Editorial
Grobes Foul
Kaum Vorfreude auf die Fußball-EM zu spüren
Wenige Wochen vor Beginn einer Fußball-Europameisterschaft ist die Stimmungslage in Deutschland und Österreich eigentlich eine andere. Von einer Vorfreude auf das erste sportliche Großereignis des Sommers – die Olympischen Spiele folgen Ende Juli – ist wenig zu spüren. Keine Euphorie, keine Aufbruchsstimmung. Gründe gibt es viele: Die Coronapandemie wird aller Voraussicht nach ein gemeinsames Schauen der EM-Spiele vor und in den Kneipen nahezu unmöglich machen. Und selbst wenn das „Rudelgucken“ möglich wäre, kann es kaum ein Sommermärchen werden. Denn aus der Existenzkrise des Amateur- und Breitensports ist längst eine Existenzkrise des Profisports geworden – zuletzt zu verfolgen beim Deutschen Fußball-Bund (DFB). Die wahren Verlierer des unsäglichen Machtgerangels im größten Sportverband der Welt sind nicht Fritz Keller, Friedrich Curtius oder Stephan Osnabrügge, sondern die sieben Millionen Mitglieder an der Basis. Warum Keller scheitern musste und wie der DFB Vertrauen zurückgewinnt, lesen Sie in Michael Horenis Beitrag.
Mit verlorenem Vertrauen und dem Bruch zwischen der Basis und der Spitze beschäftigt sich auch Friedhard Teuffel, Direktor des Landessportbunds Berlin. Schulsport, Breitensport, Jugend- und Vereinssport mussten monatelang pausieren. Und während gerade Kinder wegen der verordneten Sportabstinenz zunehmend mit physischen und psychischen Problemen zu kämpfen hatten (und haben), ging der Profisport einfach weiter. „Davon wird sich die Basis des Sports nicht so schnell erholen. Zu viel ist verloren gegangen, Vertrauen vor allem und auch ein guter Teil des Selbstbilds. So oft, so blumig und salbungsvoll war der Sport mit seinen Leistungen beschworen worden, bei Empfängen und Ehrungen, in politischen Reden: als sozialer Kitt, als Integrationsmeister. Dass er die Kinder von der Straße hole und die beste Medizin sei. Dann kam es zum Schwur – und zur großen Enttäuschung.“
Wenn man in diesen Tagen den Profifußball mit der Sinnfrage konfrontiert, kommt man um das Thema der Kommerzialisierung nicht herum. Auch wenn die „European Super League“ (ESL) vorerst vom Tisch ist, ist das Rad der Kommerzialisierung vor allem in England längst überdreht: „Immer höhere Ticketpreise haben für eine Gentrifizierung der Tribünen gesorgt, immer absurdere Anstoßzeiten, zugeschnitten auf Asiens TV-Markt, für blankes Entsetzen – zumal ein Großteil der Mehreinnahmen nicht in die Klubkassen fließt, sondern in jene der Eigentümer.“ Der Sportjournalist Rolf Heßbrügge schaut in seinem Artikel auch kritisch auf Österreich und Deutschland, bezeichnet die Auslöschung des Traditionsklubs Austria Salzburg zugunsten von Red Bull Salzburg als Tabubruch und fragt, wie sich das Gebaren von RB Salzburg und RB Leipzig mit den Fairplay-Statuten der Uefa vereinbaren lässt. Sein Artikel eröffnet unsere Titelstrecke und leitet hin auf die zunehmende und überall spürbare Entfremdung zwischen Basis und Spitzensport.
Um eine breite Unterstützung der Basis brauchte sich RI-Präsident Holger Knaack während des vergangenen Jahres nicht zu sorgen. Der Vollblut-Rotarier tat alles dafür, um „24/7 durch alle Zeitzonen“ greifbar und erlebbar zu sein. Frühmorgens nahm er an Videokonferenzen mit Australien und Asien teil, war mittags in Europa unterwegs und abends virtuell in Nord- und Südamerika zu Gast. Rund 2000 Meetings kamen auf diese Weise zusammen. Bevor sein Amtsjahr mit der virtuellen RI Convention (12.–16. Juni) seinen Höhepunkt erreicht und kurz darauf endet, zog Knaack im Interview mit Frauke Eichenauer Bilanz. Unseren Fokus zum Abschied von Holger Knaack ergänzen Gedanken zur Völkerverständigung als Basis für Frieden sowie ein Blick auf die Convention.
Viel Vergnügen bei der Lektüre wünscht
Björn Lange
Chefredakteur
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