Buch des Monats
Wider den Zeitgeist
Biografische Miniaturen ersten Ranges präsentieren Viktor J. Vanberg und Eberhard Breckel (beide RC Freiburg) – und einen Blick in verwirrende Zeiten.
Der älteste Freiburger Club blickt mit einer bemerkenswerten Festschrift auf sein 80-jähriges Bestehen zurück. Nicht nur Hochschullehrer haben ihn geprägt, unter ihnen Walter Eucken und Erich Hoppmann, die das Konzept der Marktwirtschaft in Deutschland maßgeblich bestimmt haben, sondern auch Unternehmer, die ebenso nachhaltig wirkten. Das Werk verbindet die allgemeine Geschichte von Rotary mit der des Clubs.
In Essays werden Personen gewürdigt, deren Wirken weit über die Grenzen des Clubs und der Universitätsstadt ausstrahlte, so der Historiker Clemens Bauer oder der Verleger Baedeker. Bewegend sind auch die Beiträge über Freunde wie Heinrich Brenzinger oder Karl Bornhäuser, die exemplarisch die Grundsätze rotarischer Ethik und Moral verkörperten und so in der Lage waren, sich Zeitströmungen wenn nicht zu widersetzen, so doch sich ihnen gegenüber zu behaupten. Es zeugt vom Traditionsbewusstsein heutiger Clubmitglieder, wenn sie sich empathisch, würdigend und doch kritisch mit der Lebensgeschichte ihrer Vorgänger befassen und dabei nicht selten biografische Miniaturen ersten Ranges bieten.
Neue Phase der Aufarbeitung
Der Anspruch, Club- und Zeitgeschichte miteinander zu verbinden, wird überzeugend eingelöst. Dies bedeutet, die Clubgeschichte in der verworrenen Zwischenkriegszeit und in den verwirrenden Jahren der nationalsozialistischen Diktatur zu schildern. Die Clubgeschichte ist, wie die Darstellung der Vorgeschichte der Auflösung des Clubs im Oktober 1937 deutlich macht, mit einer schwierigen Epoche deutscher Geschichte, der Durchsetzung und Konsolidierung der nationalsozialistischen Diktatur geradezu verwoben. Dabei wird deutlich: Es war nicht nur äußerer Druck, sondern auch die Bereitschaft mancher Mitglieder, Ziele und Werte der Nationalsozialisten partiell zu übernehmen. Der Abschnitt macht Gefahren und Krisen deutlich, denen Rotarier ausgesetzt waren und denen sie teilweise unterlagen, teilweise jedoch widerstanden.
Der Freiburger Club vermeidet eine rasche und leichtfertige Anpassung an die neuen Wertvorstellungen, die die Nationalsozialisten verkörperten. Das sagt sich leichter als getan, denn Zeitgeschichte ist nicht nur die Vergangenheit der lebenden Generation, sie wird immer dann zur Herausforderung und Verpflichtung, wenn sie deutlich macht, dass Menschen die Folgen ihres Tuns bedenken.
Heutzutage den 80. Gründungstag zu feiern, das bedeutet, unmittelbar in eine der schwierigsten Perioden deutscher Zeitgeschichte einzudringen. Wie sich die Freiburger Festschrift diesem Problem stellt, lässt sich nur als beispielhaft bezeichnen, gerade in einer neuen Phase der Erarbeitung der rotarischen Clubgeschichte zwischen Gründung, Auflösung und Neugründung (siehe Rotary Magazin 6/2016) und in der Konfrontation mit der Diktatur und dem Akzeptieren der modernen Demokratie nach der Wiedergründung nach 1945.
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