Lübeck
Fragen nach Kitsch und Kunst
Wie man mit einem neuen Format die Meetingstruktur aufbricht, hat ein Rotary Club in Lübeck unter großem Zuspruch ausprobiert.
Rotarys Alleinstellungsmerkmal unter vergleichbaren Clubs ist die Klassifikationsbreite, die Fachleute aus allen beruflichen Bereichen zusammenführt. Wie sich dieses Potenzial einmal nicht für die Projektarbeit, sondern für unterhaltsame Meetings nutzen lässt, hat der RC Lübeck-Holstentor in einer kleinen Veranstaltungsreihe gezeigt: An drei Diskussionsabenden erläuterten Clubmitglieder, mitunter ergänzt durch externe Fachleute, Fragen von allgemeinem Interesse zu den Themen Heimat, Sterbehilfe und Kitsch. Organisiert und moderiert wurde das jeweilige „rotarische Podium“ von dem Journalisten Jürgen Adamek.
Vor allem das letzte Thema dürfte Clubmitgliedern und Gästen noch länger in Erinnerung bleiben. Nicht nur wegen der anschließenden fröhlichen Versteigerung mitgebrachter Kitsch-Objekte, sondern vor allem wegen der Vielfalt an Hinweisen, wo und wie sich Kitsch in der Kunst aufspüren lässt. So machte Bernd Ruf, Professor an der Musikhochschule Lübeck, am Beispiel des 2. Satzes von Mozarts Klavierkonzerts 21 in C-dur den schmalen Grat erkennbar, der zwischen hoher Kunst (Friedrich Gulda) und Kitsch (James Last) verläuft. Kitsch in seiner Definition ist „das Bisschen zuviel“, etwa wenn James Last zum Klavierkonzert die Bläser auffahren lässt. Aufschlussreiche Beispiele in der Literatur präsentierten die Leiterin des Buddenbrookhauses, Birte Lipinski, und in der bildenden Kunst die Kunsthistorikerin Brigitte Heise.
DISKUSSION MIT FACHLEUTEN
Mit ähnlich breitem Ansatz hatte der Club sich kurz vor der Parlamentsentscheidung dem Thema Sterbehilfe gestellt. Hier bat Adamek noch Sachverstand von außen hinzu: die Bundestagsabgeordnete Gabriele Hiller-Ohm sowie zwei Palliativ-Mediziner. Aus dem Club beleuchtete ein Jurist die rechtlichen und ein Pastor die theologischen Fragen. Dazu kamen die Erfahrungen eines Clubfreundes aus dem eigenen Familienkreis. Als eine Erkenntnis konnten die Zuhörer von diesem Abend mitnehmen, dass das kontrovers diskutierte Thema viel von seiner Brisanz verlöre, wenn palliativmedizinische Angebote konsequent ausgebaut würden.
Regen Zuspruch konnte Präs. Christian Greve zu diesen besonderen Meetings registrieren, deren einziges Manko ist, dass sie in den üblichen 90 Minuten nicht abzuhandeln sind. Als Manko hat das aber niemand empfungen, im Gegenteil: als gelungenen Versuch, das Clubleben attraktiver zu gestalten. Prädikat: empfehlenswert.
Matthias Schütt ist selbständiger Journalist und Lektor. Von 1994 bis 2008 war er Mitglied der Redaktion des Rotary Magazins, die letzten sieben Jahre als verantwortlicher Redakteur. Seither ist er rotarischer Korrespondent des Rotary Magazins und seit 2006 außerdem Distriktberichterstatter für den Distrikt 1940.
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