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Task Force Ukrainehilfe

"Wir müssen in der Zeitenwende ankommen"

Task Force Ukrainehilfe - "Wir müssen in der Zeitenwende ankommen"
Zwei starke Referenten: Christian Freuding, Generalmajor bei der Bundeswehr und Leiter des Planungs- und Führungsstabs im Bundesverteidigungsministerium (links) und Andriy Garbuza, Leiter des Sekretariats „Plattform Wiederaufbau Ukraine“ beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (rechts). Eingeladen hatte sie Armin Staigis (Mitte). © Florian Quanz

Die Task Force Ukrainehilfe traf sich zu einer Tagung in Kassel und plante das weitere Engagement.

Florian Quanz02.02.2025

Wer Armin Staigis kennt, weiß, er ist ein Mann klarer Worte. So war dies auch auf der Tagung der Task Force Ukrainehilfe, die in Kassel stattfand. „Die Welt hat sich dramatisch verändert. Wir müssen in der Zeitenwende ankommen.“ Diese Worte bezog der Gesamtkoordinator der Task Force nicht nur auf die Gesellschaft in Deutschland allgemein, sondern im Speziellen auch auf Rotary. Die Mitglieder der Ukrainehilfe wollten auf ihrer zweitägigen Tagung in Kassel nicht nur auf das Geleistete zurückblicken, was mehr als beeindruckend ist, sondern viel mehr den Blick nach vorne richten. Unterstützung für seine Äußerung erhielt Staigis von Udo Noack, der Koordinator für die Flüchtlingshilfe in den Nachbarländern der Ukraine ist. „Wir können uns nicht vor gesellschaftspolitischen Themen drücken“, erklärte Noack und erntete viel Zustimmung in der Runde. 24 rotarische Freundinnen und Freunde zuzüglich Gäste hatten sich zum Treffen eingefunden.

Nach Grußworten von Uwe Honschopp, Co-Vorsitzender im Deutschen Governorrat, und Hans-Christoph Atzpodien, Vorsitzender des Rotary Deutschland Gemeindienst, stellte Staigis die beiden geladenen Gäste vor. Christian Freuding, Generalmajor bei der Bundeswehr und Leiter des Planungs- und Führungsstabs im Bundesverteidigungsministerium, ließ die Anwesenden an seiner Einschätzung der militärischen Lage teilhaben. Andriy Garbuza, Leiter des Sekretariats „Plattform Wiederaufbau Ukraine“ beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, erklärte, wie wichtig das europäische Engagement beim Wiederaufbau des Landes ist.

„Russland hat seine Kriegsziele bislang nicht erreicht“, stellte Christian Freuding gleich zu Beginn seines Vortrages klar. „Weder konnte die Ukraine als Gesamtstaat zerschlagen noch kulturell gleichgeschaltet werden.“ Der Einsatz von russischer Seite genau diese Ziele zu erreichen, sei immens. 600.000 bis 800.000 tote oder verwundete Soldaten hat Russlands bereits zu beklagen. Jeden Tag kommen 1200 bis 2000 Soldaten hinzu. Direkt im Anschluss blickte er auf die Seite der Ukrainer. Diese hätten inzwischen Rekrutierungsprobleme und seien auch nicht in der Lage ihre materiellen Verluste auszugleichen. Die Frage, warum die Ukraine dennoch in die russische Region Kursk eingedrungen und Teile besetzt hält, konnte er trotz der schwierigen Gesamtlage erklären. „Es ist psychologisch wichtig, nicht immer nur in der Defensive zu sein. Den Krieg nach Russland zu tragen, hat einen großen Wert“, erklärte der Generalmajor. Beim Blick in die Zukunft erklärte er, was als Ergebnis von Friedensgesprächen wichtig sei. Dabei nannte er die „freie Bündniswahl“ der Ukraine und warnte davor, die besetzten Gebiete „völkerrechtlich anzuerkennen“.

