Editorial
75 Jahre Israel
Der lange Weg der Aussöhnung
Die Gründung ihres Staates Israel am 14. Mai 1948 ist nicht nur für die Juden selbst ein zentrales Ereignis in der langen Geschichte ihrer Diaspora; es ist selbstverständlich auch ein Schlüsseldatum für die deutsche Geschichte. Denn die Staatsgründung Israels war die Antwort auf den Holocaust mit der systematischen Verfolgung und Ermordung von sechs Millionen europäischen Juden. In diesem Bewusstsein haben wir uns dem Thema genähert und sind stolz, hervorragende Autorinnen und Autoren für die Titelgeschichte dieser Ausgabe gewonnen zu haben.
Ein besonders berührendes Thema ist die Wiederannäherung Israels und Deutschlands nach den furchtbaren Erfahrungen des Holocaust. Zum Auftakt unserer Titelstrecke zum Jubiläum „75 Jahre Israel“ beschreibt der renommierte Historiker Michael Brenner den langen Weg zur Aussöhnung, der noch immer nicht zu Ende ist. Brenner schreibt von Ablehnung, Wiedergutmachung und dem legendären Handschlag zwischen David Ben-Gurion und Konrad Adenauer. Keine 15 Jahre nach dem Ende des Krieges reichten sich Vertreter der Opfer und der Täter die Hände – und es war mehr als eine politische Geste. Dass dieser Schritt für beide Seiten kein einfacher war und gegen erhebliche Widerstände aufseiten der Opfer geschah, daran erinnert Brenner in seinem Gastbeitrag.
Das vielleicht eindrucksvollste Beispiel dafür, dass man – ohne die Tatsachen zu vergessen oder zu leugnen – miteinander reden kann, ist Avi Primor. Um 1993 israelischer Botschafter in Deutschland werden zu können, war es „höchste Zeit, endlich diesen Deutschlandkomplex in meiner Seele zu überwinden“. Seine Erinnerungen – und einige heitere Anekdoten – lesen Sie in seinem Beitrag.
Als großer Vordenker des Judenstaats gilt Theodor Herzl, der Initiator und erste Präsident der 1897 in Basel gegründeten Zionistischen Weltorganisation. Im Jahr zuvor bekannte er öffentlich: „Wenn es den Juden unmöglich gemacht wird, sich innerhalb anderer Nationen zu verwirklichen, so müssen sie die Errichtung eines eigenen Nationalstaats anstreben.“ Über die uralte Sehnsucht nach der jüdischen Heimat schreibt der angesehene Harvard-Historiker und Herzl-Biograf Derek Penslar.
Unter den vielen eindrucksvollen Artikeln dieser Ausgabe, die nicht nur die Vergangenheit Israels, sondern auch die Gegenwart und Zukunft ansprechen, verdient der Beitrag von Fania Oz-Salzberger besondere Erwähnung. In Haifa führt sie die Massenproteste gegen die geplante Justizreform von Premier Netanjahu mit an. Folgerichtig ist ihr Artikel kein analytisches Stück, sondern ein ganz persönliches Glaubensbekenntnis.
Freuen Sie sich außerdem auf die Beiträge von Richard C. Schneider, Micha Brumlik, Michael Jeismann, Shelly Kupferberg, die Gastrokolumne von Peter Peter zur israelischen Küche und auf die Rezension Johann Michael Möllers zum Buch von Mathias Berek über den jüdischen Völkerpsychologen Moritz Lazarus und dessen frühes Bekenntnis zu einer offenen deutschen Gesellschaft.
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Viel Vergnügen bei der Lektüre wünscht
Björn Lange
Chefredakteur
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