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Peters Lebensart

Es geht auch einfach

Peters Lebensart - Es geht auch einfach
© Jessine Hein/Illustratoren

Kaffee prägt in Dutzenden Geschmacks- und Zubereitungsvarianten unseren Lebensstil. Doch manchmal fragt man sich, ob der Hype nicht übertrieben ist

Peter Peter01.04.2019

Vor ein paar Jahren merkte ein Wiener Magazin zynisch an, man erwarte ja wohl nicht ernstlich, im Kaffeehaus, das eh so viel Charme zu bieten habe, auch noch guten Kaffee serviert zu bekommen. Und Legionen bundesdeutscher Berufstätiger haben sich weniger atmosphärisch mit ausgelaugtem Büromaschinenkaffee aufgeputscht, ohne viel nach Arabica und Robusta, nach Trommelröstung oder Plantagen-Crus zu fragen.

Doch längst ist der Kaffee zum Lifestyle-Getränk geworden. Und der Barista, um das italienische Wort für den maschinenkundigen Brüher zu zitieren, zum Zeremonienmeister, der sich gern mit Hipsterbart, Lederschürze und Tattoos präsentiert. Idealerweise betrittst du eine urbane Coffee Bar, in der eine glänzend blank gewienerte italienische Espressomaschine, die den Preis eines Sportwagens gekostet hat, zischende Dampfwölkchen ausstößt. In einer Ecke sind leere Jutesäcke für Bohnen gestapelt, mit Plantagen-Aufdruck. Schwarz-Weiß-Fotos zeigen strahlende Hochland-Indios oder Afrikaner inmitten von Kaffeesträuchern und lösen Assoziationen von Exotik und fairem Genuss aus.

Die Entscheidung, was man trinken will, wie man trinken will, ist gar nicht so leicht. Vorbei die Zeiten, als die bloße Übernahme der italienischen Nomenklatur von Latte macchiato bis Cappuccino als innovativ galt. Heute darfst oder musst du wählen zwischen „single“ und „double shot“, „Macadamia-flavouring gefällig“, und soll das Topping vegan aus Mandel- oder Sojamilch aufgeschäumt werden? Und das alles auch „to go“. Zeitgeistige Bars erfragen wie bei der Weinverkostung Geschmackspräferenzen und schlagen gern mal sündteure Varianten vor: Wie wär’s mit im Holzfässchen gereiftem jamaikanischem Blue Mountain? Oder dem koffeinarmen EU-Kaffee Bourbon pointu, der in mikroskopischen Mengen im französischen Überseedepartement La Réunion reift und angeblich ein Säurespiel wie Rieslinge aufweist? Tollkühne lassen sich Kopi Luwak aufbrühen, im Darm von indonesischen Schleichkatzen naturfermentierte Arabica-Bohnen – leider werden immer mehr Tiere für diesen Luxus in enge Käfige gepfercht.

Szenenwechsel: Kaffee für zu Hause kaufen? Kann auch kompliziert werden von wegen Ausmahlungsgrad und geeigneter Sorte. Erst mal die Küchenausstattung checken: Welcher Typ bist du eigentlich, hast du eine Hochleistungsmaschine, bist du supertrendig auf den alten Karlsbader Porzellanfilter umgestiegen, praktizierst du gar „cold brew“? Oder bist du George-Clooney-Fan und wenig umweltbedachter Kapseltrinker, der es einfach praktisch will? Schraubst du noch halsstarrig deine Napolitana zusammen oder, ganz aus der Mode gefallen, machst du’s mit Papierfilter?

Zugegeben, der Duft frisch gemahlener Kaffeebohnen ist ein Vergnügen. Ein so schnell durch die Profi-Maschine geschossener Espresso, dass er kaum Zeit hatte, das Koffein auszuspülen, sondern gefühlt nur aus Aroma besteht, ebenfalls. Es schmeichelt dem Magen, langsam gerösteten Arabica zu schlürfen, der Säuren harmonisch einbindet. Es ist hübsch anzusehen, wie auch unsere Baristas es gelernt haben, Blümchen, Bäumchen und Herzchen aus Milchschaum auf den Cappuccino zu zaubern.

Und doch, manchmal fragt man sich: Kann Kaffeequalität nicht einfach eine tägliche Selbstverständlichkeit sein? Wir müssen ja nicht zum – fast schon wieder coolen – Kännchen zurückkehren. Ein Blick nach Bella Italia, wo guter Kaffee klassenlos ist und die Einstiegspreise für Top-Espresso bei 80 Centesimi und perfekten Cappuccino bei einem Euro anfangen, beweist, dass das Kultgetränk nicht elitär sein muss.

Peter Peter

Peter Peter ist deutscher Journalist und Autor für die Themen Kulinarik und Reise. Er lehrt Gastrosophie an der Universität Salzburg und ist Mitglied der Deutschen Akademie für Kulinaristik. Außerdem schreibt er als Restaurantkritiker der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ und ist Autor einiger ausgezeichneter Kulturgeschichten der europäischen Küche. Im Rotary Magazin thematisiert er jeden Monat Trends rund um gutes Essen und feine Küche.

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