Clubvitalität
»Freude heißt die starke Feder…
… in der ewigen Natur« schreibt Friedrich Schiller in seinem Werk „An die Freude“. Ein Motto, das auch für rotarisches Clubleben gelten sollte
Rotary funktioniert auf freiwilliger Basis. Engagement, Leidenschaft, Spenden – alles ist freiwillig. Gleichwohl brauchen auch Ehrenamtliche einen „return on invest“ – in Form von Zufriedenheit. Das Gefühl, für andere und/oder Bedürftige etwas geleistet, gestaltet und bewegt zu haben, motiviert und macht Freude. Es ist eine wichtige Bedingung für Kreativität und qualitativ gute Arbeit. Doch was macht ein erfülltes, rotarisches Clubleben aus – für den Club und das einzelne Mitglied?
Das Jahresmotto für 1989/90 von RI-Präsident Hugh M. Archer aus Michigan/USA hieß ‚Enjoy Rotary‘. Bis heute werden diese zwei Worte in vielen Reden, Leitfäden und Governorbriefen zitiert, die Idee dahinter stieß und stößt aber nicht überall auf Verständnis. „Für manche Mitglieder steht „Enjoy Rotary“ nicht im Einklang mit der Ernsthaftigkeit der Ziele, die Rotary verfolgt“, erklärt Past-RI-Direktor Holger Knaack (RC Herzogtum Lauenburg-Mölln) „auch die vielen Statuten und Vorschriften rotarischer Regelwerke erwähnen mit keinem Wort das Vergnügen, das Mitglieder an ihrem Tun haben sollten oder besser haben müssen. Dabei sorgt gerade Freude für regelmäßiges Erscheinen bei den Meetings und sichert dadurch den Fortbestand von Clubs.“
Wer sich wohlfühlt, kommt wieder
Nicht nur auf Distriktkonferenzen geht es immer wieder um die (schlechte) Präsenz. Dies ist auch ein „Lieblingsthema“ von Ed Futa, langjähriger Generalsekretär von Rotary International. Eingeladen als Vertreter des RI-Präsidenten im Distrikt 1880, relativierte Futa die Bedeutung hochprozentiger Anwesenheit und wies darauf hin, dass persönliches Engagement wichtiger sei. Warum? Weil Präsenz von selbst kommt, wenn darauf geachtet wird, dass alle Mitglieder ins Clubleben involviert sind. Im Vergleich dazu sei das rotarische Regelwerk zweitrangig. Auch Past-Gov. Karl-Eduard von der Heydt (RC Esslingen) mahnte während der Konferenz von D 1830 zu Gelassenheit, denn jede Präsenzdiskussion könne man sich sparen: „Rotary on Demand — damit muss man leben“.
Die Konsequenz heißt demnach, dass die Voraussetzungen im Club ein möglichst häufiges „demand“ schaffen müssen. Harald Bos (RC Bad Wörishofen), Leiter der Rotary-Akademie 1841/42, formuliert es so: „Wenn die Präsenzen abnehmen oder schon schlecht sind, muss man sich doch fragen, wie man den Mitgliedern so interessante Angebote macht, dass sie ihnen nicht widerstehen können.“ Er ist dieser Anforderung schon länger auf der Spur: „Im Rahmen eines Seminars mit Erfahrungsaustausch zum Thema ‚Clubleben zum Wohlfühlen‘ haben wir einige Schlüsselfaktoren ausgemacht, die für die Vitalität eines Clubs sorgen. Ziel muss es sein, dass alle Mitglieder sich anerkannt und integriert fühlen.“ Für den regelmäßigen Clubbesuch reichen eben weder schlechtes Gewissen noch das im Voraus bezahlte Essen im Clublokal als Triebfeder – das ist bei Mitgliedern eines Fitnessstudios nicht anders.
