. „Im Counter-Repertoire geht es auch weniger um die ganz hohen Spitzentöne, sondern um eine runde, ausgewogene Klangfarbe.“ Wenn ein Spitzentenor wie Piotr Beczała sich auf jedes hohe C freut, fühlt er das auch so. „Ich trainiere auch bis zum C, auch wenn ich auf der Bühne nur bis zum A oder B gehe. Aber eine Oktave höher als Beczała“, lacht er.

Die Einsatzmöglichkeiten für diese Stimmlage werden immer größer. Bis zum Barock wurde noch für Kastraten komponiert, bei Bach war der Countertenor bald üblich, nur bei der romantischen Opern- und Liedliteratur wurde für diese Stimmlage kaum etwas komponiert. „Aber heute kann ein Countertenor alles singen“, sagt Mühlbacher und beweist das bei vielen Auftritten und auch mit seiner jüngsten CD mit Mahler und Strauss. Mittlerweile werden sogar für ihn selbst eigens Stücke komponiert. Klar, dass der junge Rotarier in höchsten Tönen vom Glück der Musik kündet.


Zur Person

Alois Mühlbacher (RC Kirchdorf a. d. Krems), geb. 1995, Solist der St. Florianer Sängerknaben, mit 15 Jahren Debüt an der Wiener Staatsoper. Countertenor bei internationalen Opernproduktionen und Konzerten sowie mit Klavierpartner Franz Farnberger in zahlreichen Liederabenden.

aloismuehlbacher.at


Empfehlenswert

 

CD-Tipp:Urlicht, erschienen im Mai 2022 bei Ars Production.

Konzert-Tipp: Alois Mühlbacher & Spring String Quartet,
Hausmusik Roas 2022, 11. Juni, 19.30 Uhr, Stadtpfarrkirche St. Nikolaus, Bad Ischl

Hubert Nowak
Dr. Hubert Nowak, RC Perchtoldsdorf, ist Buchautor und Medienberater. Er war 40 Jahre lang als Journalist und Manager in verschiedenen Funktionen im ORF tätig, darunter als Moderator und stellvertretender Chefredakteur der „Zeit im Bild“ und als Landesdirektor des ORF Salzburg.

© Interfoto