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Rotary Aktuell

Der Klang der guten Taten

Rotary Aktuell - Der Klang der guten Taten
Höchste Konzentration: Ulrich Schütte spielt zu Hause am Klavier eine Komposition für Rotary © Tanja Evers

Musik spielt in der rotarischen Gemeinschaft seit Jahrzehnten eine bedeutsame Rolle – das belegen zahlreiche Veröffentlichungen und aktuelle Kompositionen.

Florian Quanz01.08.2023

Die Augen sind leicht geschlossen, der Kopf etwas nach vorne gebeugt. Die Finger gleiten leicht wie eine Feder über die Tasten. Nur die Musik des Klavieres ist zu hören. Ansonsten Stille. Dann plötzlich ertönt ein „Piep“. Ulrich Schütte spielt weiter. Wieder ist ein „Piep“ zu hören, dazu das Flattern eines Vogels. Schütte schaut kurz hoch, dann senkt er den Kopf wieder. Nichts kann ihn aus der Ruhe bringen. Ulrich Schütte verschmilzt mit seiner Musik, während in seinem Rücken der Rhein am Rolandseck entlangfließt. Doch den nimmt er nicht wahr. Nichts mehr um sich herum. Es ist ein Akt höchster Konzentration.


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2023, klang der guten taten,
Den Text von Fritz Löhner-Beda, der zur Rotary-Hymne von Franz Léhar gedichtet wurde, empfindet Ulrich Schütte als nicht mehr zeitgemäß. Er hat einen neuen Text geschrieben, bei dem nun auch die rotarischen Freundinnen Erwähnung finden. © Tanja Evers

Musik ist seine Passion. Als Pfarrerssohn hat er den ersten Teil seines Lebens mit Johann Sebastian Bach verbracht. Später hat er das Chanson für sich entdeckt und unter anderem Lieder von Reinhard Mey gesungen. Für Ulrich Schütte, der seit 1995 Rotary-Mitglied ist, war Musik aber nie nur ein liebgewonnenes Hobby, er war Berufssänger, ist bis heute in der Welt unterwegs. Zuletzt hatte er rund 70 Auftritte mit dem Zyklus Die 13 Monate von Erich Kästner, den er auch zweimal in der Deutschen Botschaft in Washington präsentieren durfte. „Es ist schon verrückt, dass man mit über 70 noch so gut singen kann“, zeigt sich Schütte selbst überrascht. All seine Erfahrung gibt er seit vielen Jahren an junge Gesangstalente weiter, trat 1995 eine Dozentenstelle für Gesang an der Musikhochschule Köln an. Wenn er also nicht gerade selbst singt und dazu Klavier spielt, begleitet er im Unterricht Sängerinnen und Sänger.

Sein Haus ist voller Gemälde, Figuren, Büsten und wertvollem Porzellan, welches seine Frau sammelt und wie einen Schatz hütet. Das Auge des Gastes weiß gar nicht, wohin es zuerst blicken soll. Reizüberflutung. Es wirkt zunächst überfrachtet, doch je länger man im Haus verweilt, desto mehr nimmt man ein stimmiges Gesamtbild wahr. Alles ist an seinem richtigen Platz. Dieses etwas abgelegene Haus samt Einrichtung im englischen Landhausstil würde man jedoch eher in Cornwall verorten als am Rheinufer bei Bonn, bestens geeignet als Drehort für den nächsten Rosamunde-Pilcher-Film. Die Vermutung, dass dieser Ort viel Inspiration bietet, liegt nahe. Man traut sich kaum, das scheinbar Offensichtliche zu thematisieren.

Doch spricht man Ulrich Schütte darauf an, wird man überrascht. „Der Rhein ist für mich keine Inspirationsquelle“, bekennt er. Jener Fluss, der mehr als alle anderen durch Deutschland fließenden Flüsse Dichter, Maler und Komponisten in ihrem Schaffen beflügelt hat. Doch für Ulrich Schütte ist der Blick auf den Rhein zum Alltäglichen geworden. Sitzt er am Klavier, hat er ihn eh im Rücken. Und wenn er zu Kompositionen textet, sitzt er gedankenversunken am großen Esstisch.