Andriy Garbuza vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung blickte in seinem Kurzvortrag zuerst auf die Infrastruktur in der Ukraine. „50 Prozent der Umspannwerke in der Ukraine sind zerstört oder beschädigt“, erklärte er. „Dennoch konnte das Schlimmste auch in diesem Winter verhindert werden, die Menschen haben weiter Strom.“ Die Resilienz in der Ukraine sei weiter enorm. Das dürfe aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass ohne die finanzielle Hilfe der Europäischen Union der Haushalt des Landes zusammengebrochen sei. Die Diskussion, die auf westlicher Seite derzeit geführt werde, sei die, wie der Verursacher des Krieges, Russland, zur Kasse gebeten werden könnte. Im Fokus stünden die eingefrorenen Vermögen der russischen Zentralbank. Udo Noack sprach den Referenten auf die Korruption in der Ukraine an. „Das ist in den Rotary Clubs ein Thema und mitunter ein Argument, warum man sich nicht engagiert“, berichtete Noack. Garbuza beschönigte diesbezüglich nichts, erklärte viel mehr, dass die Ukraine sich in der Transformation befinde und es erhebliche Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung gebe. „Alle Beamten im Land müssen ihre Einkommen offenlegen“, sagte er. Man sei im Land sehr bemüht, so Vertrauen aufzubauen.

Auf rotarischer Ebene gibt es ebenfalls einige Herausforderungen. Das zeige sich zum Beispiel bei der Bearbeitung von Global Grants. „Unsere ukrainischen Freundinnen und Freunde müssen 56 Global Grants dokumentieren. Das ist für die nicht händelbar“, berichtete unter anderem Klaus Brodbeck, Vertreter der Governorcrew in der Task Force. Alle Teilnehmer waren sich einig, dass man den Ukrainerinnen und Ukrainerin helfen müsse. „Ich habe diesbezüglich bereits mit Holger Knaack telefoniert“, sagte Armin Staigis. Eine Möglichkeit sei die Einbindung des Rotary Büros in Zürich.

Einig waren sich die Mitstreiter in der Task Force auch, dass man intensiver bei den Clubs um ein Ukraine-Engagement werben muss. Der Rundbrief ist dabei weiter wichtig, war man sich letztlich einig. Einigkeit herrschte auch in der Idee, die Rotaracter stärker einzubinden. Kim Bergmann vom Rotaract Deutschland Komitee war bei der Tagung dabei und sicherte die Unterstützung der Jugendorganisation zu. Die Task Force versucht nun, auch auf der Deutschlandkonferenz von Rotaract vertreten zu sein.

Fritz Hohnerlein, Koordinator für die Hilfen in der Ukraine, betonte, dass die von der Task Force gesetzten Schwerpunkte passen. Das würden auch die ukrainischen Freundinnen und Freunde bestätigen. „Gerade bei den medizinischen Projekten sind wir sehr gut eingespielt“, so Hohnerlein. Erfreulich aus Task Force-Sicht ist, dass nun auch die Schweiz sich einbringen will. Dies habe der Schweizer Rotarier Urs Klemm zum Ausdruck gebracht, so Udo Noack.

Derzeit nicht zu beneiden ist Axel Richter, Koordinator für die Kontakte nach Russland. Doch dieser sieht Lichtstreifen am Horizont. Er wird an einem Online-Meeting des Rotary Clubs Moskau-Metropol teilnehmen. „Dort haben sich deutschsprachige Menschen zusammengeschlossen“, erklärt Richter. Es sei wichtig, mit der Zivilgesellschaft in Kontakt zu bleiben, betonte er abschließend.

Zum Abschluss der Tagung stellte Oliver Pannke, Beauftragter für die Ukraine-Hilfe vom Distrikt 1842, ein mögliches Projekt vor. „Die Paul und Linde Ottmann-Stiftung ist bereit 300.000 Euro für ein Ukraine-Projekt zur Verfügung zu stellen. Daraus könnten wir einen Global Grant machen“, so Pannke. Konkret soll es sich um ein Projekt für krebskranke Kinder handeln. Man benötige pro deutschem Distrikt 3810 Euro, so dass ein Grant in Höhe von einer Million Euro realisiert wird.

Florian Quanz
Florian Quanz arbeitet seit März 2021 als Redakteur beim Rotary Magazin. Zuvor war er Leiter des Manteldesks sowie Politik- und Wirtschaftsredakteur bei der Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen (HNA), einer großen Regionalzeitung mit Sitz in Kassel.
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