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Bernd Dreesmann, RC Euskirchen-Burgfey

Als der Bundespräsident rief...

Wie der erste Mann im Staat und ein junger Jurist namens Bernd Dreesmann die Grundlagen schufen für eine der wichtigsten deutschen Nichtregierungsorganisationen, das ist eine Episode aus spannender Zeit.

Matthias Schütt11.01.2013

Anfang der 1960-er Jahre löste sich der Blick der Deutschen (West) allmählich von den eigenen Befindlichkeiten; nach den schweren Aufbaujahren war man jetzt soweit, internationale humanitäre Verpflichtungen zu übernehmen. Eine Hauptrolle dabei spielte Heinrich Lübke, über den viele Anekdoten kursieren, die aber kaum jemals seinem politischen Gewicht gerecht werden. In dieser Episode kann man ihn anders kennenlernen.

Gerade erst gab es im politischen Berlin Anlass zu feiern: 50 Jahre Welthungerhilfe, die ihre Gründung auf den 14. Dezember 1962 datiert, als zunächst ein „Deutscher Ausschuss für den Kampf gegen den Hunger in der Welt“ eingerichtet wurde. Bundespräsident Lübke, studierter Landwirt und Landwirtschaftsminister a.D., hatte sich den Aufruf der UN-Ernährungsagentur FAO zum Aufbau eines weltweiten Netzwerks zu eigen gemacht. „Der Hunger war ihm eine Herzensangelegenheit“, erinnert sich Dreesmann. Entsprechend ungeduldig reagierte Lübke, als er bei der Hungerkatastrophe 1966 in Bihar/Indien feststellen musste, dass der Ausschuss quasi nur auf dem Papier bestand. Die ungeklärten Zuständigkeiten mit dem im Aufbau befindlichen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit hatten bis dahin jede Initiative verhindert.

Jetzt platzte Lübke der Kragen und er bestellte im März 1966 die Geschäftsführung in die Villa Hammerschmidt ein, darunter den knapp 30-jährigen, frisch bestallten Justiziar Dreesmann. Und der muss beim Rapport Eindruck gemacht  haben, denn nicht die altgedienten  Politfunktionäre, sondern der junge Mann wurde ins Visier genommen: „Ich erhielt den Auftrag, dem Bundespräsidenten in spätestens acht Wochen vorzulegen, was der Ausschuss in Zukunft tun sollte.“

Damit nahm seine Karriere bereits ganz am Anfang die entscheidende Wendung. In den folgenden 25 Jahren baute Dreesmann als Generalsekretär die Welthungerhilfe zur führenden nicht-kirchlichen NGO auf. Nach anfänglicher Beteiligung an kleineren FAO-Projekten entwickelte man in Bonn eigene nachhaltige Großprojekte, beispielswiese eines zum  Reisanbau in Thailand, das heute mehrere Tausend Menschen ernährt. Als er 1991 ausschied, hinterließ er einen Apparat mit 120 Mitarbeitern und 38 Millionen DM jährlichem Spendenaufkommen.

Vorbereitet auf diesen Job war er eigentlich nicht, allerdings hatte er sein Jurastudium durch wertvolle Abstecher ins Ausland ergänzt, die ihn als Trainee bis ins Vorzimmer von EWG-Präsident Walter Hallstein brachten. In dessen Tross erlebte er die Realität des Nord-Süd-Gefälles unmittelbar, als es um die Ausarbeitung des EWG-Assoziierungsabkommens mit Afrika ging (Yaounde-Abkommen).

Die guten Kontakte nach Brüssel hat Dreesmann über die Jahre gepflegt, sodass sein Plan beim Ausscheiden „noch einmal etwas ganz anderes zu machen“ ein frommer Wunsch blieb. Sofort ereilte ihn der Ruf an die Spitze von EuronAid, dem Netzwerk aller europäischen NGOs zur Ernährungshilfe in Den Haag. „Hier ließ sich im Zusammenwirken mit Europa-Parlament, Ministerrat und Europäischer Kommission einiges bewegen, etwa der Aufbau eines globalen Netzwerks für den Einkauf von Nahrungsmitteln, Saatgut und landwirtschaftlichem Gerät. Damit konnten wir die Reaktionszeit für die Bereitstellung von Hilfe deutlich verkürzen.“

Auch im Ruhestand lässt ihn die Entwicklungsarbeit nicht los, inzwischen ist er mit einer eigenen NGO dabei: AHA – Alle Hilfe den Alten. Dreesmann ist seit 1992 Rotarier, zunächst beim RC The Hague Metropolitan, seit 2001 beim RC Euskirchen-Burgfey, der gerade ein Matching Grant mit AHA für ein Seniorenheim in Indien abgeschlossen hat. Vielleicht  weil er selbst in diesem Alter ist, gilt sein Augenmerk vor allem den Senioren: „An ihnen geht die Entwicklungshilfe bisher weitgehend vorbei.“

 

 


Zur Person

  • Bernd Dreesmann wurde am 15. Juni 1936 in Düsseldorf geboren. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und vier Enkel.
  • Nach dem Jurastudium in Bonn und München erhielt er 1960/61 ein Stipendium für ein Zusatzstudium in Volkswirtschaft und Politik in Bologna (Johns Hopkins University). Es folgte u.a. eine neunmonatige Tätigkeit im Mitarbeiterstab des EWG-Präsidenten in Brüssel.
  • Nach dem zweiten Staatsexamen im Dezember 1965 wurde er Justiziar bei der Deutschen Stiftung Entwicklungshilfe und alsbald mit dem Aufbau der Welthungerhilfe beauftragt. Von 1969 bis 1991 war er Generalsekretär dieser NGO.
  • 1991 wechselte er für zehn Jahre als Generalsekretär zu EuronAid nach Den Haag.
  • Heute kümmert sich Dreesmann mit der von ihm gegründeten Organisation AHA um die Lage von Senioren in Entwicklungsländern. Er dient außerdem der Rotary Foundation als Berater.
Matthias Schütt

Matthias Schütt ist selbständiger Journalist und Lektor. Von 1994 bis 2008 war er Mitglied der Redaktion des Rotary Magazins, die letzten sieben Jahre als verantwortlicher Redakteur. Seither ist er rotarischer Korrespondent des Rotary Magazins und seit 2006 außerdem Distriktberichterstatter für den Distrikt 1940.