Kolumne
Auf zum Syrer
» Dem Farbenspiel der Mazza mit all den Vorspeisen, die wie ein Mosaik den Tisch bedecken, haben wir in der europäischen Küche nichts entgegenzusetzen « Paul Bocuse
Hierzulande bleibt orientalische Küche oft auf standardisiertes Fast Food beschränkt. Das ist schade, denn arabische Köche können weit mehr, als Schawarmaspieße zu drehen. Unter Connaisseuren gelten die Vorspeisenbuffets Syriens und des Libanons als eine der raffiniertesten Kreationen der Weltküche: Lammkibbeh mit Walnüssen und Granatapfelsirup, Quittenlammeintopf mit getrockneten Zitronen, Tabbouleh-Petersiliensalat, Sesambällchen mit Korianderkraut oder Fattousch aus frittiertem Fladenbrot mit Minze und Portulak.
Diese erfindungsreichen Mezze sind zu verkosten bei Pariser Traitteuren und Londoner Szenelokalen – aber leider kaum in Deutschland, sieht man einmal von löblichen Ausnahmen wie dem von Bocuse gelobten Saliba in Hamburg ab. Integration ist höchst wünschenswert, aber kulinarische Überintegration, zu starke Anpassung an die vermeintlichen gastronomischen Bedürfnisse des Gastlandes führt letzten Endes zu austauschbarer Küche.
Globaler Erfolg für Orientküche
Dass diese vorderasiatischen Spezialitäten global höchst erfolgreich sein können, beweist Yotam Ottolenghi, der in seinem Bestseller „Jerusalem“ und seinen Londoner Delis arabisch-palästinensische Rezepte propagiert. Zwischen New Yorker Hotspots, Tel Aviv und Wiener Naschmarkt ist diese neue israelische Küche als vegetarisch orientierte Bereicherung der mediterranen Diät ausgesprochen hip. Doch das könnten syrische Köche auch und wahrscheinlich noch authentischer. Immerhin geht unsere westeuropäische Hochküche letzten Endes auf arabische Rezeptsammlungen und Ernährungstraktate der Kreuzzugszeit zurück. Die früheste deutsche Kochhandschrift präsentiert um 1330 stolz einen auf „heidnische“, sprich islamische Art zubereiteten Kalbskopf. Pasta und Limoncello, Speiseeis, kandierte Früchte, Agrumen und Artischocken sind über den Orient zu uns gekommen, ganz zu schweigen von den Gewürzen und der Zwetschge, in der etymologisch das Wort Damaskus steckt.
Hotellerie und Küche waren immer schon eine Aufstiegschance für Emigranten, Asylsuchende, Neuankömmlinge. Das muss nicht beim Tellerwäscher enden. Auch wenn Spielfilme wie „Grand Budapest Hotel“ oder „Madame Mallory und der Duft von Curry“, der den Aufstieg eines verfolgten indischen Emigranten in die französische Haute Cuisine schildert, märchenhafte Züge tragen, die Option ist reell. Der Sternekoch Heinz Winkler aus Aschau am Chiemsee hat jedenfalls sofort auf die Flüchtlingswelle reagiert und zwei Asylsuchende aus Auszubildende eingestellt. Das ist nicht nur Reaktion auf den gravierenden Fachkräftemangel in der Gastronomie. Sondern auch eine Hommage an Köche aus Gesellschaften, die noch Handwerkstechniken beherrschen, die in unserem lebensmittelindustriellen Alltag selten geworden sind, aber Grundlage der Spitzenküche bleiben.
Nicht zu vergessen: Wir Deutschen sind schließlich Reiseweltmeister und das heißt auch gastronomisch neugierig. Ich freue mich jedenfalls auf den kulinarischen Dialog, wenn irgendwo in meiner Nähe ein syrisches Restaurant eröffnet wird. Denn es muss nicht immer Döner sein, wenn ich den Orient auf der Zunge spüren möchte.
Peter Peter ist deutscher Journalist und Autor für die Themen Kulinarik und Reise. Er lehrt Gastrosophie an der Universität Salzburg und ist Mitglied der Deutschen Akademie für Kulinaristik. Außerdem schreibt er als Restaurantkritiker der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ und ist Autor einiger ausgezeichneter Kulturgeschichten der europäischen Küche. Im Rotary Magazin thematisiert er jeden Monat Trends rund um gutes Essen und feine Küche.
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