New Generations Service Exchange
Rotary macht es möglich: Zu Gast in Taiwan

Der Anti-Trump-Effekt – er ist auch im Jugenddienst spürbar. Das Interesse an den USA hat merklich nachgelassen. Wie spannend andere Ziele sein können, zeigt ein Erfahrungsbericht aus Taiwan.
"Die Taiwaner machen gerne in Japan Urlaub – und sie betonen, dass sie keine Chinesen sind. Sondern eben Taiwaner." So hat es Paula Müller erlebt.

Das rotarische NGSE-Austauschprogramm hat ihr sechs Wochen in Taoyuan ermöglicht – ein Arbeitsaufenthalt in einer Stadt mit zweieinhalb Millionen Einwohnern. Fünf Wochen war sie in einem Architekturbüro tätig, am Ende stieg auch ihr Papa Ralph Müller (RC Vogtland Schloß Voigtsberg) ins Flugzeug; gemeinsam sind Vater und Tochter noch eine Woche durch das Land gereist.
NGSE steht für New Generations Service Exchange – und will die weltweite Verständigung junger Menschen untereinander fördern, dazu das Kennenlernen und Verstehen anderer Kulturen. Nicht zuletzt wird so auch das oberste Ziel von Rotary "Förderung von Frieden" umgesetzt.
Doch die politische Lage ist angespannt und dies sorgt für weniger Bewerbungen, sagt Carola Kupfer (RC Regensburg-Millennium) zuständig für den Jugendienst. Die USA gilt derzeit nicht als attraktiv und dies schlage sich auch in den Bewerberzahlen nieder, so Carola Kupfer anlässlich der jüngsten Beiratssitzung im Distrikt 1880.
Im kommenden rotarischen Jahr 2025/26 werden im Distrikt 23 In- und 23 Outbounds begrüßt werden, stellte sie fest.
Das Interesse an den USA hat merklich nachgelassen – doch dies war nicht der Grund, warum Paula Müller nach Taiwan wollte. Ihr Interesse war grundsätzlicher Natur. Es macht Freude, der 20-Jährigen zuzuhören. Und ihre Art, wie sie ihre Erfahrungen schildert, kann ansteckend wirken.

Aber von vorne. Taiwan, die ebenso junge wie umkämpfte Demokratie, ist noch immer geprägt von Kolonialherrschaft, Diktatur und neuer Freiheit. Hier mischt sich das japanische Erbe mit chinesischem Brauchtum und den Traditionen der Ureinwohner.
Paula Müller hat hier Menschen erlebt, die auf ihre Unabhängigkeit pochen. Allein ihre Frage, wie eine englische Formulierung im Chinesischen laute, wurde immer wieder mit "Wir sprechen kein chinesisch, sondern taiwanisch", beantwortet. "Sehr sympathische Menschen", schwärmt sie und beschreibt ihre vielen Abende auf den unzähligen Nachtmärkten mit der köstlichsten Küche Asiens – sie habe alles probiert. Eingelegte Entenfüße und gestocktes Schweineblut schreckten sie nicht. "Zumindest Presssack gibt’s ja bei uns in Bayern auch." Nur bei Gelee (wegen der Konsistenz) und den Seeohren, weil die gebratenen Fische auf den Tellern noch zuckten, war sie raus.
Nach dem Abitur im oberfränkischen Hof hat sie eine Ausbildung zur Bauzeichnerin absolviert, mittlerweile studiert sie im ersten Semester Architektur in Würzburg – und dabei ist sie gerade 20 Jahre alt und wohl nicht erst durch die Reise lebenspraktisch veranlagt. "In Taiwan haben wir uns in dem Architekturbüro, in dem ich arbeiten dufte, per Google-Übersetzer verständigt." In dem Büro sprachen nur der Chef und dessen Freundin englisch, um sich mit ihren Kollegen zu unterhalten, tippte sie ihre Fragen und Antworten in ihr Handy. Eine Unterhaltung bedeutet also, sich gegenseitig die Smartphones zu zeigen.
In den fünf Wochen lebte sie bei drei Gastfamilien. Gefallen hat es ihr bei allen, die Eindrücke waren unterschiedlich: Eine Familie fuhr sie jeden Tag ins Büro, holte sie am Abend ab, tischte jeden Abend ein neues Gericht auf und organisierte einen Ausflug nach dem anderen.
Haushaltshilfen waren bei allen Familien üblich, eine der Frauen organisierte zum Frühstück sogar Brot, Nutella und Marmelade für den deutschen Gast. "Einfach lieb", sagt Paula Müller, die tatsächlich mit der zum Frühstück üblichen Nudelsuppe auch sehr zufrieden war.

