Rotary aktuell
Mit Herz, Hirn und Hand in Afrika
Wenn Freundschaften geschlossen und gemeinsame Ziele gesetzt werden, können wir die Lebensbedingungen von Menschen nachhaltig verbessern
Der Länderausschuss aus Österreich, Uganda und Tansania, der heuer von den Distrikten 1910, 1920 und 9211 signiert wird, setzt ein Signal für die künftige Zusammenarbeit. Als Ismail Sadek (D 1910) und ich (D 1920) im März 2016 unsere Zusammenarbeit und den Fokus auf Afrika beschlossen hatten, wussten wir nicht, dass in unserem Governorjahr Samuel Frobisher Owori – als zweiter Afrikaner – zum RI-Präsidenten nominiert werden sollte.
Die Begegnung mit ihm ein Jahr später hat uns auf Uganda und Tansania gelenkt. Drei intensive Tage der Begegnung mit Sam in Arusha haben sich nachhaltig in unsere Herzen eingeprägt. Sein überraschender Tod im Juli 2017 hat tiefen Schmerz, aber auch den Auftrag hinterlassen, an seinen Visionen von einer besseren Zukunft für die Menschen in Afrika weiterzuarbeiten. Seither hat sich zwischen uns und unserer Amtskollegin Sharmila Bhatt (D 9211) und anderen eine tiefe Freundschaft mit gemeinsamen Plänen entwickelt.
Nicht reden, sondern tun
Das Bemühen der Rotary Clubs und ihr Engagement zur Verbesserung ihres Landes durfte ich bei der ersten ostafrikanischen Projektmesse im Februar 2018 kennenlernen: vom Aufbau und der Verbesserung der medizinischen Versorgung, im Kampf gegen Seuchen, Malaria und HIV, beim lebenswichtigen Zugang zu reinem Wasser bis zur Ausstattung mit Sanitäranlagen und der Hygieneaufklärung.
Zu Projekten für praktische Ausbildung kamen solche für neue Arbeitsplätze, Hilfe für Frauen und Mädchen nach sexuellen Übergriffen (mit Schwangerschaften und HIV-Infektion) und zur Familienplanung. Eine Mission Green will dem Klimawandel gegensteuern und die Landwirtschaft beleben.
Populistische Zahlenpolitik Europas
Eine Herausforderung für Ostafrika sind die Flüchtlinge aus der Republik Kongo und dem Südsudan: Kenia nimmt 486.000, das ärmste Land Tschad nimmt 450.000 Asylsuchende auf. Uganda ist wichtigstes Aufnahmeland für 1,5 Millionen geflohener Menschen. Es sind Zahlen, nicht Menschen und Schicksale, von denen die Politiker Europas reden.
Wiewohl unmöglich, hält sich die Fiktion des Schutzes der Außengrenzen. Die Abschiebepraxis selbst gut integrierter junger Menschen und Familien, oft für sie in Tod oder Gefangenschaft, will die europäische Gesellschaft schützen. Abgewehrt werden sollen Flüchtende durch Lager und „Anlandeplattformen“. Als blanker Bruch des internationalen Flüchtlingsrechtes soll Asylbewerbung auf europäischem Territorium verunmöglicht werden.
Mit Masterplänen wird beruhigt, mit fiktiven Zahlen einer Bedrohung werden Ängste geschürt. Die „Bekämpfung“ der Fluchtursachen wird angepriesen – aber wie man Bürgerkriege, ethnische Konflikte, Klimakatastrophen und Hungersnot bekämpfen will, bleibt unklar. Menschen stehen demgegenüber im Zentrum für Christos Stylianies, EU-Kommissar der EU-Generaldirektion Humanitäre Hilfe und Krisenmanagement der Europäischen Union (ECHO).
Er wird den Aufnahmeländern für die Geflüchteten 38 Millionen Euro bereitstellen – nicht an Regierungen, sondern über humanitäre Einrichtungen und NGOs. Die Resilienz der Geflüchteten soll gestärkt werden. Kenia wird 11,5 Millionen Euro und Uganda 24 Millionen erhalten.
Für Uganda sind Flüchtlinge keine Plage, sondern einfach Menschen
Uganda hat für die Hilfesuchenden nicht Lager, sondern offene Siedlungen (Settlements) geschaffen, in denen sich jeder frei im Land bewegen kann (zur Siedlung Nakivale siehe S. 22). Seit März 2018 werden alle Zugezogenen registriert, erhalten Ausweise, die ihnen Hilfen ermöglichen. Jedem wird Neuland zur Verfügung gestellt. Sie erhalten Basismaterialien, um ein kleines Haus zu errichten, können auf ihrem Landstück Gemüse anbauen und Handel betreiben.
Die Kinder gehen zur Schule, die Erwachsenen gehen zwei Tage in der Woche einer Arbeit nach und fördern die Wirtschaftsentwicklung des Landes. Sie sind Teil des Landes und zum Gewinn geworden. Dennoch sind bei Mittelknappheit die Menschen in und außerhalb der Siedlungen auf UN-Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Durch den fortgesetzten Zustrom von Flüchtlingen gerät das verfügbare Land unter Druck, weil es schrumpft. Zunehmend mehr sind Dienstleistungen aller Art überfordert, was die Schulen und leider die Drop-out-Rate betrifft. Mit der Jugendarbeitslosigkeit steigt das Aggressionspotenzial und die Kriminalität, besonders im Norden und Osten Ugandas.
Unser Ziel
In Partnerschaften zwischen den Clubs in Uganda und Tansania und in Österreich sollen gemeinsam in größeren Arealen gezielte und übergreifende Projekte durchgeführt werden: Aufklärung der Frauen über Familienplanung, Errichtung von Gesundheitseinrichtungen für Gebärende und Beeinträchtigte, Errichtung von Wassertanks und Sanitäreinrichtungen, Solarenergie, Ausbildung für Landwirtschaft und praktische Berufe nach und anstelle abgebrochener Schulbildung, Schaffen von Arbeitsplätzen.
Eine wichtige Zielgruppe sind die jungen Mädchen, um sie an den Schulen zu halten und resistent gegen männliche Übergriffe zu machen. Dies soll gezielt Hilfe leisten – gemeinsam auf Augenhöhe mit den Clubfreunden in der Region. Gefragt bei einem der ersten Clubbesuche, weshalb wir als Distrikt noch kein solches Areal gesucht haben, nahm ich es als Auftrag an. Ob die Menschen in und außerhalb der Settlements eine Bedrohung für Europa sind?
Dazu eine Flüchtlingsfrau: „We just want to go home. Not to Europe. Not to America. Why should we go there to wash dirty plates when there is so much land for farming?“ Der Länderausschuss setzt ein Signal – vielleicht können wir im Sam Owori Rotary Vijana Poa Village beginnen. Ich nehme das „adopt a village“ als Auftrag für die nächste Zeit – und sicher über „mein“ Jahr hinaus.
Sie ist Herausgeberin der Reihe "Marie Jahoda sozialwissenschaftliche Studien" im Peter Lang-Verlag.
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