Vortrag(sweise)
Bos und seine Seminarteilnehmer machten als zentrales Anliegen und als wichtigstes „Bindemittel“ ein abwechslungsreiches Vortragsprogramm aus. Die Wahl eines Jahres—themas, das manche Clubpräsidenten ausgäben, erschwere die thematische Vielfalt mitunter, allerdings verbessere es auch die Tiefe. Aber ob mit oder ohne inhaltliche Vorgabe sei es neben einer breit gefächerten Themenwahl sinnvoll, auch in der Form zu variieren. Anstatt „Powerpoint-gestützten Frontalunterrichts“ sind beispielsweise Interviews oder Gesprächsrunden denkbar. Idealerweise mit zwei oder drei Experten (clubintern und extern), die unterschiedliche Meinungen vertreten – und übrigens bei entsprechender Technik via Laptop, Kamera, Leinwand und WLAN auch online zugeschaltet werden könnten. Das Involvieren mehrerer Fachleute, die für verschiedene Ansichten stehen, fördert die Lebendigkeit der Veranstaltung und die Diskussionsbereitschaft des Publikums – ein Prinzip, das erfolgreiche TV-Talkshows seit Jahren vormachen.
Eine gute Idee ist auch der Referententausch mit Nachbarclubs, was nicht nur das Befüllen der rund 50 Spalten in der Excelliste des Vortragswarts vereinfacht, sondern gleichzeitig auch die Möglichkeit gibt, Kontakte herzustellen und gemeinsame Projekte anzuschieben.
Auch Rotary muss immer mal wieder zum Thema werden, als Referenten bieten sich neben den eigenen Vorstandsmitgliedern Beauftragte des Distrikts oder Mitglieder rotarischer Initiativen wie Fellowships und Action Groups an. Auch die deutschen Vertreter in internationalen rotarischen Gremien freuen sich über eine Einladung. Sie alle bringen nicht nur ihren überregionalen Erfahrungsschatz mit, sondern sind gern bereit, ihr Netzwerk zur Verfügung zu stellen und bei Problemen zu helfen.
Eine clubinterne Umfrage einmal im Jahr ist ebenfalls ein schöner Programmpunkt, sie überprüft die Stimmung, fördert möglicherweise überraschende Erkenntnisse zutage und hilft ganz sicher, Ärgernisse und Abwanderungsgedanken einzelner Mitglieder rechtzeitig zu erkennen. Ein Clubpräsident aus Baden-Baden hat bereits Erfahrungen mit clubinterner Marktforschung gemacht, er empfiehlt: „Die Umfrage muss zu erkennen geben, was man damit erreichen will, und es sollte möglichst viele Antwortmöglichkeiten geben.“ Holger Knaack empfiehlt zur Erhebung eines Stimmungsbildes ein jährliches, offenes Strategiegespräch: „Clublokal, Clubleben – alles gehört auf den Prüfstand“, sagt er. „Dabei ist auch der Blick in die Zukunft wichtig: Wo soll der Club in fünf, beziehungsweise zehn Jahren stehen?“.
Ein anderer (ver)lockender „Mitmach“-Programmpunkt ist auch die Durchführung eines Erste-Hilfe-Kurses, denn wer nimmt schon im Alltag einfach mal so an einer Auffrischung teil? Im Rahmen eines Meetings jedoch funktioniert das ohne Zeitverlust.
Und noch eine Erkenntnis gab es, erzählt Bos: „So beliebt ‚Plaudermeetings‘ sind, sie sorgen nicht unbedingt für gute Präsenz – und für mehr Mitglieder schon gar nicht.“
Wachstum – wozu eigentlich?