In der zweiten Gastfamilie war sie eher auf sich allein gestellt, die "Gastmutter" war bemüht, aber sehr beschäftigt. "Sie war den ganzen Tag auf High Heels unterwegs! Hier kam der Opa der Familie jeden Tag vorbei und brachte das Essen, das die Oma vor zubereitet hatte." Ein ungewöhnliches Highlight: Die Gastmutter nahm sie zur einer Brautmodenschau mit, so modelte die Europäerin Paula als Braut im fernen Asien.
Zur Leidenschaft Essen gesellt sich die Liebe der Taiwaner zu Karaoke. Mit den Kindern der ersten Gastfamilie – "wir haben uns super verstanden" – ging es am Abend in die Karaoke-Bar. Man könne sich dies wie in einem Hotel vorstellen, jede Gruppe bekommt ihr eigenes Zimmer und dann wird gesungen. "Und das wirklich mit Herzblut!", sagt Paula Müller.
Was ihr auch aufgefallen ist: Die Disziplin der Menschen. Sie stellen sich geordnet an, wenn sie in einen Bus steigen, überhaupt gehe es sehr diszipliniert zu.
"Ich glaube, ich habe mich in die Menschen dort verliebt, sie sind so herzlich und gastfreundlich!" Den Kontakt, vor allem zu einer Gastfamilie, pflegt sie bis heute. Jüngst verbrachte sie mit einer Freundin einen Urlaub in Australien, ein Verbindungsflug auf dem Heimweg ließ einen Zwischenstopp in Taiwan zu – und Paula Müller hat die Gelegenheit sofort ergriffen und ihrer Freundin die Gastfamilie vorgestellt.
Per WhatsApp lasse sich der Kontakt ohnehin ganz bequem halten – zuletzt tauschten Paula Müller und ihre Gastfamilien Fotos von Weihnachtsbäumen und Architekturtests aus. Und natürlich schickte Paula Bilder vom Schnee.

Ihr Wunsch, vor dem Studium eine Zeit im Ausland zu verbringen, sei sehr sehr gut erfüllt worden, sagt sie – und erzählt, dass sie im Herbst 2024 ursprünglich nach Singapur wollte. Doch dort wäre sie in einem Appartement untergebracht worden und hätte nicht in einer Gastfamilie leben können.
"Ich wusste wirklich nicht, was auf mich zukommt", sagt sie. Sie sei in den Flieger gestiegen und für sie habe sich im buchstäblichen Sinn eine neue Welt aufgetan. Sie besuchte mit ihrer Gastfamilie auch Rotary Meetings und in Erinnerung blieb ihr vor allem, dass dort bei jedem Meeting ein Rotary-Song gesungen wird.
Und aus dieser Welt kommt nun eine junge Frau (25) aus Taiwan zu ihr nach Oberfranken. Auch sie macht das NGSE-Programm. Sie wird bei der Firma Frank Walder (Modebranche) ins Berufsleben hineinschnuppern und einen Monat bei Paula Müller und ihren Eltern wohnen.
Nach Ablauf seiner Governorzeit wird Hans Neuser die Aufgabe als NGSE-Beauftragter im Distrikt wahrnehmen. Hans Neuser: "Wir wollen viele junge Menschen und Arbeitgeber zusammenbringen – innerhalb und außerhalb der rotarischen Familie. Miteinander und voneinander lernen und dafür das Netzwerk von Rotary nutzen – das ist unser Ziel!"

Ulrike Löw (RC Nürnberg-Reichswald) ist seit 20 Jahren als Journalistin tätig. Ihr Schwerpunkt liegt bei rechtlichen Themen: Aktuelle Rechtsnews interessieren sie ebenso wie juristische Hintergründe, regelmäßig sitzt sie in Gerichtssälen und berichtet über Strafprozesse. Ab August 2021 ist sie Berichterstatterin des Distrikts 1880.
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