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Ein Garten voller Freude

Titelthema - Ein Garten voller Freude
Blühende Rosen, wie im Jubiläumsgarten, findet man im Park von Ende April bis in den späten Herbst. © Karin Thom

Das weltgrößte Rosarium in Sangerhausen ist weit mehr als nur Rosenschau oder Erlebnispark: Sabine Meinert sprach mit Rosenberater Andreas Lachner von der Rosenstadt Sangerhausen GmbH.

Sabine Meinert01.08.2022

Was macht das Sangerhäuser Rosarium zum größten seiner Art?

Aktuell haben wir mehr als 8700 Rosensorten und täglich werden es mehr. Darunter sind nicht nur Gartenrosen, sondern auch die weltgrößte Wildrosensammlung. Insgesamt etwa 80.000 Rosenpflanzen auf knapp 14 Hektar Fläche. Es sind vor allem historische Rosen, 4000 davon sind nicht mehr im Handel, 2000 davon gibt es nur noch hier. Dazu kommt die Sammlung von 160 Gehölzen und Sträuchern im Park.
Außerdem die Besucher: Sogar in Pandemiezeiten hatten wir über 100.000 Gäste im Jahr. Sangerhausen ist der weltweit bedeutendste Rosengarten, gegründet 1903.

Ein Rosarium ausgerechnet in Sangerhausen – wie kam es dazu?

Mitte des 19. Jahrhunderts kamen viele Wildrosen aus der ganzen Welt nach Europa. Es wurde begonnen, Rosen miteinander zu kreuzen, neue Sorten zu züchten. Viele verschwanden auch schnell wieder. Das wollten deutsche Rosenfreunde verhindern und einen präsentablen Garten schaffen, der alle bis dato bekannten Rosen zeigt. Einen Grundstock an Rosen lieferte der Sangerhäuser Albert Hoffmann der damals mehr als 1000 verschiedene Rosensorten gesammelt hatte.

Damit hatte das Rosarium eine Basis. Seither hat es sich stark entwickelt. In welchen Etappen?

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Jubiläumsgarten aus der Luft © Werner Reiter

Nach den Aufbau- und Gründungsjahren kam schnell der erste Weltkrieg. Die Gärtner mussten an die Front, es gab kaum Nachwuchs, damit kaum Pflege für die Rosen. Danach folgten Armut und Hungersnot. Deshalb wurden in Teilen des Parks Steckrüben und Kartoffeln angebaut. Dann die Zeit ab 1933 und der Zweite Weltkrieg: Es fehlten erneut Gärtner. Dann kam die Besetzung durch die Amerikaner, später die Russen.
Letztere wollten übrigens von allen Rosen Duplikate, also nachgezogene Pflanzen, haben, um eigene Rosarien zu gründen. Doch das Klima in Russland eignet sich eher nicht. Allerdings: Die damals weltbedeutendste Literatursammlung über Rosen – die Rosenbibliothek Sangerhausen – ging im Zuge von Reparationsleistungen in die Sowjetunion. Gespräche über eine Rückgabe scheiterten.
Zu DDR-Zeiten sollte das Rosarium wegen fehlender Finanzen zum Freizeitpark umgebaut werden. Es entstanden ein Tiergehege mit weißem Hirsch, ein Ziegengehege und Vogelvolieren.

Änderte sich das mit der Wende?

Ja, gerade 1990 war ein wichtiges Jahr – auch für Rosenfreunde aus der ganzen Welt. Sie kamen von überallher nach Sangerhausen. Denn hier bot sich auf einmal ein Schatzkästchen, das Rosen zeigte, die bis dato als verschollen oder ausgestorben galten.

Sangerhausen im Zentrum der Rosen-Welt. Dabei gelten doch die Engländer als die größte Rosenfreunde...

Stimmt! Wobei: Englische Rosen sind im Grunde genommen moderne Strauchrosen, die ab den 60er Jahren gezüchtet und gut vermarktet wurden. Selbst für die Deutschen gehörten England und Rosen zusammen. Die Rosenzucht war aber vor allem in Belgien, Holland, Frankreich schon seit Jahrhunderten angesiedelt. Die erste deutsche Rosenzüchtung stammt von 1773 – die Gärtner hierzulande waren eher Spätzünder.

Wie lange werden denn Rosen überhaupt schon gezüchtet?

Von Rosen fasziniert ist der Mensch schon seit Jahrtausenden. Zunächst waren Rosen aber eine Nahrungsquelle. Die Hagebutten der Wildrosen haben viele Vitamine. Sie wurden gegessen und für Medizin genutzt. Später pflanzte man sie als Schutz und Einfriedung ums Gehöft. Erst danach rückte die Rose wegen ihrer Optik in den Fokus: verschieden farbige oder gefüllte oder duftende Formen. Die besonders Schönen holten sich die Menschen in ihre Gärten.

