Rotary Historisch
Freunde kassierten Geld für neu geworbene Mitglieder
Mitglieder für die Clubs zu gewinnen ist kein neues Problem, sondern ein ganz altes: In Rotarys Kindertagen erhielten erfolgreiche Werber sogar Provision.
Im kommenden Jahr feiern wir den 100. Geburtstag der Rotary Foundation und damit eine große humanitäre Leistung: Viele Millionen Euro haben Rotarier in diesen 100 Jahren für zahllose Hilfsprojekte gespendet, der Kampf gegen die Kinderlähmung ist nur das bekannteste. Zur historischen Wahrheit über Rotary gehört aber auch, dass Geld zu bestimmten Zeiten in ganz andere Richtungen geflossen ist, zum Beispiel in die Taschen von Rotariern. Und das mit offizieller Billigung.
Fred A. Carvin (RC Glens Falls, USA), Autor der Biografie „Paul Harris and the Birth of Rotary“ (2011), hat jetzt auf der Website der Rotary Global History Fellowship (rghf.org) unter dem Titel „Interesting Early Rotary Approaches to Membership“ eine Episode aus der Frühzeit der Organisation recherchiert, als Rotary noch ganz anders war, als wir es heute kennen. Kein Service-, sondern ein Businessclub, in dem die Mitglieder auch ihren Geschäften nachgehen konnten und sollten. Offensichtlich war dieses Konzept aber nur schwer zu vermitteln, denn verschiedene Clubs mussten zur Anwerbung neuer Mitglieder Provisionen ausloben. Zum Beispiel in New York, wo der Club 1916 mit ausdrücklicher Billigung von Paul Harris einen bezahlten Akquisiteur einsetzte.
Erstmals war dieses „Clubamt“ bei der Gründung des RC Los Angeles (1909) aufgetaucht, als Herbert C. Quick Kandidaten damit lockte, dass sie bei Rotary Hunderte neuer Geschäftskontakte finden würden. Von jedem Mitglied, das dem Club daraufhin beitrat, erhielt Quick einen Teil der Aufnahmegebühr. Wie Carvin schreibt, nützte das beiden: Der Club wuchs schnell und Quick wurde wohlhabend.
Wachsender Widerstand
Der irische Rechtsanwalt William Stuart Morrow war Rotarier im RC San Francisco und fand Gefallen an dem Quick-Modell. Er zog 1911 zurück nach Irland, gründete ohne Kenntnis der Rotary-Führung den RC Dublin – und kassierte für jedes Mitglied. Als der Club gedieh, ging Morrow nach Belfast, anschließend nach Glasgow, Edinburgh, Liverpool und Birmingham. Überall entstanden schnell wachsende Clubs. Erst als Paul Harris daranging, seine Idee nach Europa zu bringen, stellten er und seine Emissäre fest, dass Rotary sich dort bereits prächtig entwickelte.
Morrow kehrte Anfang der 1920er Jahre in die USA zurück, konnte aber bei Rotary keine Geschäfte mehr machen. Er wandte sich deshalb den Frauen zu und wurde zum Gründer der Soroptimisten.
Mit einem wachsenden Widerstand
bei Rotary verschwand das Provisionsgeschäft. „Es erscheint uns heute so weit entfernt wie die Postkutsche“, sagt Carvin, „aber es war einmal akzeptierte Praxis, die Paul Harris anerkannte und bisweilen förderte.“
www.facebook.com/RotaryGlobalHistoryFellowship
Matthias Schütt ist selbständiger Journalist und Lektor. Von 1994 bis 2008 war er Mitglied der Redaktion des Rotary Magazins, die letzten sieben Jahre als verantwortlicher Redakteur. Seither ist er rotarischer Korrespondent des Rotary Magazins und seit 2006 außerdem Distriktberichterstatter für den Distrikt 1940.
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