Interview
Rotarier Benjamin List erhält Chemie-Nobelpreis
Der Nobelpreis für Chemie geht in diesem Jahr an den deutschen Benjamin List, Mitglied im RC Mülheim a. d. Ruhr-Schloß Broich und den in Schottland geborenen US-Forscher David W.C. MacMillan. Beide haben Methoden zur Beschleunigung chemischer Reaktionen entwickelt.
Wir haben mit Benjamin List, der am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim forscht, ein kurzes Interview geführt.
Herr List, wie haben Sie vom Chemie-Nobelpreis-Gewinn erfahren?
Das ist eine unglaubliche Geschichte. Ich war an dem Tag, und dies zeigt, dass ich wirklich nicht mit der Auszeichnung gerechnet hatte, mit meiner Frau auf einem Städtetrip in Amsterdam. Wir hatten dort ein Konzert besucht und am nächsten Morgen uns ein schönes Café für das Frühstück herausgesucht. Kurz bevor wir die Bestellung abgeben konnten, klingelte mein Handy. Meine Frau sagte sofort: Das ist der Anruf. Das war aber als Scherz gemeint. Wir hatten wirklich nicht damit gerechnet, wenngleich wir wussten, in einer Dreiviertelstunde wird der Chemie-Nobelpreis bekannt gegeben. Man hört immer wieder mal solche Scherze, wenn man als Kandidat gehandelt wird. Nicht, dass ich mich selbst als Kandidat gesehen habe, aber es wurde von außen in den vergangenen Jahren immer wieder mal an mich herangetragen. Auf jeden Fall habe ich auf dem Display des Handys dann eine unbekannte Nummer gesehen, wo darunter Schweden stand. Ich habe meine Frau schockiert angesehen, bin aus dem Café gerannt und habe den Anruf entgegengenommen. Dann war es tatsächlich DER Anruf. Es war unglaublich. Ich musste dann pantomimisch meiner Frau, die noch im Café saß und durch eine Glasscheibe zu mir herüber schaute, erklären, dass mir gerade wirklich erklärt wird, dass ich den Nobelpreis erhalten werde.
Wie war der Gesichtsausdruck Ihrer Frau in diesem Moment?
Die war natürlich auch geschockt. Ich bin etwas in die Knie gegangen, um zu zeigen, dass ich vor Freude fast ohnmächtig werde. Das war ein Moment, den werde ich nie mehr vergessen.
Konnten Sie danach noch in Ruhe frühstücken?
Nein. Erstens war die Qualität des Frühstücks leider doch nicht so, wie wir es uns erhofft hatten. Zweitens konnte ich nichts essen, das ging einfach nicht. Netterweise wird man ja eine Dreiviertelstunde vor Bekanntgabe informiert, damit man sich darauf vorbereiten kann, was gleich über einen hereinbrechen wird. Aber was soll man in dieser Dreiviertelstunde machen? Wie kann man sich darauf vorbereiten? Eigentlich gar nicht. Wir haben dann schnell bezahlt, sind noch etwas durch Amsterdam geirrt und dann zurück zum Hotel.
Haben Sie dem Hotelpersonal gleich erzählt, dass Sie nun Chemie-Nobelpreisträger sind?
Ja. Ich hatte das denen gleich gesagt. Die haben sich natürlich sehr gefreut und mir dankenswerter Weise einen separaten Raum zur Verfügung gestellt. Da saß ich dann und habe Interviews gegeben, zuerst mit der Nobelpreisstiftung selbst.
Wie viele Anrufe erhielten Sie an dem Tag?
Ich habe sie nicht gezählt. Ich bin auch noch nicht dazu gekommen, alle 600 Mails zu beantworten. Hinzu kommen ja nochmal SMS und WhatsApp-Nachrichten.
Ist es nun ein Fluch, dass Ihre Mailadresse auch auf der Max-Planck-Instituts-Homepage einsehbar ist?
Wahrscheinlich schon. Wobei bei Publikationen in wissenschaftlichen Fachzeitschriften immer meine Mailadresse dabei steht. Wer will, bekommt meine Mailadresse schnell raus. Mein Ehrgeiz ist es immer, irgendwann im Jahr mal alle Mails aus der Inbox bearbeitet zu haben. Aber ich fürchte, das wird in diesem Jahr nicht klappen.
Wie war der Empfang im Max-Planck-Institut für Kohlenforschung?
Der war unglaublich schön. Es war einer der schönsten Momente in meinem Leben. Dadurch, dass ich bei der Bekanntgabe nicht im Institut war, hatte man dort genug Zeit, sich auf meine Ankunft vorzubereiten. Wir haben einen Innenhof im Institut und auf jeder zweiten Ebene gibt es Feuerbalkons, auf denen dann Mitarbeiter standen. Alle haben geklatscht und die Presse war natürlich dabei und die Fernsehkameras auf mich gerichtet. Aber das hatte ich gar nicht wahrgenommen. Ich sah nur all die Kollegen, die für mich applaudierten. Das Gefühl, dass da jetzt das ganze Institut dasteht, sich freut und klatscht, das war unbeschreiblich. Ich habe die Freude richtig gespürt. Die Handwerker, die Kollegen aus der Verwaltung, die Analytiker, die Chemiker aus den Laboren, alle waren da und klatschten fünf Minuten lang. Dann war kurz Stille, weil ich Reportern ein paar Fragen beantwortete und dann gab es nochmal fünf Minuten Applaus. Die Zeit erschien mir in diesem Moment endlos. Es war überwältigend schön.
Haben Sie denn ein paar Worte finden können oder war das ein Moment, wo Sie selbst erst einmal nicht wussten, was Sie sagen sollen?
Seltsamerweise war mir dies leichtgefallen. Ich musste ja keine komplizierte Erklärung abgeben, sondern es war ein freudiger Anlass.
Wurden Sie von Ihrem Rotary Club schon zu einer Feier eingeladen?
Wir sind in Kontakt. Es wird mit Sicherheit eine kleine Feier geben, aber wann wir dies schaffen, kann ich noch nicht sagen. Aber das machen wir auf jeden Fall. Mal schauen, ob ich dann auch noch einen Vortrag halte. Zweimal durfte ich ja schon referieren, einmal über mein Forscherleben und einmal über Katalyse als Ganzes. So oder so: Wir werden gebührend feiern.
Copyright: Andreas Fischer
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