Hat Sangerhausen eigentlich ein besonderes Klima oder tollen Boden, dass Rosen hier so gut wachsen?

Die meisten Gartenrosen brauchen einen schweren, tiefgründigen Boden. Hier in der Region sind die Böden gut: nährstoffreich, lehmhaltig. Das mögen Rosen. Außerdem sind wir in Sangerhausen klimatisch begünstigt. Der Winter wird durch den nahen Harz zwar recht kalt, aber es ist auch sehr trocken. Viel Feuchtigkeit ist nämlich nicht gut für Rosen, dann breiten sich Pilz- und Blattkrankheiten aus.

Das Rosarium umfasst auch eine Datenbank, Register und wissenschaftliche Einrichtungen rund um die Rose. Wie werden sie genutzt?

Experten kümmern sich um die Sichtung des Bestandes. Zum Beispiel mit einer Gen-Datenbank für die Rosen. Es gibt zudem ein umfangreiches Verzeichnis der alten Rosen. Wenn Besucher eine bestimmte Sorte suchen, finden wir sie. Und sicher auch die zugehörigen Pflanzen im Park. Außerdem wird in Kooperation mit vielen Rosarien weltweit wissenschaftlich gearbeitet, zusätzlich auch mit privaten Gärtnern, die Vergleichspflanzungen anlegen, bei der Bestimmung unterstützen, einzelne Rosen sichten...

Sangerhausen ist also auch ein Treffpunkt für Biologen und Fachleute?

Ja. 2013 kamen zum Beispiel Hunderte Experten zum Weltrosenkongress in die Stadt - für Inspiration und Austausch. Das Rosarium zeigte sich mit seiner riesigen Sammlung als Mekka für Rosenfreunde. Und wenn sich in Neuseeland, Kanada oder Indien jemand intensiv mit Rosen beschäftigt, kommt er um einen Besuch in Sangerhausen einfach nicht herum.

Wie geht es nun weiter mit dem Rosarium?

Wir wollen den alten Bestand erhalten, vermehren und zur Verbreitung historischer Rosen beitragen. Vielleicht können wir die Sammlung in Kooperation mit anderen Rosengärten und Privatpersonen noch vervollständigen. Bei Neuzüchtungen wählen wir gezielt aus, denn knapp 14 Hektar Fläche sind leider nicht genug für alles, was auf den Markt kommt.

Was hat der Park neben den blühenden, duftenden Schönheiten noch zu bieten?

Im Prinzip: Erlebnisse rund ums Jahr. Denn selbst im Winter – ohne blühende Rosen – ist das Rosarium eine wunderbare Parkanlage, die sehens- und besuchenswert ist. Derzeit stehen natürlich viele Rosen in Blüte – in all ihrer Vielfalt, für jeden Geschmack und jeden Gartenstandort. Blüte, Belaubung, Bestachelung: alles ganz unterschiedlich.
Sehr spannend sind auch im Herbst die Hagebutten – schwarze, grüne, gelbe, winzig kleine oder solche, die aussehen wie Kastanien. Daneben kann man viel über Gartengestaltung und Gartengeschichte erfahren. Es gibt einen Hochzeitspavillon für Trauungen und "Rose trifft Kunst" – eine Ausstellung im Park mit Kunstwerken aus aller Welt. Außerdem Veranstaltungen wie das Berg- und Rosenfest, zahlreiche Konzerte, die Rosenarena mit Angeboten, eine Ausstellungshalle... Und eine Rosenkönigin plus eine Rosenprinzessin, die den Park nach außen repräsentieren.

Und die zahlreichen Hobbygärtner und Rosenliebhaber: Finden sie in Sangerhausen Antworten auf ihre Fragen?

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"Wo du eine Rose züchtest, kann keine Distel wachsen". Frances Hodgson Burnett © Illustration Rose: Cyprian Lothringer

Ja, sie können sich an die wöchentliche Rosenberatung unserer Experten wenden, immer am Wochenende von 13 bis 15 Uhr am historischen Pavillon. Aber auch jeder der über 20 Gärtner auf dem Areal hilft gern weiter. Angeboten werden zudem Schnittkurse, Fachvorträge, Rosenklassen – alles rund ums Thema Rose.
Auch Anfänger müssen keine Angst haben: Wir helfen ihnen, die richtige Rose zu finden. Es gibt keinen schöneren Ort, um mit der Liebhaberei Rose zu beginnen als hier im Rosarium.

Sie sind ja nun kein Anfänger mehr, wie lange beschäftigt Sie das Thema Rose?

Sehr lange, aber zunächst eher als Hobby. Vor zehn Jahren bin ich über meine Leidenschaft für Gärten und Rosen hier ans Rosarium gekommen. Ich war zuvor schon ein begeisterter Besucher des Parks. Irgendwann bot sich die Gelegenheit, Führungen zu übernehmen. Seitdem bin ich dabei und entdecke immer noch Neues.