Das Warten auf den großen Anlass

Dort sitzt er derzeit häufiger. Er verarbeitet seine rotarischen Erlebnisse in Liedtexten. Meist nimmt er sich ein bekanntes Chanson oder einen Schlager vor und textet ihn um. Bill Ramseys Pigalle wird zum Lied über die Krawatte, die vor wenigen Jahren noch der ständige Begleiter in der rotarischen Welt war. „Als ich zu Rotary kam, sagte mir ein Freund, der mich in die Gemeinschaft gelotst hatte, jetzt kauf dir erst einmal ein paar anständige Krawatten“, erzählt Schütte. Doch in immer mehr Clubs bestehe inzwischen kein Zwang mehr, Krawatte zu tragen, was Schütte begrüßt.

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Die belgische Platte des „Rotary March“ bleibt ein Ladenhüter. © Florian Quanz

Auch die reinen Männerclubs knöpft er sich musikalisch vor. Den alten Schlager Nehm’n Sie ’n Alten von Otto Reutter, das einzige Lied, was er nicht umgedichtet hat, singt er, um die Überalterung vieler dieser Clubs zu thematisieren. Zugleich bekundet er seinen Unmut darüber, dass Frauen dort nicht erwünscht sind. Seine eigenen Texte sind gespickt mit feinem Humor, geschrieben mit einem Augenzwinkern, aber nie polemisch oder gar beleidigend. Auf diese Weise möchte er Debatten anstoßen, was rotarische Freunde sonst mit Vorträgen tun.

Doch das wiederum gelingt Schütte nur, wenn er auch Auftrittsmöglichkeiten hat. In seinem Zuhause, wo ihm meist nur „Sir Peeps“ zuhört – so heißt treffenderweise sein Kanarienvogel, dessen Käfig auf dem Flügel steht –, stößt er mit seinen Liedern keine Debatte an. Immerhin teilt sein Vogel die Leidenschaft für die Lieder, indem er nach Kräften mitsingt. Die umgedichtete Rotary-Hymne, ursprünglich komponiert von Franz Léhar und getextet von Fritz Löhner-Beda, wollte er beim Jubiläum zum 45-jährigen Bestehen seines Clubs, des RC Bonn-Siegburg, mit allen Mitgliedern gemeinsam singen. Zuvor hatte er mit einem Clubfreund, der die Klavierbegleitung übernehmen sollte, fleißig geprobt. Doch bei der Feier herrschte so gutes Wetter, dass er keine Chance sah, die Clubfreunde von der Terrasse des Golfclubs ins Clubhaus zu lotsen, um dort gemeinsam zu singen. Was wenige Wochen später folgte, war die Coronapandemie. Bis heute wartet Ulrich Schütte darauf, dass es einen großen Anlass gibt, die Léhar-Hymne mit neuem Text der rotarischen Öffentlichkeit zu präsentieren.

Markus Linder vom RC Innsbruck-Goldenes Dachl ist da einen entscheidenden Schritt weiter. Beim Dinner der diesjährigen Distriktkonferenz von 1920 stand er auf der Bühne. Nur ein Keyboard und seine Stimme, mehr brauchte Linder nicht, um den Saal zum Kochen zu bringen. „Wir brauchen viel mehr Frauen, das ist meine persönliche Überzeugung“, erklärt er, um dann das umgetextete Lied Woman von John Lennon zum Besten zu geben. „Rotary, nicht nur maskulin, not only kings, auch manche tolle queen, die female power bringt uns nach vorne“, singt er und hat die Lacher auf seiner Seite. Eine Auswahl bekannter Evergreens mit amüsanten Texten sorgen für Erheiterung. Wie Ulrich Schütte greift auch Linder, der sich selbst als Musik-Comedian bezeichnet, auf Bill Ramsey zurück. „Ohne Rotary-Zeitung geht er nie ins Bett, nie ins Bett, nie ins Bett. Ohne RC Bröckedde geht er nie ins Bett, geht der Rotarier nie ins Bett“, hat er den Klassiker Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett umgedichtet. Dass Markus Linder ein Vollprofi ist, wissen seine rotarischen Freunde im Distrikt schon lange, ist er doch regelmäßig mit Bühnenprogrammen im Fernsehen zu sehen. Und doch zeigte sich ihnen sein Ausnahmetalent besonders, als er spontan die Wortkreation „Unterjüngung“ von Urs Klemm, die dieser in seiner Rede auf der Konferenz verwendete, in ein Lied verpackte.

