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Porträt

„Wir zappen den Tumor einfach weg“

Porträt - „Wir zappen den Tumor einfach weg“
„Gerade für gutartige Tumoren ist das Gerät ein Gamechanger“, sagt Prof. Dr. Peter Douglas Klassen. © ZAP-X-Zentrum Lingen

Professor Dr. Peter Douglas Klassen holte ein spezielles Gerät zur Hochpräzisionsbestrahlung von Hirntumoren und -metastasen nach Europa und gründete im Bonifatius Hospital Lingen das ZAP-X-Zentrum.

Insa Fölster01.12.2021

Auf einer schmalen Liege rückwärts hineingeschoben, umgibt nur Sekunden später eine dicke Stahlwand in Form einer riesigen Kugel den Körper. Der Platz um einen herum erscheint großzügig, die weiß beschichtete Wand lässt alles hell und sogar halbwegs freundlich erscheinen. Aber ein beklemmendes Gefühl bleibt. Direkt über dem Kopf prangt eine 4000 Kilogramm schwere stahlgraue Kugel aus dem Schwermetall Wolfram. Ein kurzer Schulterblick nach links und rechts eröffnet den Blick durch winzige fensterartige Löcher in die Tiefen des Gerätes und lässt nur erahnen, welche Hochpräzisionstechnik in dem 40 Tonnen schweren Gerät mit dem prägnanten Namen ZAP-X steckt, das seit März dieses Jahres in Betrieb ist.

Gute Alternative

„Tumorerkrankungen werden der Boom des nächsten Jahrhunderts sein“, sagt Peter Douglas Klassen. „Heutzutage kann man sie früher erkennen und aggressiver behandeln, aber wachsen tun sie trotzdem.“ Die sogenannte stereotaktische Radiochirurgie (SRS) ZAP-X ist kein Allheilmittel, aber für bestimmte Indikationen stellt sie eine Alternative oder Ergänzung zur klassischen Chirurgie und Strahlentherapie dar. Unter bestimmten Voraussetzungen können bösartige Tumore, Neuromodulation und Schmerz sowie gutartige Tumore im Kopf- und Halsbereich damit erfolgreich behandelt werden. „Gerade für gutartige Tumoren ist das Gerät ein Gamechanger“, sagt Peter Douglas Klassen. „Wir zappen den Tumor einfach weg.“ Von der hohen zerstörerischen Wirkung bekommt der Patient nichts mit. Die Bestrahlung ist für den Patienten schmerzfrei, und das umliegende gesunde Gewebe wird maximal geschont. Nach einer meist einmaligen Behandlung von nur 45 Minuten kann der Patient wieder aufstehen und in sein gewohntes Umfeld zurückkehren.

Persönlicher Antrieb

Das ZAP-X nach Lingen zu bringen, sagt Peter Douglas Klassen, sei das Ergebnis einer Grundeinstellung, sich für das Wohl der Stadt einzusetzen. Sie geht eng einher mit der Grundidee „Service Above Self“ von Rotary International, der er sich eng verbunden fühlt. Und mit einer intrinsischen Motivation sehr persönlichen Ursprungs.

Es war im Jahr 2005, als der Chefarzt der Abteilung Wirbelsäulenchirurgie und Neurotraumatologie am Bonifatius Hospital in Lingen seine Mutter verlor. Sie starb mit Hirnmetastasen in ihrer Heimat Paraguay. Nur drei Jahre später verstarb sein bester Freund an Hirnmetastasen. „Da war ich schon Arzt, aber ich konnte nichts für sie tun“, beschreibt der Neurochirurg seine Hilflosigkeit, die er sich damals eingestehen musste. Doch aufgeben war noch nie eine Option für den gebürtigen Paraguayer mit deutsch-russischen Vorfahren. Er schwor sich: „Wenn ich einmal in die glückliche Situation komme, es anders beeinflussen zu können, dann will ich das tun.“ Mit dem Projekt ZAP-X ist dem 47-Jährigen ein großer Schritt in diese Richtung gelungen. Praktisch und mental unterstützt wird er dabei täglich von seiner Frau Edelgard und den vier Kindern, die das Gerät liebevoll ihr „Halbgeschwisterchen“ nennen.

Neue Heimat Lingen

Im Jahr 2000 kamen er und seine Frau mit einem Kind auf dem Arm, einem Kind im Bauch und vier Koffern als Wirtschaftsflüchtlinge nach Deutschland. Sie sahen für sich keine adäquate berufliche Perspektive in Paraguay. „Wir haben es nie gescheut, Risiken einzugehen“, sagt Peter Douglas Klassen und blickt dabei noch einmal kurz zurück: auf die quadratmetergroße Fototapete hinter dem ZAP-X. Sie zeigt die Steppe aus ihrem Heimatort Filadelfia. Dort lernten sich Edelgard und Douglas bereits in der Schule kennen und gingen von da an ihren Weg gemeinsam.

Seit zwölf Jahren lebt die Familie Klassen jetzt in Lingen und ist dort bestens vernetzt und integriert. „Unsere Silberhochzeit war die letzte große Party vor Corona im Emsland“, sagt Peter Douglas Klassen und lacht.

Geschenk des Himmels

Die beiden sind ein eingespieltes Team. Nach ihrem Studium der Krankenpflege in Paraguay studierte Edelgard Klassen nach der Kinderpause noch Gesundheitsmanagement an der Hochschule Osnabrück, bevor sie dann als Case-Managerin und Projektkoordinatorin im ZAP-X-Zentrum einstieg. „Für uns ist es ein Geschenk des Himmels, diesen Platz in einem christlichen Krankenhaus einnehmen zu dürfen“, sagt Peter Douglas Klassen. Aber was wäre das Leben der Familie Klassen ohne neue Herausforderungen: Aktuell träumt das Ehepaar von einem Weiterbildungsaufenthalt in den USA. Peter Douglas Klassen möchte ein Research Fellowship in den USA annehmen. Ein Angebot aus Stanford hat er schon. Er wartet nur auf den richtigen Zeitpunkt. Der soll auf jeden Fall erst sein, wenn das Projekt ZAP-X finanziell auf festen Beinen steht und er sein „Baby“ beruhigt in die Hände von anderen geben kann. Mit dem Wissen, was er sich in den USA aneignet, wird er zurückkommen und es zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle einsetzen. Denn, da ist sich das Ehepaar Klassen schon immer einig: „Geben ist seliger als nehmen.“


Zur Person

Prof. Dr. Peter Douglas Klassen (RC Lingen) stammt gebürtig aus Paraguay und kam im Jahr 2000 nach Deutschland. Seit 2009 arbeitet er im Bonifatius Hospital Lingen. Der Neurochirurg ist Chefarzt der Abteilung Wirbelsäulenchirurgie und Neurotraumatologie. Zuletzt baute er das ZAP-X-Zentrum Lingen auf. Unter seiner Leitung bietet das Krankenhaus seit März dort stereotaktische Radiochirurgie (SRS) ZAP-X an. Das Gerät bildet für bestimmte Indikationen eine Alternative zur klassischen Chirurgie und Strahlentherapie.

zap-x.de