Neues aus dem RC Bröckedde - Folge 121
Slow Food
Bröckedde liegt im Herzen Deutschlands – dort, wo Rhein und Donau in den schönen Bröckeddesee münden. Hier trifft sich im Bröckedder Hof der RC Bröckedde zum Meeting – jeden Mittwoch um 13 Uhr im Salon Hindenburg.
Präsident Pröpke blickte nervös auf seine Uhr. Der Vortrag hätte längst beginnen müssen, doch Freundin Schnapphals-Schneckenberger und Freund Dr. Rumplmayr waren immer noch am Essen. Beide gehörten zu den Langsamessern. Das war im Grundsatz zwar löblich, brachte aber jeden Zeitplan zum Einsturz. Die meisten Freunde legten Wert auf ein straffes Meeting und ein pünktliches Ende. Galt es doch, danach umgehend wieder Deutschland in Gang zu halten.
Der Gast des Meetings war ein Schönheitschirurg, der über „Facelift für Männer – das Gebot der Stunde“ berichtete. Der Salon Hindenburg war überfüllt, die Zeit schritt voran, doch Schnapphals-Schneckenberger und Dr. Rumplmayr saßen weiter über ihren Tellern. Entnervt gab Pröpke dem Referenten das Startzeichen. Kaum hatte der sich warmgeredet, fiel Schnapphals-Schneckenberger klirrend die Gabel aus der Hand. Der Referent blickte verstört, doch er fing sich. Aber drei Minuten später forderte Dr. Rumplmayr lauthals vom Ober: „Bitte mehr Salz!“ Ab dann fand der Redner nicht mehr in die Spur.
Dr. Rumplmayr war eigentlich kein klassischer Langsamesser, aber er plauderte gerne, vor allem während der Mahlzeiten. Hauptthema waren seine Spanienurlaube. Beim nächsten Meeting wurde Dr. Rumplmayr allein an einen separaten Tisch gesetzt, in der Hoffnung, mangels Zuhörer würde er schneller essen. Die Hoffnung trog, denn Dr. Rumplmayr verfiel in ein ausgedehntes Selbstgespräch.
Schwieriger noch war es mit Freundin Schnapphals-Schneckenberger. Sie war bekennende Slow-Food-Aktivistin und zudem eine sensible Ästhetin. Pröpke setzte sich extra neben sie, um die Nahrungsaufnahme etwas zu beschleunigen. Er kam nicht umhin, sie zu bewundern. Wie sie chirurgisch-präzise eine Cocktailtomate in acht Scheibchen schnitt. Wie sie den gemischten Salat neu nach Farben sortierte. Wie sie den Reis sorgsam zu gleich großen Pyramiden häufelte. Wegen des vor ihr liegenden Kalbsschnitzels vergoss sie drei Tränen in Erinnerung an das Kälbchen, das dafür sein Leben lassen musste.
Da war das Meeting wieder mal fast zu Ende. Es half nichts, ab dem nächsten Meeting wurden die Slow Foodisten in einen Nebensalon verbannt. Und wenn sie nicht gestorben sind, sitzen sie dort noch heute. Dr. Rumplmayr erzählt von Spanien und Schnapphals-Schneckenberger weint wegen des Kälbchens.
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