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Roberto Vecchioni kritisiert mit seiner Musik die Lebensverhältnisse in Afrika und verbindet die Kritik unbegründeterweise mit Rotary. © Florian Quanz

Während Linder es bei solchen Auftritten belässt, überlegt Ulrich Schütte, ob er nicht eine CD mit rotarischen Liedern herausbringt. „Für einen guten Zweck natürlich.“ Die Idee ist nicht neu, sondern bereits vielfach umgesetzt in der rotarischen Gemeinschaft, und das weltweit. Wer sich einmal auf die Suche nach musikalischen Veröffentlichungen von Rotariern macht, wird erstaunt sein, wie viel er findet. Die Schallplatten und CDs reichen von Deutschland und Österreich über Belgien bis in die USA und Kanada. Auch afrikanische Clubs wie der RC Shomolu aus Nigeria hatten schon die Möglichkeit für sich entdeckt, mit musikalischen Produktionen Geld für den guten Zweck zu sammeln. Wie schwierig dies ist, zeigt das Beispiel des RC Antwerpen-Park. Der slowakische Komponist Jan Valach, der 1973 dem belgischen Club beitrat, komponierte 1978 eine Rotary-Hymne, die der Club auf einer Vinyl-Single veröffentlichte. „Ziel war es, die Schallplatte über Belgien hinaus an Rotarier zu verkaufen“, erinnert sich Clubmitglied Arnaud d’Haen. Deshalb hatte man in vier Sprachen – Niederländisch, Englisch, Französisch und Deutsch – einen Text dazu gedichtet. Der Aufwand war enorm. Was folgte, war jedoch nicht der verdiente Lohn und damit ein Geldsegen für ein Clubprojekt, sondern ein finanzielles Fiasko. „Wir haben noch immer Schallplatten im Keller rumliegen“, erzählt d’Haen.

Keine Hymne konnte sich durchsetzen

Früh erkannten die rotarischen Freunde, wo das Problem lag. Es gab schon zu dieser Zeit mehrere Rotary-Hymnen. Lieder wie God of Our Fathers und The Rotary Hymn hatten im begrenzten Maße Anklang gefunden, doch auch die offizielle Anerkennung ihrer Rotary-Hymne durch Rotary International 1981 half nicht weiter. Bis heute hat sich keine der vielen Rotary-Hymnen international durchsetzen können. Das hat die belgischen Freunde dazu veranlasst, nie wieder rotarische Musik zu veröffentlichen.

Die gleichen Erfahrungen haben die Mitglieder des RC Mortsel gemacht. Der Club, der ebenfalls in Belgien beheimatet ist und inzwischen Antwerpen-Minerva heißt, brachte auch eine Single-Vinyl heraus. Clubmitglied George Verhoeven fand 1974 auf dem Dachboden eines Antiquitätengeschäfts eine Notenrolle für ein mechanisches Klavier. Darauf zu hören war eine Rotary-Hymne, die er jedoch nicht zuordnen konnte. Er wandte sich an Rotary International und bekam als Antwort, dass es sich bei dem Stück um eine Komposition aus dem Jahr 1916 von Joseph M. Hahn handelt. Hahn war Mitglied des Rotary Clubs Chicago gewesen. Für George Verhoeven war der Fund eine Sensation. Für ihn war klar, die Hymne muss wieder bekannt gemacht werden. So kontaktierte er gemeinsam mit seinen Clubfreunden vom RC Mortsel das Royal Harmony Orchestra in Ostende. Unter der Leitung von Florent Corsellis wurde das Stück für Orchester arrangiert und eingespielt. Diese Version kam auf die A-Seite, während die Originalaufnahme, die auf der Tonrolle zu hören war, auf die B-Seite kam. „Die Einnahmen aus dem Schallplattenverkauf sind an die Rotary Foundation geflossen“, berichtet Ludo Van Montfort vom RC Antwerpen-Minerva. Die Auflage ist nicht bekannt, der Nachfolgeclub besitzt aber noch immer Exemplare der Single. Wer Interesse hat, kann sich an den Club wenden.

