Hanau
Empathie und schnelle Hilfe
Der RC Hanau ehrte den Oberbürgermeister der Stadt Hanau und stellvertretend den Vertreter des Ausländerbeirats für vorbildliches Handeln nach den Anschlägen von Hanau.
Schon früh wurde Hanau stark durch Fremde und Zuwanderer geprägt. Erste größere Gruppe waren wallonisch-niederländische Glaubensflüchtlinge, die sich um 1600 ansiedelten. 1945 folgten tausende amerikanische Soldaten, die bis in die neunziger Jahre mit ihren Familien das Stadtbild bestimmten. In den sechziger Jahren kamen italienische, dann türkische Gastarbeiter. Ab 1991 sorgten die Jugoslawienkriege und in jüngster Zeit der Syrienkrieg dafür, dass sich hunderte Familien Geflüchteter in Hanau niederließen.
Heute liegt der Ausländeranteil der Hanauer Bevölkerung bei 40 Prozent, verteilt auf 150 Nationen.
Die Anschläge
Das Zusammenleben der verschiedenen Nationalitäten funktionierte gut, ohne größere Reibungen. Diese Ruhe wurde am 19. Februar 2020 gegen 22.30 Uhr jäh erschüttert.
Was war geschehen? Ein psychisch kranker, 44 Jahre alter Mann zog schwer bewaffnet durch Hanauer Shisha-Bars und tötete acht Männer und eine Frau, alle im Alter zwischen 20 und 37 - alle mit Migrationshintergrund, aber ausnahmslos deutsche Mitbürger, die in Deutschland geboren und zur Schule gegangen sind. Außerdem wurden fünf Besucher teils schwer verletzt. Anschließend erschoss der Täter seine Mutter und sich selbst.
Sicht des Oberbürgemeisters
Oberbürgermeister Claus Kaminsky schilderte die dramatischen Ereignisse aus seiner Sicht: Gegen 23 Uhr erreichte ihn die erste Nachricht. Es folgten vier Stunden der Ungewissheit und der Angst mit vielen Fehlalarmen, bis der Täter letztendlich tot aufgefunden wurde.
Dem Oberbürgermeister wurde schlagartig klar, dass am nächsten Morgen eine andere Zeitrechnung einsetzen würde. Die ganze Welt würde kritisch auf Hanau und den Umgang mit diesen Geschehnissen blicken.
Seine innere Stimme sagte ihm gleichzeitig, dass der mitfühlende Umgang mit den Angehörigen der Opfer jetzt allerhöchste Priorität haben musste: Neben dem Zeigen von Betroffenheit und Empathie musste es dabei vor allem um unbürokratische schnelle Hilfe gehen.
Koordinierungsstelle
Unbürokratisch und schnell widerspricht dem Wesen der Verwaltung einer Großstadt. Es mussten daher unkonventionelle Wege gegangen werden. Mit Robert Erkan fand der Oberbürgermeister für diese Wege gleich einen weit anerkannten kompetenten Verbündeten.
Der selbständige Unternehmensberater und Mediator spiegelt als Sohn eines muslimischen türkischen Vaters und einer katholischen kroatischen Mutter – zudem noch ehemaliger Messdiener - die kulturelle Vielfalt der Hanauer Zuwanderergemeinde wider.
Politisch ist Robert Erkan engagiert als Vertreter des Ausländerbeirats; außerdem sitzt er als gewählter Stadtverordneter für das von ihm gegründete Forum Gemeinsames Hanau (FGH) im Stadtparlament.
Über die auf Initiative des Oberbürgermeisters spontan gegründete "Koordinierungsstelle der Stadt Hanau für Opfer und Betroffene des 19. Februar" konnten Robert Erkan, die sieben weiteren Mitglieder des Ausländerbeirats und die beiden von der Stadt bestellten Opferbeauftragten Dr. Maria Haas-Weber und Dr. Silke Hoffmann-Bär die versprochene schnelle Hilfe leisten.
Auszeichnung
Der – vorbildliche – Umgang mit den Folgen der schrecklichen Anschläge veranlasste Clubpräsident (2019/20) Bernd Krempel, den Oberbürgermeister und Robert Erkan mit je einer PHF-Medaille auszuzeichnen. Zur Übergabe der Urkunden war die wegen Corona maximal zugelassene sechsköpfige Delegation des RC Hanau ins Rathaus gekommen.
Die Laudatio auf den Oberbürgermeister endete mit dem Satz: "Mit seinen Worten und Taten hat Oberbürgermeister Claus Kaminsky das Richtige getan, damit Hanau nicht nur als Ort rassistischer Anschläge, sondern auch als Ort größtmöglicher Hilfe und Solidarität bekannt ist."
Robert Erkan bekam die Auszeichnung auch stellvertretend für die Mitglieder des Ausländerbeirates sowie die beiden Opferbeauftragten, die den Angehörigen nach den Anschlägen zu nahezu jeder Tages- und Nachtzeit zur Seite standen.
Abschließend wurde Robert Erkan vom Clubpräsidenten für das Amtsjahr 2020/21, Christoph Obladen, zu einem Vortrag im Club eingeladen. Denn – so der Präsident – im Gefolge der Anschläge gibt es für Rotary sicher noch viel zu tun.
Christian Kaiser wurde 1942 in Hessen geboren, machte Abitur in Hanau. Studium der Agrarwissenschaften in Göttingen und Bonn mit Promotion. Pächter der Hessischen Staatsdomäne Kinzigheimerhof bis 2004. Öbuv. Sachverständiger. Verheiratet, zwei Kinder. Seit 1981 im RC Hanau. Präsident 1999/2000, PHF+3. 2011 bis 2021 war er Distriktberichterstatter für D 1820.
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