Jeden Tag im Park mit so vielen Rosen – welche ist Ihre liebste?

Mmmh... Ich mag besonders Raritäten, also Sorten, die Sie nicht beim Gärtner um die Ecke kaufen können. Wildrosen zum Beispiel und historische Rosen, wie die Klasse der Gallica-Rosen. Die waren Anfang des 19. Jahrhunderts sehr populär: sehr guter Duft, Farben von Weiß bis Dunkelviolett und sehr dankbar. Sie wachsen selbst an halbschattigen Standorten, duften gut und sind absolut frosthart.


Zur Person:


Andreas Lachner
interessierte sich schon früh für Rosen, wechselte für sein Hobby vor zehn Jahren sogar den Beruf. Er arbeitet als Rosenberater und führt Interessierte durchs Rosarium.



 


ROSENGEFLÜSTER

Rosensorten, -klassen und-arten
Rosenarten sind Rosen ohne züchterischen Eingriff. Rosenklassen sind: Beetrosen, Edelrosen etc., innerhalb derer es verschiedene Rosensorten gibt.

Veredlung, Kreuzung, Zucht
Bei Kreuzungen werden Pollen und Narbe verschiedener Arten zusammengebracht. Die entstehende Hagebutte wird eingepflanzt, es wächst die erste Rose der Kreuzung. Für die Zucht wird ein Steckling in die Erde gesetzt, wurzelt günstigenfalls und bildet ein Duplikat der Mutterpflanze. Bei der Veredelung wird von einem abgeblühten Trieb eine nachwachsende Knospe per T-Schnitt auf eine Wildrosenwurzel gesetzt und gepflanzt.

Rosen überall?
Ursprünglich gab es Rosen nur auf der Nordhalbkugel der Erde, sogar eine, die nördlich des Polarkreises wächst: die Nadelrose – Rosa acicularis. In Australien oder Südafrika waren sie ursprünglich nicht heimisch.

Grüne Rose
Die Rosa viridiflora ist ein Kuriosum, eine Mutation. Mit ihren unauffälligen grünen Blüten zeigt sie keine voll ausgebildete Blüte, sondern eher eine Ansammlung von Kelchblättern ohne Narbe und Pollen.

Dornen oder Stacheln?
Rosen haben Stacheln. Denn Dornen sind anders als bei Rosen fest mit dem Holz verwachsen. Das Märchen vom Dornröschen müsste also eigentlich Stachelröschen heißen. Während die Stachelbeere Dornen hat und damit botanisch eine Dornenbeere ist.

Teerosen
Teerosen haben nichts mit Tee zu tun. Häufig werden gelbblühende Beetrose mit starkem Duft so genannt. Das ist aber falsch, auch wenn die Rosenklasse „Teerose“ existiert. Die Teerose wurde vor Jahrhunderten in China gezüchtet und kam zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach Europa – aus einer Gärtnerei mit dem Namen Fa Tee. Deshalb: Teerosen.

Essbare Rosen
Jede Rose, die nicht chemisch behandelt wurde, kann man essen, Blüten genauso wie Blätter. Besonders aromatisch sind Rosen mit gutem Duft. Nach der Rosenblüte kann man auch die Hagebutten – vitaminreich und lecker — verwenden.

Rosen und Namen
Eine Rose mit tollem Namen verkauft sich gut, so die Züchter. Aber eben nur manchmal. Eine tolle Zwergrose - violett, stark gefüllt, guter Duft – war zeitweise auch in Sangerhausen im Verkauf. Wegen eines fehlenden Sortenschildes fragte eine Kundin nach. Und gab die Rose dann zurück: "Nee, Heidi Klum möchte ich nicht in meinem Garten haben." – Frau Merkel hat indes keine eigene Rose, Konrad Adenauer, Helmut Kohl, Johannes Rau, Dagmar Berghoff aber schon, ebenso blühen "Pele" und "Uwe Seeler" im Rosarium.

Popularität
Die Edelrose "Gloria Dei", 1945 eingeführt, gilt als die meistverkaufte Rose aller Zeiten. Sie betört mit unzähligen Blüten in Gelb mit rosafarbenem Rand.


Informationen

Europa-Rosarium Sangerhausen
Am Rosengarten 2a
06526 Sangerhausen
Öffnungszeiten:
(über Haupteingang)
täglich 9.30 bis 19 Uhr
September/Oktober 9.30 bis 17 Uhr
www.europa-rosarium.de
www.rosarium-verein.de

Weitere Informationen für Rosenfreunde:
Deutsche Rosengesellschaft
Pariser Ring 37
76532 Baden-Baden
www.rosenfreunde.de