Das kann Peter Iblher bestätigen, er ist nicht nur „Chef-Statistiker“ für das Zahlenwerk der Mitglieder im deutschsprachigen Raum, sondern gleichzeitig auch verantwortlich für dessen positive Entwicklung, genannt Clubvitalität (siehe auch das Interview rechts). Er sagt: „Der Grund, warum ich und andere rotarische Amtsträger – für einige vielleicht ‚gebetsmühlenartig‘ – immer wieder die Bedeutung des Wachstums hervorheben, ist ganz einfach: Nur ein wachsender Club lebt, denn jedes neue Mitglied ist eine Bereicherung, fordert und fördert den Club. Nur auf diese Weise kann Behäbigkeit und Selbstgenügsamkeit begegnet werden.“
Clubdienst(leister)
Einen Club lebendig (vital, munter, überlebensfähig) zu halten, ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die üblicherweise in den Händen des Clubmeisters liegt und deren Bedeutung sowohl von ihm als auch den Mitgliedern manchmal unterschätzt wird. Eine gängige Aufgabenbeschreibung des Clubdienstes lautet: „Der Clubdienst kann als das ‚Innenministerium‘ eines Clubs angesehen werden. Er sorgt für eine effiziente Verwaltung und eine erfolgreiche Durchführung des rotarischen Clublebens. Die hier verantwortlichen Personen kümmern sich um alle Belange des internen Clubbetriebes, insbesondere um die Betreuung aller Mitglieder.“ Dazu kann dann auch gehören, neue Ideen zu entwickeln, um veränderten Bedürfnissen entgegenzukommen. Beispielsweise mit monatlichen Frühstücksmeetings, die sich zumindest in Hamburg und Berlin als Volltreffer erweisen, wo Mittagsmeetings einigen Freunden aufgrund der Distanz zum Arbeitsplatz Schwierigkeiten bereiten.
Mit anderen Worten: Der Clubmeister besetzt eines der wichtigsten Ämter im Club, ihm oder ihr kommt eine Schlüsselrolle bei der Suche nach den „Wohlfühlfaktoren“ zu. „Seine Verantwortung umfasst alles, was wichtig ist, damit ein Club ein Rotary Club wird und bleibt und damit aus Mitgliedern Rotarier werden“, schrieb einmal PDG Gerhard Engel (RC Aschaffenburg-Schonbusch, verstorben 2010), und als wichtigste Eigenschaften eines Clubmeisters listet Rolf Besserer (RC Crailsheim), in einer Präsentation für ein PETS-Seminar Persönlichkeitsmerkmale auf, die gleichzeitig an Bewerber für das Auswärtige Amt denken lassen: „Verbindlich und offen, erfahren im Umgang bei Konflikten, diplomatisch geschickt und ausgleichend“.
Freude – nicht Bespaßung
Auf die Frage „Wozu gibt es euch eigentlich“ hält Holger Knaack je nach seinem Gegenüber mehrere Antworten parat, am liebsten sagt er aber: „Ganz einfach: Rotary ist dazu da, Freude zu verbreiten – extern und intern. Freude geben via Hilfestellung, Freude erfahren durch Gemeinschaft mit Gleichgesinnten sowie die Zufriedenheit darüber, die Welt verbessern zu können. Damit meine ich nicht, dass neue Mitglieder bespaßt werden sollen, sondern dass wir sie von Anfang an zu Eigeninitiative ermutigen müssen. Nur über das Mitwirken in Projekten und das Übertragen konkreter Aufgaben wird Bindung, bezeihungsweise Verantwortung erreicht, und nur so merken neue (und alte) Freunde, wie viel Freude gemeinsame Aktionen machen und den Club vitalisieren.“ Und sie „enjoyen“ Rotary idealerweise für immer.
Wichtigste Faktoren:
Der Leitfaden der Mitgliedschaftsbeauftragten der deutschen und österreichischen Clubs analysiert die Erfolgsfaktoren vitaler Clubs:
- Definition klarer, konsenzgetragener Ziele mit einem Leadership Plan als Basis für erfolgreiche und nachhaltige Clubarbeit
- Transparente Organisation und klare Zuständigkeiten im Club und im Distrikt für das reibungslose Zusammenwirken
- Attraktives Veranstaltungsprogramm
- Mitglieder sind über wesentliche Clubprojekte auf dem laufenden, der Club wird von ihnen und der Öffentlichkeit vorrangig durch die gesellschaftliche Bedeutung der Projekte und Veranstaltungen wahrgenommen
- Vielfalt nach Gesellschaftsbereichen. Ethnie, Berufen, Alter, Geschlecht etc. stellen enormes Potential
- Breite Beteiligung für den Zusammenhalt
- Gute Kommunikation
- Zufriedenheit der Mitglieder erheben, Verbesserungsvorschläge einfordern und umsetzen
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