Nicht überall, wo Rotary draufsteht, ist auch Rotary drin. Bei Recherchen stößt man unweigerlich auf das Album Rotary Club of Malindi des italienischen Liedermachers Roberto Vecchioni. Es landete gar auf Platz vier der italienischen Charts. Doch wer dahinter eine rotarische Erfolgsgeschichte vermutet, wird enttäuscht. Im gleichnamigen Lied prangert Vecchioni die ungleichen Lebensverhältnisse zwischen Afrika und der westlichen Welt an, und die rotarische Gemeinschaft sei dafür ein Beleg. Über die Beweggründe für diese Veröffentlichung kann nur spekuliert werden, da weder der Künstler selbst noch sein Management auf Anfragen reagierten. Auch die Freunde des Rotary Clubs Malindi in Kenia waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Erfolg in Deutschland

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Fünf Rotarier, eine Idee und am Ende ein erfolgreiches Projekt: Mit der Schallplatte „Rotarier machen Musik für Polio Plus“ wurde viel Geld eingenommen. © Florian Quanz

Wer eine erfolgreiche Veröffentlichung sucht, wird in Deutschland fündig. Rotarier machen Musik für Polio Plus – so lautet der Titel einer Schallplattenveröffentlichung. Hauptverantwortlich für diese Schallplatte war neben anderen Prosper Christian Otto, Mitglied im Rotary Club Hamburg-Haake. Er erinnert sich noch genau daran, wie es zu dieser Platte kam. „Als Rotary bekannt gab, den Kampf gegen Kinderlähmung zu einem Hauptziel zu machen, war für mich klar, dass dies unbedingt unterstützt werden muss“, blickt Otto zurück. Da traf es sich gut, dass der damalige Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper, Wolfgang Sawallisch, ihn kontaktierte und fragte, ob er sich eine Schallplattenproduktion zugunsten von Polio Plus vorstellen könne. Prosper Christian Otto sang zu dieser Zeit bei den Bayreuther Festspielen. Der Tenor steuerte, am Klavier vom rotarischen Freund Eckart Besch (RC Hamburg-Bergedorf) begleitet, die Lieder Heimliche Aufforderung, Allerseelen und Zuneigung von Richard Strauss bei und Sawallisch (RC München-Friedensengel) selbst eine Aufnahme der Ouvertüre zu Richard Wagners Oper Tannhäuser, gespielt vom Orchester der Bayreuther Festspiele. Justus Frantz (RC Hamburg-Wandsbek) spielte am Klavier die Sonate Nr. 11 von Wolfgang Amadeus Mozart, Hermann Prey (RC München) sang die Arie des Wolfram O du mein holder Abendstern aus Richard Wagners Oper Tannhäuser. „Wir haben keine Aufnahmen extra für die Schallplatte gemacht, sondern Wolfgang Sawallisch hat die jeweiligen Rechte an den Aufnahmen besorgt, ohne dass finanzielle Kosten entstanden“, berichtet Prosper Christian Otto.

25 D-Mark pro Platte für Polio Plus

Ebenjene Schallplatte bekam Lothar Weber vom RC Berlin-Gendarmenmarkt vor einiger Zeit von einem rotarischen Freund geschenkt. „Der fand die Platte auf einem Dachboden, sah, dass damit Geld für Polio Plus gesammelt wurde, und schenkte sie mir“, so Weber. Er war verwundert, hatte er doch noch nie von dieser Produktion gehört, obwohl er sich seit vielen Jahren stark für End Polio Now engagiert. Sofort kontaktierte er Otto, um mehr über dieses Projekt zu erfahren.

Anders als die belgischen Produktionen war diese Schallplatte mit einer Auflage von 2000 Stück von Anfang bis Ende eine Erfolgsgeschichte. „Wir haben darauf geachtet, dass die 25 D-Mark pro Platte auch komplett der Aktion gegen Polio zugute kamen“, erinnert sich Prosper Christian Otto. Möglich sei dies gewesen, weil die rotarischen Freunde in exzellenter Art und Weise ihr Netzwerk nutzten. Die Pressung sponserte Teldec-Press in Nortorf, der Axel-Springer-Verlag erstellte das Cover, und die Bergedorfer Buchdruckerei des Hamburger Abendblattes druckte dies. Kein Pfennig von den Einnahmen musste für Produktionskosten verwendet werden. „Wenn wir erst die ganzen Kosten hätten decken müssen, wäre für den guten Zweck nicht viel übrig geblieben“, ist sich Prosper Christian Otto sicher. Dient dies als Vorbild für kommende Produktionen? „Nein“, meint Otto. In Streaming-Zeiten sei mit solchen Produktionen kein Geld mehr für den guten Zweck zu generieren. Was bleibt, ist die Musik als Erinnerung an ein außergewöhnliches Rotary-Projekt von außergewöhnlichen Künstlern der Klassik-Szene.

Die Rotary-Hymne des österreichischen Komponisten Franz Léhar können Sie sich hier anhören: rotary.de/a11190