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Rotary Forum

Mehr Verantwortung übernehmen

Ausgrenzen ist der falsche Weg. Dies ist die Botschaft eines Friedens-Forums, zu dem Governor Wilhelm Dietl eingeladen hatte.

Kerstin Dolde01.07.2019

71 Rotarier des Distriktes 1880 waren der Einladung von DG Wilhelm Dietl nach Chemnitz gefolgt.  Routiniert und charmant führte Hartwig Albiro als Moderator durch das umfangreiche Programm, das einen bunten Strauß von Perspektiven auf die Herausforderungen für den gesellschaftlichen Frieden in Chemnitz, Sachsen und dem gesamten Land präsentierte.

Die Oberbürgermeisterin ließ sich krankheitsbedingt durch den Bürgermeister und Kämmerer Sven Schulze vertreten, der die Situation in Chemnitz nach den August-Ereignissen 2018 beschrieb - und das, was danach begonnen wurde, um den Zusammenhalt zu stärken. Es folgte der politik- und sozialwissenschaftliche Blick auf Chemnitz: Wie stellt sich die Geschichte der politischen Beteiligung in Chemnitz eigentlich dar? Von welchen Aspekten lassen sich die Bürger der Stadt bei ihren politischen Haltungen und Handlungen besonders leiten?

Den zweiten Block bestritten Armin Staigis (RC Chemnitz-Schlossberg), der Kurde Younes Bahram (RC Dresden-Blaues Wunder) und der Afghane Shahrukh Belem (RC Chemnitz-Schlossberg). Nach einem kraftvollen Aufruf des Brigadegenerals a.D. Staigis zum Engagement für die Wertvorstellungen, die unserer freiheitlich demokratischen Gesellschaft zugrunde liegen, insbesondere für die Menschenwürde, wurden deren Anfeindungen in der Welt und auch in Deutschland mit den Berichten der beiden Migranten überaus greifbar. Eindrücklich die (deutsch gefassten) Gedichte von Younes Bahram und die ruhige Schilderung Shahrukh Belems. Der Blick auf das Hin- und Hergerissensein zwischen der alten und der neuen Heimat schmerzt. Mancher, dessen Familie aus Schlesien oder dem Sudetenland geflohen ist und in Sachsen und Bayern eine neue Heimat gefunden hat, wird das Gefühl nachvollziehen können.

Mit dem nachmittäglichen dritten Themenblock wurde es ganz praktisch. Wie gehen wir mit den Herausforderungen, gerade auch denen der Migration um? Diana Godoy warf den Blick auf die Arbeit von Rotaract, suchte nach Wegen, das medial befütterte Chaos in den Köpfen vieler junger (und wohl auch alter) Menschen mit Fokussierung ordnen zu helfen. Sebastian Sonntag, Schulpsychologe, malte seine Vision vom Konfliktabbau in Schulen an die Wand. Martin Pfeifenberger, Schulleiter aus Fürth, legte Wert auf schlicht unverkrampften und vorurteilsfreien Umgang der Schüler mit- und untereinander, der durchaus gelinge. Peter Daetz zeigte die Projekte des RC Lichtenstein und der Daetz-Stiftung als Beispiele praktischer rotarischer Projektarbeit auf.

Philosophisch wurde es noch einmal mit Klaus Kowalke, dem „besten Buchhändler“ Deutschlands auf dem Chemnitzer Kaßberg (Lessing und Kompanie). Er zeichnete nach, wie sich die sinnvollste Selbstverwaltungsform der Welt, die Demokratie, in der Menschheitsgeschichte herauskristallisiert habe und hob hervor, dass Kultur deren zwingende Voraussetzung sei.

Der Tag hatte eine wesentliche Botschaft, die der eine seinem Publikum mit Goethe, der andere mit einer Metapher aus dem Fussball nahebrachte. Der sich um Freiheit, Frieden, Gerechtigkeit und Solidarität sorgende Bürger müsse vom Rang auf das Spielfeld und in der Demokratie mitspielen und mitspielen wollen. Oder eben mit Goethe: „Nur der verdient sich Freiheit und das Leben, der täglich sie erobern muss.“

Möge sich diese - für ein demokratisch verfasstes Gemeinwesen eigentlich selbstverständliche - Einsicht wieder mehr durchsetzen, war dann am Ende die Botschaft.

Kerstin Dolde
Kerstin Dolde ist Journalistin und arbeitet zurzeit als Verantwortliche Redakteurin für Regionales bei der Frankenpost. Seit Januar 2011 steht sie zudem als Leseranwältin des oberfränkischen Medienhauses den Leserinnen und Lesern als Ansprechpartnerin zur Verfügung. Von 2005 bis Mitte 2020 war sie als Distriktberichterstatterin für D 1880 unterwegs.