Kolumne Peter
von Peter Peter |
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Das Land verdankt Tatareneinfällen und islamischen Khanaten zwei Leibgerichte

 

 

 

Der Warschauer Pakt scheint fortzuleben im Lebensmittelhandel. Der typische Ostblock-Supermarkt steht kulinarisch unter russischer Hegemonie, auch wenn sich in den Regalen Waren aus anderen slawischen Staaten und selbstständigen ehemaligen Sowjetrepubliken wie der Ukraine oder Georgien stapeln.

Das hat nicht nur damit zu tun, dass Lieferketten und Geschmacksgemeinschaften den Zusammenbruch der UdSSR überlebt haben, sondern auch damit, dass das Gros der Kunden deutschrussische Spätaussiedler sind, die eher wenig mit nationalen Spezialitäten am Hut haben. „Russia sells“, auch wenn die Ladeninhaber oft Ukrainer oder Kasachen sind.

Das Gleiche gilt für die Ethno-Gastronomie. Rein ukrainische Restaurants sind bis auf spärliche Ausnahmen wie das Odessa Mama in Berlin Mangelware.

Da der touristische Andrang Richtung Schwarzes Meer begrenzt ist, verwundert es nicht, dass kaum ein differenziertes Profil ukrainischer Küche präsent ist. Klar, von Hühnchen Kiew hat man schon mal gehört, aber eher in London oder New York, wo zaristische Emigranten den panierten Klassiker populär machten. Ex-DDR-Bürger könnten sich erinnern, dass das Symbolgericht der Völkerfreundschaft, die Soljanka, ebenso wie Rote-Beete-Borschtsch als ukrainisch angepriesen wurde – auch wenn es Rezeptvarianten in Polen und Russland gibt.

Für die Eigenständigkeit ukrainischer Kost eignet sich besser ein Blick auf die geopolitische Landkarte. Im galizischen Westen, bis 1918 von Wien aus regiert, servieren bis heute Kaffeehäuser K.-u.-k.-Mehlspeisen. Im teilweise moldawischen Bessarabien ist der Übergang zur rumänischen Maisküche evident. Den Tatareneinfällen und islamischen Khanaten verdankt die Nation zwei Leibspeisen. Tscheburek, eine mit Hack gefüllte Blätterteigtasche, war ein Leckerbissen der Krimtataren. Das Verschlingen von Salo, von weißem Rückenspeck, wurde von Kosaken als antimuslimische Kraftnahrung kultiviert. Heute ist der in Holztrögen gereifte ukrainische Lardo in unzähligen Varianten präsent: fein aufgeschnitten zu Horilka (Weizenkorn), cremig als Verhackert oder salzig-süß im Schoko-Guss!

 

 

 

Multikulturell wurde schon immer in der südlichen Hafenmetropole Odessa mit ihren griechischen, genuesischen und jüdischen Einflüssen geköchelt. Hier soll nicht nur Bœuf Stroganoff entstanden sein, sondern auch das jiddische Vorzeigegericht Forschmak, ein Heringshäckerle mit Butter und Nüssen.

 

 

 

Tschernosem – die Ukraine ist mit ihrem fruchtbaren Schwarzerdegürtel eine Kornkammer, die den Nahen Osten und italienische Pasta-Produzenten mit Weizen versorgt. Umso perverser, dass 1932/33 Millionen Ukrainer infolge stalinistischer Zwangsrequirierungen verhungerten. Der Holodomor (Hungertot) ist bis heute ein anti-russisch besetztes Trauma, auch wenn die Märkte längst wieder agrarischen Überfluss präsentieren. Kalt gepresstes Sonnenblumenöl, geräucherte Pflaumen, Schweinsköpfe, Schlangenkürbisse, Schwarzmeerfische, Karpatenlamm, Hirtenquark und Buchweizenfladen locken auf dem Priwoz-Basar in Odessa oder dem Bessarabka-Markt in Kiew. Sonnenblumenkerne kann man sich direkt in die Hosentasche füllen lassen. „Als Beilage zum Stör nimmst Du Sternchen aus roten Rüben“ – nicht umsonst stammt Gogol, der kulinarischste russischsprachige Dichter, aus der Ukraine.

Für mich ist das spannendste ukrainische Rezept Warenyky, mit sauren Weichselkirschen gefüllte Teigtaschen. Wer es üppiger möchte, könnte geeiste Kiewer Torte, gebacken im Zuckerbäckerimperium des ehemaligen Staatspräsidenten Poroschenko, anschneiden. Dazu passen würde halb süßer Krimsekt. Angesichts der Okkupation der Halbinsel weichen patriotische Ukrainer auf Abfüllungen vor 2014 oder Lemberger Sekte aus.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Peter Peter

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