Editorial
Ein Stück Heimat
Phänomen Kiosk, Spätis, Trinkhallen und Würstelstände
„Et es e Jeföhl“, sagt der Kölner, wenn man ihn fragt, was Köln so besonders macht. Es ist ein Gefühl – der Dom, der FC und die Büdchen. Köln ist die Kiosk-Hauptstadt Deutschlands mit rund 1000 dieser kleinen, manchmal prächtigen, oft unscheinbaren Verkaufseinheiten, die wie selbstverständlich zum Stadtbild der Rhein-Metropole gehören. In Berlin sind es die Spätis, in Frankfurt die Wasserhäuschen, in Wien die Würstelstände, im Ruhrgebiet die Trinkhallen. In der Titelgeschichte dieser Ausgabe nähern wir uns einem Phänomen, das außerhalb der genannten Kiosk-Hotspots kaum zu greifen, tatsächlich aber untrennbar mit dem kulturellen Stadtraum und ihren Bewohnern verwoben ist. Der Wiener Philosoph und Publizist Robert Pfaller betrachtet den Kiosk-Besuch als „kleines Adieu an die Tristesse“. Zum Auftakt unserer Titelgeschichte beschreibt er, warum wir hübsche, alte Kioske heute als Erinnerungen an das Versprechen eines uns schon weitgehend fremd gewordenen Glücks wahrnehmen.
„Hömma, komma anne Bude!“, ruft Hennes Bender. Im Ruhrgebiet, schreibt der Comedian, sei die Bude kultureller Dreh- und Angelpunkt, systemrelevant und feiernswert. Tatsächlich zählt die Trinkhallenkultur seit 2020 offiziell zum immateriellen Kulturerbe Nordrhein-Westfalens. Dort sind die kleinen Kioske eben nicht nur Anlaufstationen für Durchreisende oder Stammgäste, sondern für viele ein Stück Heimat. Dass es sich dabei um Orte mit hoher sozialer Bindekraft handelt, „mit geradezu pointiert sozialer Ankerqualität“, schreibt Stadtforscher Jürgen Hasse.
Können Sie sich Martin Mosebach am Kiosk vorstellen? Der Bestsellerautor, der bei öffentlichen Auftritten ungern aufs Einstecktuch verzichtet, ist der Aufforderung zum „Elendstrinken“ des Schriftstellers Eckhard Henscheid gefolgt. Er erinnert sich an feuchtfröhliche Abende vor tristen Frankfurter Wasserhäuschen, an denen gegrölt wurde, bis die Polizei kam.
Seit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine die sicherheitspolitische Lage auf dem Kontinent grundlegend verändert hat, müssen die neutralen Staaten Europas die Frage, ob ihre Neutralität noch zeitgemäß, ja überhaupt möglich ist, neu für sich beantworten. Finnland hat eine Antwort gefunden, in der Schweiz und in Österreich laufen heftige Debatten. „Die Neutralität ist schlicht eine Illusion, ein Betrug und ein Selbstbetrug“, sagt der Schweizer Publizist Roger de Weck. Das Gespräch über die „helvetische Orientierungslosigkeit“ lesen Sie ab Seite 48. Und Österreich? „Neutralität ist kein Schutz“, schreibt Altkanzler Wolfgang Schüssel in einem exklusiven Gastbeitrag. Österreich dürfe sich in seiner Sicherheitspolitik nicht länger auf die umliegenden Nato-Staaten verlassen.
Michael Schmidt-Ott ist verrückt. Verrückt nach Kunst. Er kennt den internationalen Kunstmarkt, kennt die Künstler, und die Künstler kennen ihn. Schon so manche Auktion hat er für Rotary auf die Beine gestellt, aber noch nie eine von diesem Ausmaß: Am Donnerstag, 5. Oktober, kommen bei Sotheby’s im Palais Oppenheim in Köln 208 Kunstwerke von 200 Künstlern aus 53 Nationen unter den Hammer. Seit fast zwei Jahren laufen die Vorbereitungen. 99 Ateliers in 13 europäischen Ländern hat Schmidt-Ott (RC Wien-West) dafür bislang besucht und dabei 18.500 Kilometer zurückgelegt. Darüber hinaus organisierte er Werke von Ghana bis nach Australien, von China bis nach Venezuela. Der Erlös geht an Desideria Care e. V., einen 2017 in München gegründeten Verein, der die Angehörigen von Demenzkranken unterstützt.
Viel Vergnügen bei der Lektüre wünscht
Björn Lange
Chefredakteur
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